1. Juni 2012 - Predigt zu Epheser 1, 3-14
01. Juni 2012
„Damit wir etwas seien, zum Lobe seiner Herrlichkeit“
Liebe Gemeinde,
wir führen heute Pröpste ein, den Leiter des Regionalzentrums für den Pommerschen Evangelischen Kirchenkreis und den Leiter des Pommerschen Kirchenamtes. Der Pommersche Evangelische Kirchenkreis startet durch: Letzte Woche nahmen wir Abschied von der Pommerschen Evangelischen Kirche. Am Sonntag feierten wir das Gründungsfest für die Nordkirche. Wir setzen damit insgesamt einen Neuanfang. Warum machen wir das eigentlich alles?
Der Predigttext für den kommenden Sonntag, für den Sonntag Trinitatis, zeigt uns auf sehr grundlegende Weise, was der Sinn aller kirchlicher Arbeit ist:
„Epheser 1, 3-14, (Lutherbibel)
3 Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns gesegnet hat mit allem geistlichen Segen im Himmel durch Christus.
4 Denn in ihm hat er uns erwählt, ehe der Welt Grund gelegt war, dass wir heilig und untadelig vor ihm sein sollten; in seiner Liebe
5 hat er uns dazu vorherbestimmt, seine Kinder zu sein durch Jesus Christus nach dem Wohlgefallen seines Willens,
6 zum Lob seiner herrlichen Gnade, mit der er uns begnadet hat in dem Geliebten.
7 In ihm haben wir die Erlösung durch sein Blut, die Vergebung der Sünden, nach dem Reichtum seiner Gnade,
8 die er uns reichlich hat widerfahren lassen in aller Weisheit und Klugheit.
9 Denn Gott hat uns wissen lassen das Geheimnis seines Willens nach seinem Ratschluss, den er zuvor in Christus gefasst hatte,
10 um ihn auszuführen, wenn die Zeit erfüllt wäre, dass alles zusammengefasst würde in Christus, was im Himmel und auf Erden ist.
11 In ihm sind wir auch zu Erben eingesetzt worden, die wir dazu vorherbestimmt sind nach dem Vorsatz dessen, der alles wirkt nach dem Ratschluss seines Willens;
12 damit wir etwas seien zum Lob seiner Herrlichkeit, die wir zuvor auf Christus gehofft haben.
13 In ihm seid auch ihr, die ihr das Wort der Wahrheit gehört habt, nämlich das Evangelium von eurer Seligkeit - in ihm seid auch ihr, als ihr gläubig wurdet, versiegelt worden mit dem heiligen Geist, der verheißen ist,
14 welcher ist das Unterpfand unsres Erbes, zu unsrer Erlösung, dass wir sein Eigentum würden zum Lob seiner Herrlichkeit.“
Diese einladende Textpassage des Epheserbriefes ist so etwas wie die Zusammenfassung des ganzen Briefs im Kern. Der Apostel sagt – wie es heute bei Abhandlungen auch üblich ist - am Anfang schon einmal in Kurzfassung das, was er mit der ganzen Epistel erreichen will. Und er fasst in einem Halbsatz das Ziel aller kirchlichen Arbeit zusammen: „Damit wir etwas seien zum Lob seiner Herrlichkeit“ (V. 12, a). Das könnten wir als Motto über unsere neue Kirchenverfassung schreiben: „Dass wir etwas seien zum Lob seiner Herrlichkeit.“ – Das könnte über all unseren Kirchen stehen. Die Kirche ist dazu da, dass Gott gelobt wird. Aller kirchlicher Dienst soll zum Lob Gottes führen. Natürlich machen wir darüber hinaus auch viele für die Menschen nützliche Dinge. Ja, weil unsere Zweckbestimmung ist, Gott zu loben, können wir den Menschen dienen, wie keine andere Vereinigung. Die Kirche ist kein Verein, keine Partei, keine Nichtregierungsorganisation, sondern etwas Einzigartiges, nämlich Kirche, die Gemeinschaft der Herausgerufenen, die zu ihrem Lebensziel kommen, wenn sie Gott in der rechten Weise dienen.
