21. November 2012 | Schlosskirche in Ahrensburg

21. November 2012 - Gottesdienst am Buss- und Bettag

21. November 2012 von Gerhard Ulrich

Gottesdienst am Buß- und Bettag

Gruß und Votum – Pastor Paschen

Lied: 390 Erneure mich, o ewigs Licht

Psalm 32 – frei nach Spangenberg
Glücklich ist derjenige dran,
der bei Gott alle seine Fehler beichten konnte
und merkte: ich kann wieder neu anfangen.
Es tut so gut, dass Gott uns unser Versagen nicht vorhält oder aufrechnet, wie Menschen es tun.
In meinem Leben gab es eine ganze Menge,
was ich verschweigen und verheimlichen wollte.
Ich hielt das nicht aus.
Das tut unwahrscheinlich weh.
Du, mein Gott, hast ja alles gewusst und durchschaut.
Ich hätte mich verkriechen können vor Scham.
Und dann habe ich mit dir geredet,
und alles sprudelte heraus, wie es gerade kam.
Es war, als wenn ein Damm gebrochen wäre:
So groß war die Wucht der Angst,
aber so groß war auch das Gefühl der Erlösung.
Jetzt weiß ich,
dass ich mit allem zu dir kommen kann.
Du verstehst mich ganz sicher.
Dann war es, als hättest du mir leise gesagt:
Ich will dir helfen dich zu besinnen,
ich zeige dir den Weg, den du gehen kannst,
ich selber will dich führen.
Nun sei kein störrischer Esel,
benimm dich wie ein Mensch,
der sein Leben liebt.
Jetzt versteht ihr hoffentlich,
warum ich mich darüber so freue.
Amen

Kollektengebet incl. Kyrie
Einen Ruck soll ich mir geben, wie ein Mensch soll ich mich benehmen, der das Leben liebt,
doch, Kyrie guter Gott, der Schatten scheint so groß.
Zuneigung, Nähe, Liebe – all diese Worte haben hier einen dunklen Klang.
Wir haben die Unschuld verloren.
Und suchen die Schuld.
Und du rufst uns zur Umkehr und sagst:
Ich bin in diese Welt gekommen, damit ihr aufrechte Menschen werdet.
-    178.11 Herr, erbarme dich

Du sagst, ich kann mit allem zu dir kommen.
Doch, Kyrie guter Gott – da ist soviel Scham.
So viel Wut. So viel Streit. So viel Anmaßung. So viel Verstörung. So wenig Mut. So wenig Zeit.
Ich komme gar nicht dazu, zu dir zu kommen.
Und du rufst uns zur Umkehr und sagst:
Ich bin in diese Welt gekommen, damit ihr frei werdet.
-----EG 1778.11 Herr erbarme dich

Warum sind die Wege, die wir gehen, so oft gesäumt mit Tränen und Geschrei, mit zerbrochenen Seelen und Schmerz?
Was können wir tun, Kyrie guter Gott, gegen die Traurigkeit, die Gewalt, die Schatten des Alltags? Was tun gegen die Zertrennung, mein Gott.
Und du hörst unsere Frage nach Umkehr und sagst:
Das einzige Mittel gegen die Traurigkeit ist
Zu lernen.
-    178.11 – Herr erbarme
Dies bitten wir dich im Namen Jesu Christi, der mit dir und dem Heiligen Geist lebt und Leben möglich macht, heute und alle Tage und von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Amen

Epistel der Umkehr

Gewöhnlich hören wir an dieser Stelle eine Epistel, meist aus einem Brief von Paulus.
Heute möchte, oder besser: darf ich Ihnen eine Epistel vorlesen, die aus insgesamt 4 Briefen zusammengestellt ist. Sie ist deshalb auch deutlich länger als üblich. Mit gutem Grund: Diese Briefe haben Opfer und Betroffene hier in Ahrensburg an mich geschrieben mit der Bitte, dass ich sie in Auszügen vorlese. Auf meine Fragen hin haben sie sich mit dem Thema des Buß- und Bettages auseinandergesetzt: Ob und wie Umkehr möglich ist. Auch in dieser Gemeinde. Und was wir als Kirche dazu tun können.
Hören wir nun ihre Stimme. Es sind die von zwei Frauen und zwei Männern. Jedes Wort jetzt ist das ihre. Ich lese die Epistel der Umkehr:

Sie, die erste, schreibt:
Umkehr ist möglich, wenn wir uns dafür entscheiden bzw. öffnen. Das Wirken, die Passion und die Auferstehung von Jesus, nachdem er gekreuzigt, gestorben und begraben war, ist dabei die Quelle und der Kompass für innere Umkehr.

Innere Umkehr geschieht als Prozess und innere Bewegung, wenn ich beginne, meiner eigenen Vergebungsbedürftigkeit ehrlich ins Auge zu blicken und aufhöre, auf das Versagen und die Schuld  der anderen zu zeigen.

Ja, es haben viele was gewusst...vergebt Euch selbst...das ist der erste Schrit....Gott guckt aufs Herz und die Absicht...auch die des damaligen Handelns.
Das Beharren auf der Opferrolle dagegen hält…in dem Status der Unbeweglichkeit. Umkehr ist jedoch mit Bewegung verbunden...Bewegung ist sogar Voraussetzung dafür...

Die Kirche ist kein Turnverein. Das Leitbild von Handeln ist der christliche Glaube. Der Gemeinde…sollte professionelle fundierte Hilfe von außen zur Verfügung gestellt werden, auch um spirituelle Orientierung zu finden, bzw. neu zu beleben

Die Einsetzung der unabhängigen Kommission ist dazu ein ganz wichtiger Schritt.  Und:
Es braucht Raum für das wirkliche Menschsein im kirchlichen Umfeld. Auch für Zorn, Anklage und heftige Wut...das muss alles raus..., gesagt werden dürfen,..ohne moralischen Zeigefinger (meistens ist es ja der eigene).  ..und wenn dann alles gesagt ist, nach dieser Leere..braucht es eine Vision, wie diese zu füllen ist... (bitte nicht wieder mit dem ewig gleichen)...Das ist Umkehr !
Halten Sie also bitte an dem Bild von Vergebung und Heilung , einer sich bewegenden tragfähigen Gemeinde und einem konstruktiven Ausgang(Umkehr) fest. Beten Sie dafür.

Bleiben Sie in diesem Selbstreinigungsprozess in der … Haltung, dass aus dieser schweren Krise etwas Heilsames wachsen wird…Sie haben alle Möglichkeiten durch die Heilige Schrift und Ihre Kompetenz.... Den Rest macht sowieso ein anderer..


Er, der zweite, sagt´s ganz kurz:

"Umkehren"- ich denke, das geht nicht (mehr), aber verändern, Notwendendes entwickeln, vergeben, neue Wege begehen, das ist möglich und nötig, und, wie ich es wahrnehme, auf einem guten Weg.


Ein anderer, der dritte, sagt es uns so:

Der Missbrauch ist, in dem was er anrichtet, auf der Opferseite ganz individuell. Ich selbst habe "meinen" Missbrauch viele Jahre ganz erfolgreich verdrängt. Und ich habe mich ihm… erst weitergehend öffnen wollen, als mich eine von anderer Seite ausgelöste Lebenskrise "von den Beinen geholt" hat. Ich bin mir übrigens bis heute sicher, besser gesagt, ich weiß es, dass die Opfer, die sich gemeldet haben, nicht alle sind. Es wird etliche geben, die sich nicht melden können oder wollen, weil sie zu der dann beginnenden Auseinandersetzung mit sich selbst eben nicht bereit sind. Oder aus anderen Motiven. Die dürfen wir aber nicht vergessen.
 
