24. Dezember 2012 – Heiligabend
24. Dezember 2012
Weihnachten – ein Fest der Familie Predigt zu 1. Johannes 3,1-2
Seht, welch eine Liebe hat uns der Vater erwiesen,
dass wir Gottes Kinder heißen sollen –
und wir sind es auch!
Darum kennt uns die Welt nicht;
denn sie kennt ihn nicht.
Meine Lieben, wir sind schon Gottes Kinder;
es ist aber noch nicht offenbar geworden, was wir sein
werden. Wir wissen aber: wenn es offenbar wird,
werden wir ihm gleich sein;
denn wir werden ihn sehen, wie er ist.
1. Joh 3,1-2
I
Liebe Gemeinde,
Weihnachten gilt es, Gottes große Liebe zu sehen. Es gibt viel zu sehen am Weihnachtsfest: die hellen Kerzen in der dunklen Nacht, die weit geöffneten Kinderaugen im Moment der Bescherung oder die freudig ausgebreiteten Arme der Familienmitglieder, die an diesem Tag einmal wieder zusammenkommen. Aus der Bibel haben wir gehört: „Seht, welch eine Liebe hat uns der Vater erwiesen, dass wir Gottes Kinder heißen sollen – und wir sind es auch!“
II Die Freude über Kinder damals uns heute
„Freuet euch! Euch ist ein Kindlein heut geboren!“ So haben wir eben mit Martin Luthers Weihnachtslied: „Vom Himmel hoch, da komm ich her“ gesungen. Und wir wissen: Wenn ein Kind geboren wird, dann ist das ein Grund zur Freude. Gott hat neues Leben geschenkt. Viele unserer Weihnachtslieder bringen diese Freude zum Ausdruck.
Die Freude über eigene Kinder ist vielen heute aber abhanden gekommen. Zu diesem Ergebnis kommt ein Bericht des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung, der gerade erschienen ist. Er trägt den Titel: „(Keine) Lust auf Kinder?“. Kinder bringen eine grundlegende Veränderung des eigenen Lebens mit sich, und damit auch Belastungen und Einschränkungen. Viele Frauen und Männer sind nicht bereit, diese Einschnitte hinzunehmen und verzichten auf Kinder.
Und dennoch: Alljährlich feiert Deutschland das Weihnachtsfest und stellt die Geburt eines Kindes in den Mittelpunkt seiner Aufmerksamkeit. Jedes Kind bringt etwas Neues in die Welt, ein Stück Hoffnung und die Chance, dass etwas anders wird. Das Kind von Bethlehem ist Symbol dafür geworden. Das feiern wir an Weihnachten. Und noch viel mehr: Das Kind in der Krippe ist Hoffnung für alle Menschen, denn in ihm begegnet uns Gott selbst. Es ist gekommen, um unsere Welt, die an so vielen Stellen leidet, zu heilen und zu versöhnen.
Wie können wir Eltern helfen, dass die Freude über ihre Kinder und die Freude an ihren Kindern wieder an die erste Stelle tritt? Wie können wir denen helfen, die zwar gerne Kinder hätten, aber vor dem Spagat zwischen Familie und Beruf zurückschrecken?
Es ist schade, dass wir offensichtlich gerade bei Fragen rund um die Kinderbetreuung dazu neigen, zu polarisieren. Das böse Wort von der „Herdprämie“ für das Betreuungsgeld hätte niemals fallen dürfen. Es diskriminiert die Mütter und Väter, die es vorgezogen haben, um ihrer Kinder willen ganz oder für eine bestimmte Zeit auf eine eigene Berufsausübung zu verzichten. Ich halte das Betreuungsgeld für sinnvoll, weil es Eltern eine größere Wahlfreiheit gibt. Es würdigt diejenigen, die es für besser erachten, ihre Kinder zu Hause zu erziehen oder die diese wertvolle Zeit in der Entwicklung ihrer Kinder möglichst ausgiebig genießen möchten. Andere Eltern ziehen es aufgrund ihrer beruflichen und privaten Situation vor, ihre Kinder in eine Krippe oder zur Tagesmutter zu geben. Auch sie sollten Unterstützung dafür durch günstige Betreuungsmöglichkeiten erhalten.
Am wichtigsten aber scheint mir, dass Eltern bei aller Belastung und Veränderung erfahren: Kinder machen das Leben reicher. Sie sind wirklich ein Grund zur Freude. Eine ansteckende Freude. Auch das ist ein Grund, warum Jahr für Jahr Millionen Menschen begeistert Weihnachten feiern. Freuet euch! Euch ist ein Kindlein heut geboren! Alles Gute fängt mit dem Kind an, mit dem uns Gott seinen Sohn schenkt.
III Ein Familienfest der Familie Gottes
„Welch eine Liebe hat uns Gott, der Vater, erwiesen.“ Luca ist ein kleines Baby. Drei Monate alt. Er ist der ganze Stolz seiner Eltern. Seine große Schwester ist ganz vernarrt in ihn. Oma Elfriede kann sich nicht sattsehen und schaut fast täglich vorbei. Nun ist es soweit: Der kleine Luca soll getauft werden.
