14. Dezember 2014 - Wismar

14. Dezember 2014 - Ansprache zur Lichterausfahrt

14. Dezember 2014 von Andreas von Maltzahn

3. Advent

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus
                                                                                                         AMEN.

Mit der heutigen Lichterausfahrt führen wir eine alte Tradition unserer Vorfahren fort – am Ende des Jahres gewissermaßen ein „Erntedankfest des Meeres“. So wie Generationen vor uns ein letztes Mal vor Weihnachten hinausfuhren mit dem Gefühl: „Gott sei Dank, wir haben wieder ein Jahr überlebt“, haben auch wir Grund zur Dankbarkeit:
•    nicht nur, wenn wir vor dem Schlimmsten bewahrt geblieben sind;
•    Das Meer hat auch in diesem Jahr wieder vielen Menschen Arbeit und Brot gegeben: Fischer, Seeleute, die Beschäftigten in Hafen und Werft, aber auch in der Tourismusbranche haben viele vom Meer gelebt.
•    Nicht zuletzt können wir dankbar sein für all das Gute, das durch die See unserer Seele zuteil geworden ist. Warum sonst zöge es uns zu allen Jahreszeiten immer wieder ans Wasser?!

Auch in der Bibel spielt das Meer in unterschiedlichsten Zusammenhängen eine Rolle. Manchmal steht es für die Mächte des Chaos und des Bedrohlichen, die von Gott gebändigt werden müssen. Manchmal ist es aber auch Ort der Gottesbegegnung – wenn Menschen im Sturm die Zerbrechlichkeit ihres Lebens erfahren und erkennen, worauf es im Leben ankommt.

Für mich persönlich ist das Meer aber auch ein Stück Heimat. Als ich als kleiner Dreikäsehoch zum ersten Mal das Meer sah, so erzählten meine Eltern, da sei ich jubelnd auf das Wasser zugelaufen und hätte mich selig in die Wellen gestürzt. Noch heute bin ich glücklich, wenn ich am Meer sein kann. Darum kann ich gut verstehen, dass bei uns an der Küste gesungen wird:

Wo de Ostseewellen trecken an den Strand,
Wo de gele Ginster bleuht in´n Dünensand,
Wo de Möwen schriegen, grell in´t Stormgebrus, -
Da is mine Heimat, da bün ick tau Hus.

Heimat – was ist das? In Vorpommern z. B. wurden Menschen befragt, was sie mit ‚Heimat‘ verbinden. In der Klasse 4a der Loitzer Grundschule antworteten die Kinder unter anderem: „Weihnachtsduft, Gurken, Döner.“ Tja, nun wissen wir endlich, wo der Döner wirklich erfunden wurde.

Ich bin ja hier in Mecklenburg aufgewachsen. Väterlicherseits lebt meine Familie schon lange hier. Meine Mutter jedoch war ein Flüchtling. Aus Ostpreußen war sie mit ihren Eltern und den vielen Schwestern getreckt. In unserer Küche erzählten sie oft von jener ‚Hejmat‘. Sie vergaßen dabei Zeit und Stunde. Lachen und Weinen lagen dicht beieinander, wenn sie sich erinnerten. Und abends vor dem Einschlafen sang Mutter uns Kindern:

„Abends ziehen Elche von den Dünen,
von der Palve an des Haffes Strand.
Und die Nacht wie eine gute Mutter
deckt ihr Tuch wohl über Haff und Land.
Und die Nacht wie eine gute Mutter
deckt ihr Tuch wohl über Haff und Land.“

Wunderbar war das, so in den Schlaf gesungen zu werden! Heute denke ich: Diese ostpreußische Heimat meiner Mutter hat meine Kindheit mindestens so bestimmt wie die mecklenburgische. Es war eine Heimat aus Geschichten und Liedern, aus besonderen Gefühlen – kostbar und vergänglich zugleich.

Die Ostsee, an der wir zu Hause sind, spielt auch in dem ostpreußischen Abendlied eine Rolle. Es ist das Meer, das ich bis heute liebe. Es verbindet mich mit der Kindheit meiner Mutter. Ja, mehr noch: Das Meer verbindet uns mit anderen Ländern und Kulturen. Es weitet unseren Horizont. Es bereichert unser Leben. Wir sind verbunden mit den Ländern Skandinaviens und des Baltikum, mit Polen und Russland. Mittelbar sind wir verbunden mit den Anrainern der Nordsee. Mittelbar sind wir verbunden mit dem Atlantik und auch dem Mittelmeer. Wir sind verbunden mit dem Meer, über das Menschen zu uns zu flüchten versuchen, und sie riskieren dabei ihr Leben. Mittelbar sind wir verbunden mit allen Küsten dieser klein gewordenen Welt – auch mit denen jener Inseln, die schon jetzt am Untergehen sind, weil wir nicht genug tun gegen den Klimawandel.

Wir sind miteinander verbunden. Wir hängen voneinander ab. Wir können unser Glück auf Dauer nicht sichern in Abgrenzung von Menschen in Not. Abschotten  funktioniert nicht. Unsere Heimat hat einen offenen Horizont. Gott sei Dank!

In diesen Tagen bewegt mich die Frage: Was hält Menschen in ihrem Denken und Fühlen so gefangen, dass sie Flüchtlingen in unserem Land eine Zuflucht verweigern wollen? Ist es wirklich die Angst, „überfremdet“ zu werden? Bei uns in Mecklenburg-Vorpommern leben weniger Ausländer als in der Stadt Leipzig! Ist es die menschliche Ur-Angst, im Leben zu kurz zu kommen? Dabei entrichten ausländische Mitbürger so viele Steuern, dass sie die Sozialausgaben für Migrantinnen und Migranten deutlich übersteigen.

Durch meine Mutter weiß ich: Man verlässt seine Heimat nur aus Not. Und wie sehr ist man dann darauf angewiesen, dass Menschen sich als gastfreundlich erweisen und ihr Herz nicht verschließen!

Fremde und Schutzsuchende aufzunehmen entspricht Gottes Gebot: „Denn der Herr, euer Gott . . . liebt die Fremden und gibt ihnen Brot und Kleidung. Darum sollt ihr die Fremden lieben.“ (5.Mose 10,17-19) Und Jesus von Nazareth, selber Asylantenkind in Ägypten, setzte hinzu: „Ich war fremd, und ihr habt mich aufgenommen. . . . Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.“ (Matthäus 25,35.40)

Darum: Lassen wir uns nicht von falschen Ängsten gefangen nehmen! Fassen wir Mut und widerstehen wir denen, die politischen Nutzen aus der Angst ziehen wollen! Zeigen wir uns gastfrei, wo immer Flüchtlinge Schutz bei uns suchen!   

Schwestern und Brüder, wir sind miteinander verbunden – auch und gerade durch das Meer. Unsere Heimat hat einen offenen, weiten Horizont. Wir können unverkrampft und freizügig mit dem umgehen, was uns Heimatgefühl vermittelt. Wir müssen da nichts ängstlich hüten. Sparen wir unseren Wein nicht auf für morgen! Das gilt auch für unsere Wertvorstellungen, für unsere Konfessionen und Religionen. Sie gewähren uns ein Stück Heimat. Machen wir füreinander fruchtbar, was unserem Leben Kraft und Tiefe gibt! Teilen wir unser Brot – Gott wird es segnen, und wir werden Menschen seines Friedens sein. Mögen die Lichter der heutigen Ausfahrt dafür leuchten!

Amen.


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