Es ist der besondere Clou des Epheserbriefes, dass er das Ziel allen kirchlichen Dienstes im Lob des Dreieinigen Gottes beschreibt: „Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns gesegnet hat mit allem geistlichen Segen im Himmel durch Christus“ (V. 3). Der Gott, den wir im Leben und Leiden von Jesus Christus kennen gelernt haben und der uns auf vielerlei Weise durch seinen Geist segnet, den wollen wir loben. Wenn das geschieht, kommt der Plan Gottes zum Ziel. Der Apostel redet „vom Geheimnis seines Willens nach seinem Ratschluss.“ (V. 8). Wer über Gott reden will, muss immer diese Grenze des Aussagbaren berühren, ja vielleicht sogar überschreiten. Der große, von Menschen nicht fassbare und schon gar nicht in Begriffen beschreibbare große Gott übersteigt alle Denkhorizonte, weil uns in ihm etwas Umfassendes begegnet, das nur in der alten Redeweise von der Dreieinigkeit Gottes berührt werden kann. Gott lässt uns dadurch etwas von seinem Geheimnis erkennen. Es ist aber niemals so, dass uns dadurch das Geheimnis Gottes insgesamt offenbart wird. Wir wissen nur so viel, wie wir zur Gestaltung unseres Lebens brauchen. Rätsel werden gelüftet, Geheimnisse dagegen zeigen eine Tiefe des Denkens, dass dadurch, dass man an einem Zipfel etwas zu verstehen beginnt, nur noch tiefer wird. Mit der Dreieinigkeit, der Trinität, begegnen wir Gott und seiner umfassenden Fülle. Der Apostel nennt drei Aspekte.
1. Erwählt aus ewiger Liebe
Über jedem Menschenleben steht die ewige Liebe Gottes. Mit der Schöpfung, ja sogar vor der Schöpfung, hat uns Gott, der Schöpfer, bereits auf sich programmiert. Jeder Mensch ist auf Gott hin angelegt. Deshalb hat der katholische Amtsbruder und Bischof von Erfurt, Joachim Wanke, recht, wenn er kürzlich gesagt hat: „Es schmerzt mich, dass Kinder in Erfurt nicht das Gleichnis vom barmherzigen Vater kennen. Und dass ein Thüringer einmal vor Gottes Angesicht tritt und sagt: ‚Lieber Gott, ich habe nie was von dir gehört, erstaunlich, dass es dich gibt.’ Da sind wir als Kirche gefragt! Das ist für mich Aufbruch!“ Und natürlich gilt das, was Bischof Wanke von den Thüringern und Erfurtern sagt, genau so gut von den Pommern und den Greifswalder, den Stralsundern und den Pasewalkern. Alle Menschen sind erwählt aus ewiger Liebe – und die meisten hier in unserer Region wissen nichts davon! Die Erinnerung an unsere Bestimmung ist so wichtig, aber das Wissen um den Glauben und die Realität des Glaubens ist für so viele Menschen verloren gegangen. Auch das ist ein Grund, warum die Depression unter uns um sich greift. Viele Menschen empfinden sich nicht als geliebt. Und weil sie sich nicht umgeben und umsorgt von der Liebe Gottes fühlen, müssen sie sich selbst um ihre eigene Liebe sorgen. Sie jagen jedem Spaß nach und merken gar nicht, wie sie sich dabei von sich selbst und von Gott, von ihrer Bestimmung entfernen.
Ein umfassender Blick auf das Ganze, sozusagen die Perspektive der Ewigkeit, ist der Blick vom Himmel. Deswegen sagt ja auch der Apostel, dass wir „mit allem geistlichen Segen im Himmel gesegnet sind durch Christus“ (V.3). Er wagt damit einen Blick von jenseits der Grenzen unserer Erkenntnis auf uns, einen Blick, der sich ihm nicht von selbst eröffnet, sondern den Gott ihm schenken muss.
Liebe Schwestern und Brüder, das geistliche Amt, in das ihr heute eingeführt werdet, soll getragen sein von dieser ewigen Perspektive und dieses Angelegtsein des Menschen auf die göttliche Liebe bezeugen.
2. Erlöst durch Jesus Christus
Der Mensch lebt entfremdet von Gott, von der Schöpfung und von sich selbst. Dass er immer wieder abirrt von dem Willen Gottes, zeigt, wie nötig er Gottes Rettung hat. Die Sünde des Menschen zeigt seine Erlösungsbedürftigkeit. Weil er sich vielfach gegen andere Menschen, gegen sich selbst, gegen die Schöpfung und gegen Gott vergangen hat, deswegen braucht er Vergebung.
Der Epheserbrief wählt das Bild des Loskaufs. Durch das Sterben Jesu am Kreuz hat uns Gott losgekauft von den uns versklavenden Mächten der Selbstbespaßung und der ewigen Sucht, unserm Leben selbst Sinn zu geben. Die Erlösung am Kreuz, durch das grausame Sterben Jesu – dafür steht das Stichwort Blut – führt alles in Sünde Entfremdete wieder zusammen. Der Epheserbrief hat hier eine umfassende Sicht auf die Dinge. Er meint alles, „was im Himmel und auf Erden ist“. Unter Christus soll alles vereint werden. In einer Zeit der Unübersichtlichkeit, in der alles auseinander zu fallen droht, hält der Glaube an Jesus Christus Gott, Welt und Mensch beieinander. Jesus Christus kann das, weil er versöhnt. Jesus Christus versöhnt uns Menschen mit der Schöpfung und mit Gott.