Alle haben sich versammelt in der schön geschmückten Kirche.Mutti und Vati, seine große Schwester Luise, Oma Elfriede, und noch eine ganze Reihe Tanten und Onkel. Nicht zu vergessen, die beiden Paten. Alle wollen Sie dabei sein, bei Lucas erstem großem Tag in seinem jungen Leben.
Die Pfarrerin bittet die Familie um den Taufstein. Im Halbkreis stehen sie da und Luca in der Mitte auf dem Arm seiner Mutter. „In der Taufe nimmt Gott dies Kind als sein Kind an.“, sagt die Pfarrerin.
Und plötzlich denke ich an Weihnachten. Das Kind in der Mitte. Maria und Josef, die Hirten und die Könige stehen um die Krippe wie um einen Taufstein. Weihnachten und die Taufe eines kleinen Kindes. Beides sind Familienfeste. Und beide haben mehr miteinander zu tun, als man auf den ersten Blick meint. Weihnachten und Taufe sind Familienfeste der Familie Gottes.
IV Jesus der erstgeborene der Familie Gottes
An Weihnachten feiern wir das Fest des Erstgeborenen der Familie Gottes: Jesus Christus. An ihm und seinem Leben wird die ganze Liebe Gottes zu uns Menschen deutlich. Darin erweist Gott uns seine Liebe, dass er uns seinen Sohn schenkt.
Jesus Christus wird dabei nicht deshalb Mensch, weil das Leben auf der Erde so schön wäre. Er kommt, weil er den Menschen helfen will. Er will sie retten aus der Schuld, in die sie verstrickt sind. Er tröstet, wo Tränen fließen. Er gibt Hoffnung, wo es keine Alternativen mehr zu geben scheint.
In diesen Wintertagen spüren wir die Dunkelheit der langen Nächte. Morgens geht die Sonne spät auf und abends früh unter. Wenn es trübe ist, dann wird es den ganzen Tag nicht richtig hell. Deswegen zünden wir Kerzen an, damit es hell wird und die Dunkelheit uns nicht völlig verschlingt. Ein solches Licht in einer dunklen Nacht ist Jesus Christus.
Die Nacht um uns herum können wir nicht völlig ausblenden. Auch an Weihnachten nicht.
Es ist Nacht, wo Menschen gegeneinander Krieg führen. Ich denke an Syrien, aber auch an die furchtbaren Morde einer rechtsextremen Terrorzelle in unserem Land.
Es ist dunkel, wo eine Ehe zerbricht und einer den anderen zurücklässt. Ich denke an ein befreundetes Ehepaar. Eine mustergültige Ehe. Doch dann fängt es an zu bröckeln. Von außen bekommt man es kaum mit und dann ist plötzlich dieser Brief dar: Wir haben uns getrennt. Der Schmerz ist groß und kaum zu betäuben.
Es ist finster, wenn liebe Menschen gestorben sind und man alleine zurück bleibt. Ich denke an eine alte Frau. Letztes Jahr hat sie noch zusammen mit ihrem Mann gefeiert. Dieses Jahr sitzt sie alleine vor dem Fernseher. Kinder hatten sie keine. Weihnachten wird ihr zur gefühlt längsten Nacht des Jahres.
Und dennoch feiert an Weihnachten die Familie Gottes den Geburtstag ihres erstgeborenen Sohnes. Später einmal sagt er von sich: „Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben“ (Joh. 8, 12). Der Erstgeborene ist darum das Licht der Welt, weil er uns zeigt, dass Gott die Menschen noch nicht aufgegeben hat, sondern sich ihnen zuwendet. Gott lässt uns nicht allein. Er hilft durch Jesus Christus und schenkt eine neue Perspektive für Zeit und Ewigkeit. „Dieser Erstgeborene, Jesus Christus, ist in die Welt gekommen, damit wir alle Kinder Gottes sein können (vgl. Joh. 1, 12).“ (Nicole Chibici-Reveanu) Im Glauben nehmen wir dieses wunderbare Weihnachtsgeschenk Gottes an. Und in der Taufe spricht Gott es uns noch einmal persönlich zu. Du bist mein Kind. Der Erstgeborene soll nicht alleine bleiben. Viele Geschwister soll er bekommen. Und so feiert die Familie Gottes an Weihnachten mit allen Geschwistern, dass die Dunkelheit gebrochen ist und das Licht der Hoffnung in Jesus Christus aufleuchtet.
