Dom zu Lübeck

21. Februar 2013 - Gottesdienst zur Eröffnung der Synode der Nordkirche

21. Februar 2013 von Kirsten Fehrs

Predigt zu Römer 8, 14-17 Welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder. Denn ihr habt nicht einen knechtischen Geist empfangen, sondern ihr habt einen kindlichen Geist empfangen, durch den wir rufen: Abba, lieber Vater! Der Geist selbst gibt Zeugnis unserem Geist, dass wir Kinder Gottes sind. Sind wir aber Kinder, so sind wir auch Erben, nämlich Gottes Erben und Miterben Christi, wenn wir denn mit ihm leiden, damit wir auch zur Herrlichkeit erhoben werden. Die Liebe Gottes, die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei in uns lebendig. Amen

Liebe Schwestern und Brüder!

 

„Und als er das sagte, glaubten viele an ihn.“ Der Satz aus dem Evangelium klingt in mir nach.  Er klingt so getrost, so verheißungsvoll. Inmitten der Passion, die wir derzeit bedenken mit all ihrem Schmerz, Zweifeln und Todesängsten.  Als er das sagte … Doch was genau war das? So dass sie an ihn glaubten?  Die Jünger jedenfalls verstanden`s  nicht, genau so steht es da. Und alles, was Recht ist:  „Wenn Ihr den Menschensohn erhöhen werdet, dann werdet ihr erkennen, dass ich es bin.“ Noch Fragen?

 

Einige Menschen heutzutage macht das ratlos, ja manche sogar aggressiv. Insider Sprache, altertümlich und unverständlich, sagen sie. Und konstatieren ärgerlich, dass der Glaube - angeblich! - da anfängt, wo Vernunft und Verstehen aufhören.

Andere wiederum sehnen sich. Nach Klarheit. Trostwort. Danach, etwas glauben zu können. Doch: was kann ich noch glauben, was im Christentum hat Bestand?, werde ich oft gefragt. Zumal immer weniger etwas vom Christentum wissen – und verstehen - so dass sie es glauben könnten. Und, zugegeben, auch mich überkommt mitunter das Gefühl, dass Worte sich gar zu formelhaft über uns hinweg wälzen, ohne einen innerlich zu erreichen. Glauben wir das wirklich alles noch, was gesagt wird? So, dass wir uns getröstet fühlen und gewürdigt, dass wir mehr verstehen von unserem Leben?

 

Was glauben wir, gemeinsam? Das ist keine theoretische, sondern eine existentielle Frage. Eine, die an die Nieren geht. Weil sie letztlich eine verbindliche Antwort erwartet, etwas zum Festhalten.  Und mehr noch: es geht um Nahrung für die Seele. Lebensnähe. Um Kraft für den Alltag, für den Weg, den ich gehen will oder manchmal auch gehen muss. Es geht beim Glauben um eine Kraft, die nicht aus mir selbst kommt und kommen kann. Sie kommt aus Worten, Bildern und Musik, die mich berühren in ihrer Wahrheit. Biblische Geschichten, die mich aufstören oder in den Arm nehmen. Ein Lied wie „Weißt du wie viel Sternlein stehen“, das mich beruhigt, weil ich gezählet bin. Ja diese Kraft entspringt einer Zuversicht, die sich in all dem mitteilt und die ich als Segen und mit Zuneigung so gern anderen zusprechen möchte. Heute besonders gern Dir, lieber Bischof Ulrich, lieber Gerhard und liebe Cornelia, liebe Familie und liebe Paula. Vorzugsweise braucht´s ja Segen und Gottes stille Zuneigung  in Momenten, die so bedeutsam sind, dass man sie am liebsten hinter sich hätte….

 

Glaube - mag sein das verbindet uns?  - Glaube ist ein lebendiger Prozess, ein Verwobensein von Sehnsucht und Wirklichkeit, von Verstehen und Geschehenlassen. Das was ich mit mir trage und erlebe, gehört zusammen mit dem, was seit Urzeiten erzählt und in Bekenntnissen gemeinsam formuliert worden ist. Und angesichts eines so bedeutsamen Tages, mit all dem, was uns in der Nordkirche so herrlich unterschiedlich sein lässt, stellt sich mir die Frage: Ist mein Credo auch das Ihrige, liebe Synodale? Glauben wir´s gemeinsam? Eigentlich?

 

Und damit bin ich beim heutigen Predigttext im Römerbrief. Er enthält dies alles. Jedenfalls für mich. Ich kann zu ihm sagen, Credo. Ja, das glaube ich. Und es macht mich zuversichtlich, das zu sagen. Nicht zuletzt, weil ich weiß, dass wir darüber frei reden können, gut protestantisch wie wir sind. Meinetwegen gern die nächsten drei Synodentage, zunächst aber mögen drei kleine Kapitel – gut trinitarisch – jetzt reichen.  

 

Erstens.

Dass Gott, der Schöpfer, dich Mensch mit Zärtlichkeit in die Welt wirft und immer wieder auffängt, dass er dich in dieser Welt zu Freiheit und Achtsamkeit gerufen - das glaube ich. Im Römerbrief drückt dies Paulus wunderschön aus: Denn ihr habt nicht einen knechtischen Geist, ihr habt einen kindlichen Geist empfangen, durch den wir rufen: Abba, lieber Vater! Wir sind Kinder. Kinder Gottes. Was für ein Bild! Vom Mutterleib an geschaffen sind wir wunderbar gemacht! Manchmal auch wunderlich, was macht´s. Belebt vom Atem, Geist Gottes sind wir sein. Und damit heilig. Unantastbar. Es ist der erste Artikel nicht nur des Grundgesetzes. Die Geschöpfe Gottes sind in ihrer Würde unantastbar. Nicht zur Zerstörung freigegeben. Die Liebe zum Leben ist das Erste und das Letzte, beim Geborenwerden wie beim Sterben, sie ist A und O unseres Seins. Wir sind auf der Welt, dieser Liebe zum Leben zu verhelfen. Gibt es für eine Kirche einen tieferen Sinn?

 

Zweitens.

Als Kinder Gottes sind wir frei von knechtendem Geist. Also befreit davon, abwertend zu sein, anderen oder auch mir selbst gegenüber. Das glaube ich. Durch Jesus Christus.

Von ihm gibt es die Geschichte, wie er den Jüngern, die sich darum streiten, wer der Größte unter ihnen sei, ein kleines Kind vor Augen stellt. An ihm gilt es, sich auszurichten. Nur der hat Größe, sagt Jesus, der auch nicht eines dieser Kleinen gering achtet. Ich liebe meinen Glauben, weil er so revolutionär und in so klaren Bildern die Welt auf die Füße stellt: die gering Geschätzten zuerst. Die Kleinen nach vorn. Für sie, die an den Hecken und Zäunen verkümmern, für sie ist der Tisch des Herrn gedeckt. Für die Flüchtenden, die an den hoch munitionierten Zäunen Europas untergehen, für die Hungernden – knapp eine Milliarde jetzt!, für die an Armut Leidenden – auch hier in unserem Land; für sie, die vor sich selbst flüchten, die nach Liebe hungern, die verarmt sind an Barmherzigkeit – sie alle brauchen uns, sie brauchen die Kraft derer, denen Gott Gutes getan hat.

 

In der Mitte unseres Glaubens steht von allem Anfang an das Kind.

Nicht im Sinne des kindlich Rührseligen. Doch im Sinne, inneres Spiel zu haben. Ihm ist erlaubt, Warum? zu fragen, immer wieder. Bis man an die Grenze des Erklärbaren kommt. Und das bohrende Fragen des Kindes erinnert uns mit großem Ernst auch daran, dass das Warum in tiefer Krise manchmal das letzte Gebet ist.

 

Für sie, deren Warum sie umtreibt ohne Wendepunkt und Antwort, für die gehört unsere Kirche im Norden geöffnet, für all das Tabuisierte und Verdrängte, für das nicht enden wollende Fragen, für den Schmerz, die Wut auch, für Schuld, Trauer, Verlorenheit und unerschütterliche Liebe. Selig, aufgenommen sind die, die Leid tragen. Das glaube ich. Durch Jesus Christus, der einst am Kreuz schrie:  Warum, mein Gott, hast du mich verlassen? Ich glaube, dass Jesu Leiden das unsre trägt. Es wird mit angeschaut, wenn wir das Kreuz sehen, und für wahr befunden. Kein Leid, kein Kreuz der Welt ist bedeutungslos, seit Gott Mensch geworden ist. Nicht ob jemand traurig ist, ist bedeutungslos. Nicht ob einer nur noch sterben will, weil er nicht mehr zu leben weiß. Nicht ob Krieg ist oder Frieden, in der Welt und in uns selbst. Nichts ist bedeutungslos und nichts kann uns scheiden von der Liebe Gottes. Weder Hohes noch Tiefes, weder Mächte noch Gewalten. 

 

Weder Scham noch Schuld. Dem Kind verzeiht man, wenn es Fehler macht, weil es mühsam nur die Lüge verbirgt und die Fähigkeit hat, sich zu schämen. So lebe ich als Kind Gottes im Vertrauen auf Vergebung. An die Vergebung, die uns ernüchtert sein lässt über uns selbst und die um Gottes Willen niemals hinter dem Rücken von Opfern geschieht, daran glaube ich. Denn nicht der Tod hat das letzte Wort, sondern die Auferstehung. Nicht die Strafe, sondern das Verzeihen. Wie tröstlich ist mir dies gerade in diesen Zeiten, wo wir uns als Kirche gewahr werden müssen, dass wir Menschen schwer verletzt haben. Inmitten der Gemeinschaft der Heiligen.

 

So bin ich bei drittens: Dass die Gemeinschaft der Heiligen - wir eben, so menschlich und verzagt, zugewandt und höchst verschieden wir sind -, dass wir den Auftrag haben, geerdet, laut und vernehmlich davon zu reden, was uns heilig ist,  das glaube ich. Dass wir als Kirche nicht schweigen dürfen, auch nicht zu uns selbst, und dass wir dabei eine Sprache finden müssen, die die Herzen erreicht. „Der Mensch wird zum Mensch, weil er mitfühlt und vergibt, weil er schwärmt und glaubt, sich anlehnt und vertraut, weil er lacht und weil er lebt.“ So besingt der Rockmusiker Herbert Grönemeyer in seinen, in modernen Worten unser Lied. Heißt es doch just im Römerbrief: Wir sind Miterben Christi, die genau so mitleiden wie wir die Herrlichkeit empfangen. So sind wir am Ziel, für heute zumindest. Und dieses Ziel heißt Herrlichkeit. Nicht etwa im Jenseits erst erreicht sie uns, ist auch nicht halb so erhaben, wie sie sich anhört, sondern meint schlicht: Lebensfreude.  Wir sollen frei werden, uns des Lebens zu freuen. Auch an einem Tag, an dem viel Arbeit und Aufregung vor uns liegen. Auch angesichts einer „satten“ Tagesordnung -  wir haben viel Grund, uns der Fülle des Lebens zu freuen, das glaube ich. Gewiss.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne. Amen

Datum
21.02.2013
Quelle
Stabsstelle Presse und Kommunikation
Von
Kirsten Fehrs
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