Vor einigen Jahren war ich mit meiner Frau und mit meinen beiden jüngeren Söhnen in Südafrika und wir besuchten die frühere Gefängnisinsel Robben Island vor Kapstadt. Beim Besuch erhielten wir eine Lektion, was Versöhnung heute bedeutet. Ein früherer Gefangener, der selber zwei Jahre lang auf der Insel interniert war, der gefoltert worden war und Zwangsarbeit leisten musste, führte uns durch den Gefängniskomplex. Wir waren die einzigen Europäer in unserem Bus mit vielleicht 40 bis 50 Teilnehmern. Er fragte die Gruppe, die hauptsächlich aus jüngeren Südafrikanern, meist Farbige und Schwarze, bestand: Was ist das, das uns lange Zeit in Südafrika gefehlt hat, das wir aber heute kennen? Was ist es, ohne das menschliches Leben sich nicht wirklich entwickeln kann?“ Ein Teilnehmer nach dem anderen nannte verschiedene Errungenschaften, die für das heutige Südafrika nach dem Ende der Apartheid charakteristisch sind, z. B. Freiheit, Demokratie, Gleichheit vor dem Gesetz usw. Jedes Mal antwortete unser Führer ähnlich. Ja, das sei sehr wichtig, aber für die Entwicklung einer Gesellschaft müsste noch etwas anderes hinzukommen. Am Ende gab er selbst die Antwort: „Versöhnung“. Keine Gesellschaft könnte leben ohne Vergebung und ohne Versöhnung. Diese Antwort aus dem Mund eines früheren Opfers des südafrikanischen Apartheidsystems hat mich tief beeindruckt. Wie schnell reden wir von Versöhnung und Erlösung, wie schnell führen wir solche christlichen Begriffe im Munde und erspüren gar nicht ihre die Wirklichkeit verändernde Kraft? Ich musste an Bonhoeffers Aussage (in den Gedanken zum Tauftag seines Patensohnes) vom Mai 1944 denken, als er schreibt: „Was Versöhnung und Erlösung… heißt, das alles ist so schwer und so fern, dass wir es kaum mehr wagen, davon zu sprechen. ... Aber der Tag wird kommen, an dem wieder Menschen berufen werden, das Wort Gottes so auszusprechen, dass sich die Welt darunter verändert und erneuert.“1
Liebe Schwestern und Brüder, das geistliche Amt, in das ihr gleich eingeführt werdet,ist zuerst und zuletzt das Amt, das die Versöhnung predigt. Nicht nur, aber gerade hier in Pommern, gerade auch unser uns, ist diese Aufgabe höchst aktuell.
3. Geschmack auf Ewigkeit auf den Heiligen Geist
Die Reihenfolge ist ganz einfach. Endlich, sagt der Apostel, habt ihr das „Wort der Wahrheit“ gehört. Darüber seid ihr zum Glauben gekommen. In der Taufe hat euch Gott den Heiligen Geist verliehen. Als Zeichen der Verleihung des Heiligen Geistes und des Segens Gottes galt schon zu neutestamentlichen Zeiten die Handauflegung, die wir ja auch heute und gleich praktizieren werden.
Aus der Taufe kriecht, so sagt der Epheserbrief, eine neue Menschheit. Das Leben der Glaubenden ist geprägt von Liebe und Gerechtigkeit. Sie leben sozusagen schon jetzt aus den Kräften der Ewigkeit. Und darum wird der Heilige Geist als „Unterpfand unseres Erbes“ (Luther V. 14), als „Anzahlung“ (NGÜ), als eine Art „Vorschuss auf unser Erbe“ (Basisbibel) bezeichnet. Wer von diesem umwälzenden Tun Gottes, das durch Glaube und Taufe in unser Leben hinein kommt, berührt worden ist, der will davon mehr. Der Heilige Geist macht uns durch sein Wirken Geschmack auf Ewigkeit.
Liebe Schwestern und Brüder, das geistliche Amt wird in einer Zeit des Ausgebranntseins, des Burn-out, den Trost der Ewigkeit spenden und so Lust auf Gottes Zukunft machen.
Die Menschen sollen spüren, warum Kirche da ist. Wir sind erwählt aus ewiger Liebe. Wir sind erlöst durch Jesus Christus. Wir haben durch den Heiligen Geist Geschmack auf Ewigkeit bekommen. Wenn wir unsern Dienst so ausüben, dann sind wir etwas zum Lobe seiner Herrlichkeit. Amen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
1D. Bonhoeffer, Widerstand und Ergebung. Neuausgabe 327 f.