27. Mai 2012 - Festgottesdienst zur Gründung der Nordkirche
27. Mai 2012
Liebe Gemeinde, was will das werden? Christenmenschen aus Mecklenburg, Pommern und Nordelbien? Eine Kirche?
Im Osten: Kirche in der Minderheit, vier Jahrzehnte lang an den Rand gedrängt.
Im Westen Kirche zwar als Mehrheit, aber herausgefordert angesichts wachsender Gleichgültigkeit.
„Wir passen nicht zusammen“, haben manche bei uns gesagt, als es losging.
„Die sind ja berauscht“, sagen die verwunderten Passanten damals in Jerusalem. Das könnte man tatsächlich denken, nachdem wir die Geschichten eben gehört hat: Da sind tatsächlich die Sprachen der Parther, Meder und Elamiter nichts gegen das Plattdeutsche aus Pommern, das selbst den Mecklenburger und Nordelbischen Plattdeutschen fremd ist. Aber nein, sagt Petrus, wir sind stocknüchtern.
Ist das, was wir heute hier feiern, nicht auch ein Zeichen dessen, was damals in Jerusalem begann? Als Fremde, die nicht zueinander passten, wieder zusammen kamen und die Sprache wiederfanden und die Hoffnungsgeschichte von Jesus Christus neu erzählten? Über jede Sprachgrenze hinweg. Völlig losgelöst, rüber über die Mauer. Das Wunder: es verstehen sich die aus aller Welt und Norddeutschlands Enden. Von Flensburg bis an die polnische Grenze: Eine Sprache, ein Glaube, ein Geist, ein Gott.
Dies heute, die Gründung der Nordkirche, ist auch eine Folge der friedlichen Revolution, die die Zäune niedergebrochen hat und die Mauer. Die die Sehnsucht nach Freiheit umgewandelt hat in den Mut, das Getrennte zusammenwachsen zu lassen.
Pfingsten ist das Fest des göttlichen Geistes, der nicht den Anschluss sucht, sondern alles neu machen hilft; der Vertrauen setzt gegen die Angst, verloren zu gehen. Nicht ein Geist der Einfalt, sondern ein Geist der Vielfalt , die nicht bedroht, sondern reich macht.
Dafür erzählen wir die Pfingstgeschichte – und unsere eigenen Lebens- und Kirchengeschichten. Da hat sich etwas verändert in den Jahren, in denen wir unterwegs sind miteinander. Stereotypische Bilder in manchen Köpfen von den Besuchen in Ostdeutschland haben sich als untauglich herausgestellt: Bilder von Demütigungen. Bilder von Partnerschaften, die nur vom materiellen Geist des Schenkens lebten; oder Bilder von Schwestern und Brüdern, denen wir bei konspirativen Treffen Geld zugesteckt haben. Und die Begrüßungsgeld bekamen. Nein: Wir lernten die Schwestern und Brüder neu sehen, die nicht klein beigegeben hatten und die den Todesstreifen nicht für ewig gemacht hielten. Das waren die, die in der Fremde, vor oft verschlossenen Türen, der Verheißung Gottes glaubten und sich auf die Beine bringen ließen! Von jener widerständigen Glaubens-Schönheit haben wir uns begeistern lassen, so dass auch wir unsererseits Vertrautes hergaben. Auch manche Vorurteile über satte, unbewegliche West-Christenmenschen erledigten sich. Wer versteht, braucht keine Bilder vom anderen.
Ich vergesse nicht, wie Andreas von Maltzahn und ich 20 Jahre nach der Wende in Zarrenthien standen, an der Stelle, wo der Todesstreifen den See geteilt hatte. Da haben wir Gott gedankt, dass wir zueinander gefunden haben. Und da haben wir einander bekräftigt, den Weg weiter zu gehen miteinander. Die Verschiedenen miteinander - ein kleines Pfingstwunder für mich.
Pfingsten, liebe Gemeinde, Fest auf der Schwelle: Alle gehen nach Jerusalem, auch die, die den verloren glaubten, der ihrer Hoffnung Grund gewesen war. Sie hatten ihre Geborgenheit in der Gemeinschaft um Jesus verloren, der Aufbruch schien abrupt zu Ende. Aber sie machten sich auf.
Wie wir es getan haben. Losgehen müssen wir. Egal, wie verschieden wir sind, ob wir zagen oder rücksichtslos sind; ob begeistert oder voller Bedenken; ob zweifelnd oder fromm… Mit uns allen will Gott seine Kirche bauen!
Es kommen zusammen, die noch nicht wissen, was werden soll, und werden sehen, was wird: Weggemeinschaft, kraftvoll Redende aus dem Geist des Friedens und der Gerechtigkeit.
Klar: wer auf dem Sprung ist aus Vertrautem, aus Bestehendem, wer abspringt, der ist für eine Weile mit beiden Beinen in der Luft, haltlos, angewiesen auf Vertrauen, dass die Landung gelingt.
Wir sind aufgebrochen aus Vertrautem. Nichts ist mehr wie vorher. Und doch: Wir sind gelandet auf gutem Grund nach Anlauf und Absprung. Es gibt einen Grund, der gelegt ist: Und das ist Christus. Eine Kirche werden wir sein: Unterwegs die Verschiedenen, Feuer und Flamme für Gottes Geist.
Amen.