Ich persönlich bin erst am Anfang - immerhin nicht mehr ganz am Anfang - zu verstehen, was "mein" Missbrauch in mir ausgelöst hat, ob er eine und welche Bedeutung er … für mein Sein als Mensch gehabt hat. Es ist dabei sehr hilfreich, zu hören, dass dies von mir inzwischen gewünscht und es unterstützt wird, jedenfalls nicht nicht gewünscht wird. Das ist großes Verdienst … aller, die bereit sind, daran mitzuwirken. Aber das Misstrauen war und ist bei mir groß, am Ende nur ein Teil eines rückschauend institutionalisiert bewerteten Aufarbeitungsprozesses zu sein, in dem es nicht um die Individualität meines Falls und derjenigen der anderen Opfer geht, sondern darum, dass die Kirche und die Gemeinde "die Sache sauber abgearbeitet" haben. Ich habe die große Hoffnung, dass auch in der Ahrensburger Gemeinde dieser Aspekt irgendwann mehrheitlich gesehen und verstanden wird.
…An dem, was in Ahrensburg passiert ist, lässt sich nachträglich nichts mehr "gut" machen. Es lässt sich individuell das eine oder andere lindern; und es ist enorm wichtig, dass zumindest das nun ernsthaft von der Kirche angegangen werden soll.
 
Und ich als Opfer habe die Aufgabe, mitzutun, nicht nur an meiner eigenen "Genesung" sondern auch an der "Genesung" der Ahrensburger Gemeinde… Das Mittun beschränkt sich allerdings darauf, dass ich "wildfremden" Menschen über Innerstes berichte, soweit ich will und kann. Das ist nicht leicht, trotzdem es die Schweigepflicht gibt, deren Beachtung übrigens enorm wichtig ist.

Was neben Vergebung und Linderung an Chance da ist, nämlich …Wege aufzuzeigen, wie … solch Missbrauchsexzess, … von dem viele gewusst und von dem noch mehr geahnt haben, möglichst nicht an einem anderen Ort wieder geschehen kann. -. Das erfordert große Ehrlichkeit, Radikalität, Abkehr von lieb gewonnenen Vorstellungen, nämlich - aus meiner Sicht - eine echte Auseinandersetzung mit den Risiken und "falschen" Verlockungen seelsorgerischer Arbeit!

Und schließlich sie, die Vierte schreibt:

Ich glaube, dass eine Umkehr langfristig möglich ist, wenn wir alle etwas bewusster mit unserer eigenen Fehlbarkeit umgehen und die Verantwortung für unsere Versäumnisse, aber auch für unser eigenes Wohlbefinden nicht auf andere Menschen abwälzen. …
Die Auseinandersetzung mit dem Thema Vergebung empfinde ich für mich persönlich als eine sehr große, aber auch eine sehr bereichernde Herausforderung und ich wünsche mir, dass sich auch in Ahrensburg viele Menschen diesem Thema öffnen. Und zwar … um die eigenen Verletzungen zu heilen und aus dem Kreislauf des Verletztseins, des Grolls, der Bitterkeit und dem Wunsch nach Rache auszusteigen.

…Ich habe das Gefühl, dass auch auf Kirchenleitungsebene eine Umkehr stattgefunden hat. Eine Umkehr, sich den Vorwürfen zu stellen und Verantwortung zu übernehmen. Das tut gut! Ich wünsche mir, dass dieser Weg im Sinne der Betroffenen fortgesetzt wird und dass die positiven Signale auch in Ahrensburg gesehen werden. Vielleicht kann dann auch vor Ort eine Umkehr stattfinden. Voraussetzung dafür ist, dass man bereit ist, das Gute auch zu sehen.

Und so schließt sich der Kreis zu ihr, der ersten:
Barmherziger Gott, ich bitte Dich: Löse Du mich, alleine kann ich es nicht schaffen, von der Schuld anderer. Befreie mein Herz, für die Weite und die Freude, die du in Deiner Wahrheit und Deiner bedingungslosen Liebe  für mich vorgesehen hast... Amen


Lied: 295 Wohl denen / oder 426, 1.3.5

Evangelium (Mk 2, 1-12 – Gelähmter)

Lied: 346, 1-3.5




Predigt zu Markus 2, 1-12

Bischof Ulrich
Gnade und Frieden sei mit euch von Gott, unserem Vater, und unserm Herrn Jesus Christus. Amen

Sie steigen uns tatsächlich aufs Dach, liebe Gemeinde.
Da ist einfach kein anderer Weg, um zur Heilung zu gelangen. Nun denn! Es kracht und klirrt und Dachziegel zerbrechen. Die Menge staunt verblüfft und starrt zur Decke. Vorsichtig wird ein Mann auf einer Trage hinuntergelassen. Der Gelähmte. Den kennen hier alle. Kann nicht gehen und nicht stehen. Jesus soll ihn heilen. Aber Leute, mal ehrlich: War das denn notwendig? Das halbe Haus kaputt machen, nur um den Gelähmten zu Jesus zu bringen? Hättet ihr nicht den normalen Weg gehen können, zur Tür rein, wie alle es tun? Wie, da sind so viele, die euch nicht durchgelassen haben? Die keine Störung wollten? Na gut, aber … dann hättet  ihr doch draußen warten können, bis sich die Aufregung gelegt hat. Ist eine solche spektakuläre Aktion wirklich nötig gewesen?

Ja. Spektakuläre Aktionen sind nötig gewesen, um die Fälle von Missbrauch durch einen Pastor dieser Gemeinde zur Sprache zu bringen. Spektakuläre Aktionen sind nötig gewesen, um das Versagen von Dienstaufsicht und verantwortlichem Handeln in der Kirchenverwaltung zur Sprache zu bringen. Da musste richtig etwas aufgebrochen werden im Denken und in den Strukturen, damit man hinsieht. Offen und öffentlich musste werden, was jahrzehntelang im Raum der Kirche an Qual und Not und Versagen und Hilflosigkeit geschehen ist.


Bischöfin Fehrs
Und wir sind denen so dankbar, die seit zwei Jahren und so auch heute ihr Herz über manch Mauer geworfen haben. Die ihre eigenen Ängste und Schamgefühle überwunden haben, um zu sagen, was Ihnen und anderen geschehen ist. Sie haben nicht gewartet, sind nicht draußen vor der Tür geblieben, sondern sind der Kirche aufs Dach gestiegen.

Und ich sage, je länger ich mit ihnen im Gespräch bin: diese Art „Störung“ ist erwünscht, weil heilsam!
Es kommt nichts in Bewegung ohne Aufbruch alter Gedankengebäude. Gut so.

Deshalb möchten wir Sie alle hineinnehmen –und Sie bitten, sich nach der Predigt ein Teil des Daches, ein Bruchstück eines Ziegels zu nehmen. Wir beide werden in der Predigt auch nur Bruchstücke des Gesamten zusammen tragen. Die brauchen Ihre Ergänzung. Nicht indem etwas aufgeschrieben wird, - wir können ja gern miteinander nachher direkt reden – sondern einfach, indem Sie nachher sich ein Bruchstück nehmen und auch Ihre Gedanken, Gefühle, Fragen in den Altarraum und zum Kreuz bringen.

Denn es geht darum, dass sich etwas bewegt. Die Betroffenen haben es uns in der Epistel so eindrücklich mitgegeben: da ist Bewegung, wenn nicht gar Umkehr möglich. Nicht heute. Aber vielleicht morgen. Umkehr im Sinne eines inneren Weges. Doch den kann keiner gehen, der gelähmt am Boden liegen bleibt.
Und dazu brauchen wir einander, sagt die Geschichte. Wir brauchen Menschen, die uns begleiten, irritieren, konfrontieren, Dampf machen. Es braucht mindestens vier, die uns Gelähmte tragen. Die Institution Kirche, wenn die Bürokratie einen fertig macht mit ihrer Behäbigkeit. Die Gemeinde, wenn sie es so satt hat, nur und immer mit dem Missbrauch verbunden zu werden. Aber auch die Betroffenen, wenn die Kraft nachlässt.
Vier braucht´s wenigstens, um all das zu tragen, was uns lähmt.

Vier etwa, die sich trauen, Krach zu machen, immer wieder zu sagen: uns gibt es auch noch. Nicht nur euch, die ihr da lautstark euch um Jesus versammelt.
Oder vier, die beherzt das Dach abdecken, weil´s ja gar nicht anders geht. Oder vier, die hinein schauen. Von oben. Die sich auf die Kunst verstehen, zu supervidieren, zu beobachten, zu analysieren, zu beraten.
Und vier , die eine Epistel schreiben.

Bischof Ulrich
Wir in der Kirche waren zuerst erschrocken über das, was da bröckelte und aufbrach. Wir hatten Angst davor, was noch alles einstürzen könnte. Wir wussten nicht, wie wir damit umgehen sollten, dass da von oben und von außen auf Vorgänge gesehen wurde, die doch eigentlich dem Dienstrecht und der Verschwiegenheit unterliegen. Wir waren wie gelähmt – auch wenn die Verfahren in Gang kamen und viel getan und gemacht wurde. Aber das, was uns da von oben vor die Füße gelegt wurde, war ja unsere eigene Erstarrung. Unsere Unfähigkeit, die notwendigen Schritte zu tun. Auch die Lähmung, als wir gewahr wurden, dass einige nur an das Ansehen der Kirche gedacht haben, aber die schreckliche Zerstörung von Menschen nicht haben wirklich gelten lassen. Die Dienstrecht und Verfahrensregeln missachtet haben, um „die Sache“ irgendwie vom Tisch zu kriegen. Die die Tragweite des Geschehens verkannt haben.

Auch ich habe mich persönlich oft total entfremdet gefühlt. Ich bin selber Vater von vier Söhnen. Habe mich hinein versetzen wollen in die Betroffenen, aber es oft gar nicht ausgehalten. Und ich habe gemerkt, wie schnell man in das hinein kommt, was Jesus hier an dieser Stelle mit dem altertümlichen Begriff der Sünde nennt. Eigentlich befremdlich, vermutet man doch beim Gelähmten unverschuldete Krankheit.
Aber Sünde?

Ich schaue auf die Tradition. Sünde ist, ganz wörtlich: ein Sund, ein Graben zwischen mir und Gott. Die Sünde macht den Abstand zu Gott. Und den überbrücken wir nicht allein, aus eigener Kraft. Dazu brauchen wir die, die uns hintragen zu dem, der Gott nah ist wie kein anderer. Die unerbittlich, beharrlich und mit allem Ernst das, was gelähmt ist und unter der Last der Sünde und unter der Last der angetanen Gewalt nicht mehr sich bewegen kann, hintragen, vortragen. Ja, auch mir geht das so wie Kirsten Fehrs: manchmal muss man uns, muss man der Kirche aufs Dach steigen, damit wir uns aufstören lassen. Heilsame Störung will das sein allemal! Es braucht die, die die Suchenden und Fragenden herab lassen. Uns herab lassen: Damit wir dem ins Auge sehen, der sagt: Halt. Schau hin, auf dich und dein Tun. Auf deine Angst. Auf deine Schuld. Sieh hin auf das, was angerichtet worden ist mit widerlicher Gewalt. Sehen musst du, hinschauen musst du. Hinhören musst du. Damit fängt Buße an. Ohne das geht Vergeben nicht. Und wenn du dann dein Bett nimmst und gehst: dann bist du ein anderer. Dann kannst du nicht weiter machen wie immer schon. Dann beginnt ein neuer Weg. Im Licht dessen, der dich aufdeckt, der dir aufhilft.


Bischöfin Fehrs
Ich habe großen Respekt vor Menschen, die genau das tun. Die sich in aller Ehrlichkeit dem stellen können, was sich ihnen offenbart. Auch von sich selbst. Die sich und ihr Leben ansehen, und manchmal erschrecken dabei.

Und Jesus sprach: deine Sünden sind dir vergeben.
Vergebung ist das Schlüsselwort in unserer Geschichte. Für den Gelähmten. Für uns hier.
Doch das ist ja so leicht gesagt.
„Sie mit Ihrem Versöhnungsgerede! Es fehlt die Gebrauchsanweisung“, sagte mir jemand so treffend nach dem letzten Gottesdienst am 1. April.