V Die Getauften – Geschwister des Erstgeborenen
„Wer getauft ist, ist ein Kind Gottes. Und damit so etwas wie ein Geschwisterkind dieses erst- und eingeborenen Sohnes, dessen Geburt wir zu Weihnachten feiern.“ (Nicole Chibici-Reveanu) Durch den Glauben und die Taufe werden Menschen zu Kindern Gottes. Die Bibel redet deswegen von der Taufe auch als neue Geburt oder Wiedergeburt. Durch meine Taufe werde ich zu einem Kind Gottes. Darum denke ich an dem Geburtstagsfest von Jesus Christus auch an meine eigene Taufe. Ich weiß jetzt: Ich gehöre dazu. Weihnachten ist das Kind Gottes in diese Welt gekommen, damit wir alle Gottes Kinder würden. Der Apostel Johannes sagt uns: „Wir sind schon Gottes Kinder, aber es ist noch nicht offenbar geworden, was wir sein werden.“ Die Geburt eines Kindes ist erst der Anfang. Kinder entwickeln sich. Kinder sind noch im Wachsen begriffen. So auch wir. Es ist unsere Bestimmung, Jesus ähnlicher zu werden. Wir werden das Ziel auf dieser Erde nicht erreichen. Aber wir leben in einer unübersichtlichen Welt mit einer Orientierung. Christen können in dieser Welt auch nicht alles verstehen und einschätzen. Aber sie wissen, wenn wir uns an dem Christkind, an Jesus orientieren, dann haben wir eine Richtung. Wer sich in seinem Leben an Jesus Christus orientiert, kann nie ganz falsch liegen. Erst wenn Gott von dieser Welt den Schleier der Vergänglichkeit nimmt, erst wenn wir in der Ewigkeit oder im Himmel angekommen sind, dann „werden wir ihm gleich sein“. Das wird sein, wenn Gott sich endgültig „offenbaren“ wird. (V. 2) Wenn wir dann Gott sehen, wie er wirklich ist. Weihnachten öffnet sich der Vorhang zu Gottes ewiger Welt einen kleinen Spalt weit. Am Ende wird Gott den Vorhang ganz heben.
Jetzt üben wir uns darin, Gott, unserem Vater, immer ähnlicher zu werden, damit es einmal heißt: „Der Apfel fällt nicht weiter vom Stamm.“ Oder: „Ganz der Vater.“ Aber Orientierung finden wir nur an Jesus, dem Erstgeborenen.
Wenn wir an Weihnachten das Fest der Geburt des Erstgeborenen feiern, dann feiert die ganze Familie, ja alle Geschwister feiern mit.
VI Viele Gäste feiern mit – von nah und fern
Und die Familie Gottes feiert nicht allein. In vielen Tauffeiern wird das deutlich. Nicht nur die Eltern des Kindes sind dabei. Auch die Großeltern, und die nahe und ferne Verwandtschaft. Freunde der Familie sind wichtig und freuen sich mit. Viele sind eingeladen mitzufeiern. Und viele kommen und feiern auch mit, denn es gibt ja auch einen guten Grund zum Feiern. So auch heute an Weihnachten. Weihnachten, die Geburt von Jesus ist ein offenes Fest. Es gehört nicht den Christen alleine. Es ist vielmehr ein Fest für alle Menschen, weil Gottes Liebe allen Menschen gilt. Sie gilt dir und mir. Sie gilt meinem Nachbarn und sogar meinem Feind. Sie gilt sogar denen, die Gott nicht kennen oder kennen wollen. Und warum ist Weihnachten ein Fest, bei dem alle mitfeiern dürfen? Es ist auch jeder eingeladen, der noch nicht zur Familie Gottes gehört. Er darf nicht nur mitfeiern, er ist auch herzlich eingeladen Teil der Familie selbst zu werden.
VII
Luca´s Mutti beugt sich über die Taufschale und hält ihr Baby über das Wasser. Noch ist es glatt und wie im Spiegel erkennt sie Luca´s Gesicht. Die Pfarrerin nimmt nun Wasser in die Hand und gießt es über Luca´s Kopf. „Ich taufe dich im Namen des Vaters, der dich liebt und als sein Kind annimmt. Ich taufe dich im Namen des Sohnes, des erstgeborenen der Kinder Gottes. Und ich taufe dich im Namen des Heiligen Geistes, der in dir vollenden will, was heute begonnen hat.“ Das Wasser beruhigt sich wieder. Kurz bevor sich alle wieder setzen, sieht Luca´s Mutter, wie ihr eigenes Gesicht sich im Wasser der Taufe spiegelt. Da durchfährt es sie: Auch ich gehöre dazu. Ich bin ein Kind Gottes.
Liebe Weihnachtsfestgemeinde, dieses Erlebnis können wir alle machen. Deswegen haben Sie beim Eintritt in den Dom einen kleinen Handspiegel bekommen. Außen können Sie lesen: „Kind Gottes“. Nun öffnen Sie den Spiegel und schauen hinein. Sie sehen ein unglaubliches Kunstwerk. Kein Künstler könnte es schöner und besser machen. Aber noch mehr: Wir sehen unser Antlitz und staunen darüber, dass Gott uns in seine Familie aufnehmen will. Ein Mensch wird getauft – ob als Kind oder als Erwachsener spielt keine Rolle – und er gehört zur Familie Gottes. Wenn wir in diesen Tagen eine Krippe sehen oder Bilder von Maria, Joseph und dem neugeborenen Jesuskind, dann sehen wir Darstellungen der Familie Gottes, zu der wir auch dazu gehören dürfen. Die Geschichte der Heiligen Familie hat damals begonnen und kommt erst zu ihrem Ziel, wenn Sie und ich, wenn wir auch dazu gehören.
Amen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen