1. Mai 2013 - Grusswort bei der Brückenveranstaltung der Gewerkschaften
01. Mai 2013
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde,
auch ich grüße Sie heute hier, zu diesem doch etwas anderen und besonderen 1. Mai 2013. Ich bin sehr dankbar dafür, dass wir diesen Tag als etwas Gemeinsames feiern und würdigen. Bei allen Unterschieden schlagen wir im wahrsten Sinne eine Brücke zwischen Kirche und Gewerkschaften. Wir zeigen damit – und dieses Signal braucht es heutzutage! – dass es uns um ein solidarisches Miteinander und also darum geht, gemeinsam für eine soziale und gerechte Gesellschaft einzustehen.
„Soviel du brauchst“ eben. Dies ist ursprünglich eine Zusage Gottes an den Menschen und soll aufmerksam dafür machen, was er oder sie selbst und vor allem auch: was die oder der andere zum Leben braucht. Immaterielles, aber auch Materielles. Und damit ist dieses alte biblische Wort gerade für uns hier hoch aktuell.
Soviel du brauchst“ – das lässt sich etwa ganz konkret beziehen auf wirklich auskömmliche Einkommen, mit denen Männer und Frauen ihre Existenz sichern und eine Familie versorgen können. Gutes Geld eben für gute Arbeit.
„Soviel du brauchst“ heißt deshalb auch: Mindestlohn. Wir brauchen dringend eine Schranke gegen Lohndumping, Tarifflucht und Niedriglohnkonkurrenz. Und so unterstützen Diakonie und Kirche ausdrücklich einen verbindlichen Mindestlohn, nicht nur in der Pflege. „Pflege ist mehr Wert“ heißt so auch eine Kampagne, die Gewerkschaften und Diakonie zusammen tragen – für vernünftige und tariflich abgesicherte Beschäftigungsverhältnisse im sozialen Hilfesystem.
Ich betone die Gemeinsamkeit zwischen Kirche und Gewerkschaft an dieser Stelle deswegen, weil es in der Frage der kirchlichen Arbeitsbedingungen auch manch Aufregung gegeben hat. „So viel du brauchst“ – daran müssen sich selbstverständlich ebenso kirchlich-diakonische Einrichtungen messen lassen. Und da gibt es sicherlich noch manches zu tun. Auch wenn die Tarifbindungen dort deutlich höher sind, als es oft dargestellt wird. Doch gerade weil auch kirchliche und vor allem diakonische Arbeitsbedingungen unter Druck stehen, suchen wir die Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften und setzen uns für geregelte Verfahren der Lohnfindung ein. Und ob dies nun auf dem dritten oder zweiten Weg geschieht, das ist noch offen. Darum genau muss gerungen werden!
„Soviel du brauchst“ – das heißt auch: für sichere und sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze zu sorgen. Doch in Deutschland nimmt derzeit die Zahl der prekären, ungesicherten, meist schlecht bezahlten Jobs geradezu explosionsartig zu. Wenn die Bundesregierung in ihrem aktuellen Armuts- und Reichtumsbericht über diesen Skandal nicht sprechen möchte, müssen Gewerkschaften und Kirchen dies tun. Und zwar laut und deutlich. Denn Arbeit bleibt ein zentraler Weg zu gesellschaftlicher Teilhabe und zu allem, was man dazu braucht – Wohnung, Kleidung, Bildung, Kultur. Prekäre Arbeitsverhältnisse dagegen bedeuten für die Betroffenen und ihre Familien ein Leben am Rand. Immer zu wenig!
Statt dessen: „So viel du brauchst“ – human ist eine Gesellschaft, gerade eine so reiche, wie wir sie haben, nur, wenn sie auch die Rechte der Benachteiligten aktiv schützt. Verteidigen wir also diese Rechte von einkommensschwachen Familien, von Kindern in Hartz IV-Verhältnissen, verteidigen wir die Rechte von Obdachlosen auf Unterbringung, die Rechte von Flüchtlingen auf Schutz vor Verfolgung, die Rechte von Menschen ohne Papiere auf Gesundheitsversorgung. All dies und noch viel mehr, damit die alte biblische Vision Wirklichkeit verändert:
„Es ströme aber das Recht wie Wasser und die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach“ (Amos 5, 24)
Soviel du brauchst, heißt für engagierte Menschen in Kirche und Gewerkschaft schließlich dies: Begegnung. Feier. Gute Zeit. Dazu herzlich willkommen auf dem Kirchentag. Heute Abend schon beim Abend der Begegnung – ich freue mich auf Sie und danke Ihnen.