Ich habe darüber viel nachgedacht.
Und ich gebe zu, dass ich manchmal verzweifle, weil sich wirklich wenig zu bewegen scheint. Und ich halte inne: Verzweiflung ist nach theologischem Verständnis eigentlich Sünde schlechthin. Weil Verzweiflung die Hoffnung blind macht. Weil sie einen verführt, sich abzufinden mit dem, was ist. Das aber – der Epistel der Umkehr sei dank – ist nicht das, wofür wir als Kirche, nach wie vor!, da sind. Es gilt, die Vision neu zu füllen. Mit . Verheißung. Lebendigkeit. Trost. Seelsorge, die die Menschen erreicht. Und so ist es mehr eine Frage anstatt einer Gebrauchsanweisung, die mich beschäftigt: Ob es nicht an der Zeit sein könnte, ebenso Worte für die Vergangenheit zu finden wie für die Gegenwart des Lebens hier? Ob nicht beides zusammen gehen muss: Sich zuzugestehen, wo Gewalt war und Schuld. Und sich zu fragen, was jetzt und hier ein Vorangehen verhindert?

Ich suche Gesten und Worte, die die Erstarrung aufbrechen. Die uns ebenso tragen wie sie uns verändern. Es braucht Worte, die erinnern, dass wir etwas vor uns haben, ohne zu verleugnen, dass auch viel hinter uns liegt. Vergeben heißt ja eben nicht vergessen. Vergebung geschieht deshalb niemals hinter dem Rücken der Opfer.

Eure Epistel der Umkehr berührt mich genau deshalb. Weil sie solche Aufbruchs-Worte sind. Sie geben einem viel auf zum Nachdenken. Zum Umdenken.Und gibt einem auf, das Gute zu erkennen. Darauf zu schauen, was sich bewegt. Sich schon bewegt hat. Wohlgemerkt von allen hier.

Denn es geht ja voran. Beim Verstehen der schrecklichen Vergangenheit. Und beim gegenseitigen Verständnis in der Gegenwart. Durch die Gespräche, die wir geführt haben und führen. Es geht voran. Auch bei den Maßnahmen, die wir als Landeskirche und mit dem Kirchenkreis HH-Ost auf den Weg gebracht haben. Z.B. dass wir, glaube ich, gemeinsam mit den Betroffenen einen Weg gefunden haben, dass Unterstützungsleistungenen wirklich angenommen werden können als ein Zeichen der Vergebungsbedürftigkeit unserer Kirche. Und wir haben Expertinnen und Experten gewonnen, die nun von oben in unser Haus hineinschauen und uns helfen, zu verstehen, zu handeln, uns auseinander zu setzen.


Bischof Ulrich
…Nicht zuletzt auch deshalb, um zu sehen, ob da in der Kirche, ob in dem Stimmengewirr und Menschengewusel überhaupt noch Jesus zu finden ist? Und ob die, die drin sind im Haus der Kirche, überhaupt noch merken, dass Jesus wirklich da ist. Und sich nicht verdrängen läßt. Er steht da, ist da. Er bringt sich in Erinnerung – gerade bei denen, die Schuld auf sich geladen haben. Und gerade bei denen, die wie gelähmt von Schuld und gelähmt von Gewalt nicht wissen, wohin. Und der nicht schweigt. Nicht verschweigt. Nicht wegschweigt. Und der nichts anderes will, als Gelähmte wieder auf die Beine zu bringen.

Und so kann es weitergehen. So können wir weitergehen. Können es zulassen, wenn Wahrheiten an den Tag kommen, die auch wehtun. Können miteinander auf dem Weg bleiben, auch wenn Erinnerungen nicht zueinander passen. Oder wenn wir heute hier predigen – und Sie haben ganz andere, vielleicht gegensätzliche Gedanken, auch zu dem Evangelium. Schauen nun Ihren Teil des Dachziegels an und fühlen sich verstanden, nicht verstanden, möchten ergänzen. Seien Sie gleich eingeladen, dies zu tun. Und vielleicht können wir so die inneren und äußeren Fronten verlassen. Weil Vergeben nicht heißt: vergessen! Nicht also Schlussstrich unter eine leidige Angelegenheit.. Aber in der Gewissheit, dass auch wir, jede und jeder von Vergebung lebt – durch seinen Frieden, höher als alle Vernunft, der unsere Herzen und Sinne bewahrt in Christus Jesus. Amen

Meditationmusik

Entlastungsritual = Symbolhandlung (Bischöfin Fehrs)
So kommt nun und bringt vor Gott, was euch auf dem Herzen liegt. Wir laden Sie ein, Ihre Gedanken, die Sie beschäftigen, und all das, was Sie aufgewühlt hat und Ihre Seele beschwert – zu Christus zu bringen, ans Kreuz. Geben Sie Ihr Fragment dazu, das vielleicht noch nicht genannt, das aber nötig ist, damit der Blick aufs Ganze möglich wird. Und was Sie sonst belastet und traurig macht, hier am Kreuz hat es seinen Ort.

Allgemeine Lossprechung (Bischof Ulrich)
 „Wir denken an die Menschen, die Opfer wurden von Gewalt, wir denken an ihre Angehörigen, die Partner, Eltern, Geschwister, Kinder.
Und wir denken an uns – an das, was wir getan, nicht getan, wofür wir der Vergebung bedürfen, was wir bereuen und was uns beschwert.
Und hier an dem Kreuz können wir gewiss sein:
„Deine Sünden sind dir vergeben.“
Wohlgemerkt, Jesus sagt dies. Und in ihm hören wir Gott selbst.
Und das ist etwas anderes als ein Gericht. Oder ein Bischof. So also:
Der allmächtige Gott hat sich unsrer erbarmt.
Er vergibt uns unsere Schuld,
die wir erkannt haben und die uns beschwert.
So geht mit der Gnade Gottes
Und im Frieden des Herrn. Amen

Lied: 347 (Ach bleib mit deiner Gnade..)


Fürbittengebet
Herr Jesus Christus, du hast dich auf den Weg gemacht – von himmlischen Höhen auf geerdete Wirklichkeit. Mit dir kam Gottes Liebe  auf die Welt und seitdem sehnen wir uns: nach echter Zuneigung, Mitgefühl, Gottes Gerechtigkeit, nach Ruhe und Erbarmen.
Denn, das wissen wir doch genau: So soll deine Welt sein – ein echter Lebens-Raum.
Wir bitten dich:
Mach uns offen für deinen Weg und deine Welt, dafür, wie schön das Leben auch sein kann. Lass uns innehalten und erkennen: Es muss nicht immer so weitergehen wie bisher.

Gott, Tröster des Lebens –
Wir beten für die, die nicht verarbeiten können, was ihnen angetan wurde. Die in ihrem Leben unsicher ihre Schritte setzen und niemanden haben, dem sie sich anvertrauen können. Sei ihnen nahe durch Menschen, die aufmerksam hinhören, wenn sie zaghaft anfangen zu reden. Wecke in uns allen das Ohr der Menschlichkeit, das sich öffnet für Not, Angst und Leid.
Christus, Versöhner des Lebens
Wir beten für die, die gefangen sind in ihrem Teufelskreis von  Gewalt und Abhängigkeit und wieder Gewalt. Die Täter werden – und nicht wissen, wie sie heraus kommen sollen aus ihrer Kälte und Wut. Dringe auch zu ihnen durch mit deinem Licht, dass ihnen klar wird, was sie tun. Dass sie menschlich werden, indem sie ihre Schuld erkennen. Und o Gott, dringe durch auch zu uns in den Kirchen, die wir schuldig geworden sind Mach uns selbstkritisch und lass uns einstehen für das, was wir getan und was wir gelassen haben.

Barmherziger Gott,
das bitten wir dich heut vor allem: gib den Betroffenen und ihren Familien und Freunden Kraft, wenn sie an ihre Grenzen kommen. Wenn sie merken, dass der Schatten des Erlebten sie einholt und die Ohnmacht in ihnen zittert. Schenk ihnen Kraft, dass sie ihre Stimme erheben und nicht nachlassen darin.

Und das, was uns auf dem Herzen liegt, binden wir ein in das Gebet Jesu:

Vaterunser

Liebe Gemeinde,
wir möchten Sie gern einladen, mit uns zu reden. Über das, was Ihnen nachgeht – vom Gottesdienst oder überhaupt. Was wir gemeinsam ändern können. Oder darüber, ob und wie Ihrer Meinung nach Umkehr möglich ist?
Doch wir möchten es nicht so gern an diesem Ort tun, sondern bei einem Glas Wein, Saft oder Selter, an Stehtischen, gern persönlich. Wir würden uns freuen, wenn Sie unserer Einladung folgen und mit uns nach nebenan ins Hotel ---- gehen. Damit verbunden möchte ich Ihnen, lieber Herr Fornoff von ganzem Herzen danken für Ihr musikalisches „Wort“, sowie für Ihre unkomplizierte Art, uns zu unterstützen. Ich weiß, dass Sie sogar die Chorprobe umgelegt hätten, damit wir ins Gemeindehaus hätten gehen können; doch leider ist uns diese Idee auch erst zu spät gekommen. Deshalb sowohl Danke zu Ihnen dort auf der Empore und zu Ihnen, lieber Pastor Paschen als KGR-Vorsitzender, und eine gute Chorprobe Ihnen allen!

Segen

Datum
21.11.2012
Quelle
Stabsstelle Presse und Kommunikation
Von
Gerhard Ulrich
Veranstaltungen
Orte
  • Orte
  • Flensburg
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde Flensburg-St. Johannis
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Gertrud zu Flensburg
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Marien zu Flensburg
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Michael in Flensburg
    • Ev.-Luth. St. Nikolai-Kirchengemeinde Flensburg
    • Ev.-Luth. St. Petrigemeinde in Flensburg
  • Hamburg
    • Ev.-Luth. Hauptkirche St. Katharinen
    • Hauptkirche St. Jacobi
    • Hauptkirche St. Michaelis
    • Hauptkirche St. Nikolai
    • Hauptkirche St. Petri
  • Greifswald
    • Ev. Bugenhagengemeinde Greifswald Wieck-Eldena
    • Ev. Christus-Kirchengemeinde Greifswald
    • Ev. Johannes-Kirchengemeinde Greifswald
    • Ev. Kirchengemeinde St. Jacobi Greifswald
    • Ev. Kirchengemeinde St. Marien Greifswald
    • Ev. Kirchengemeinde St. Nikolai Greifswald
  • Kiel
  • Lübeck
    • Dom zu Lübeck
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Aegidien zu Lübeck
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Jakobi Lübeck
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Marien zu Lübeck
    • St. Petri zu Lübeck
  • Rostock
    • Ev.-Luth. Innenstadtgemeinde Rostock
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde Rostock Heiligen Geist
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde Rostock-Evershagen
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde Rostock-Lütten Klein
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Johannis Rostock
    • Ev.-Luth. Luther-St.-Andreas-Gemeinde Rostock
    • Kirche Warnemünde
  • Schleswig
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde Schleswig
  • Schwerin
    • Ev.-Luth. Domgemeinde Schwerin
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Nikolai Schwerin
    • Ev.-Luth. Petrusgemeinde Schwerin
    • Ev.-Luth. Schloßkirchengemeinde Schwerin

Personen und Institutionen finden

EKD Info-Service

0800 5040 602

Montag bis Freitag von 9-18 Uhr kostenlos erreichbar - außer an bundesweiten Feiertagen

Sexualisierte Gewalt

0800 0220099

Unabhängige Ansprechstelle für Betroffene von sexualisierter Gewalt in der Nordkirche.
Montags 9-11 Uhr und mittwochs 15-17 Uhr. Mehr unter kirche-gegen-sexualisierte-gewalt.de

Telefonseelsorge

0800 1110 111

0800 1110 222

Kostenfrei, bundesweit, täglich, rund um die Uhr. Online telefonseelsorge.de

Zum Anfang der Seite