4. Mai 2013 - St. Georgskirche, im Rahmen des DEKT 2013

4. Mai 2013 - Predigt im Gottesdienst „Unfassbar bunt“ der Aids-Seelsorge und Kirchengemeinde St. Georg-Borgfelde

04. Mai 2013 von Kirsten Fehrs

Johannes 14, 1-6.23.25.27 1 Und er sprach zu seinen Jüngern: Euer Herz erschrecke nicht! Glaubt an Gott und glaubt an mich. 2 In meines Vaters Hause sind viele Wohnungen. Wenn's nicht so wäre, hätte ich dann zu euch gesagt: Ich gehe hin und bereite euch eine Wohnung? 3 Und wenn ich hingehe, um euch Schutz und Geborgenheit bei Gott zu schaffen, dann werde ich doch wieder kommen und euch zu mir nehmen, damit ihr seid, wo ich bin. 4 Und wo ich hingehe, den Weg wisst ihr. 5 Spricht zu ihm Thomas: Herr, wir wissen nicht, wo du hingehst; und wie können wir den Weg wissen? 6 Jesus spricht zu ihm: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich. 23 Jesus sprach zu ihm: Wer mich liebt, der wird mein Wort halten; und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm nehmen… 25 Das aber sage ich euch alles heute, da ich noch bei euch bin. … 27 Den Frieden lasse ich euch; meinen Frieden gebe ich euch. Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt. Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht!

Die Liebe Gottes, die Gnade unseres Bruders Jesus Christus und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei in uns lebendig. Amen

 

Liebe Schwestern Brüder!

 

Also mal ehrlich, früher war doch das Leben noch in Ordnung, oder? So wie Kay Kraack es eingangs in der ihm eigenen Art erzählte. Da wurde am Wochenende noch ordentlich der Weg geharkt und ordentlich geheiratet. Da gab es einen Frühling vor dem Sommer und keinen Winter bis an den Mai. Und da war der Hot Dog  die größte Herausforderung multikulturellen Lebens.

 

Ja, so war das Leben früher. Schwer in Ordnung.

 

Früher, da hatte ich auch einen Tuschkasten.

Der hatte sechs Farben: Gelb, orange, rot, grün, blau, schwarz. Dazu eine Tube Deckweiß.

Schwarz ist ja nun eigentlich keine Farbe; sie war aber gut dazu, Linien zu malen. Grenzen zu ziehen. Damit man ordentlich malt. Und nicht über die Grenzen tuscht. Es könnte sich was vermischen, oje. Gute Güte, fand ich das anstrengend.

 

Früher gab es jede Menge Grenzen. Da kamst du nicht einfach durch. Zwischen Deutschland und Dänemark. Ja, aber auch zwischen Europa und der DDR.

Immer eine ordentliche, nein: manchmal eine gnadenlose Grenze. Unfassbar gnadenlos.

 

Früher gab es weltweit viel mehr Grenzen; das ist mir seit dem Internet doch ziemlich aus dem Blick geraten. Allein die Kontinente.

Amerika, ganz weit weg im Westen.

Asien fast unerreichbar im fernen Osten.

Australien – Himmel! Und Afrika hieß: der Schwarze Kontinent.

 

Vielleicht war früher in meinem Tuschkasten schwarz wegen Afrika? So wie meine Lieblingspuppe Sonja eine schwarze war, sehr zum Erstaunen des dörflichen Kindergartens.

 

Und ich habe mich schon als Kind oft gefragt, wie man mit schwarzen Linien und Grenzen und Ordnungen denn nun um Himmels Willen einen Menschen malt. Sein Gesicht. Seine Lebendigkeit. Die Schönheit des Momentes und das Beben der Nasenflügel?

 

Du nennst mich Schwarz,

heißt es in einem Text. (Anmerkung:Hier sehr frei wiedergegeben)

Zugegeben: Ich bin schwarz. In der Sonne, in der Kälte, wenn ich verliebt bin und wenn ich Angst habe bin ich schwarz.

Aber DU!

Schau mal in den Spiegel.

Als du geboren wurdest, warst du rosa.

In der Sonne wirst du rot.

und in der Kälte blau.

Wenn du Ärger hast, bist du gelb.

Wenn du Angst hast, ist´s dir blass um die Nase

Und wenn du verliebt bist, wechselst du die Farbe wie ein Chamäleon.

Und morgens beim Aufwachen strahlst du wohlig-pink in den neuen Tag.

UND DU NENNST MICH EINEN FARBIGEN??

 

Also:

Unfassbar bunt.

Der Mensch.

Unfassbar bunt.

Das Leben.

Und ich schau uns hier an, – die vielen anrührenden Gedanken von Ihnen, die Sie uns geschenkt haben, schwingen noch nach – und ich würde am liebsten sofort:

Neue Farben mischen.

Über die Grenze tuschen.

Mal sehen, wer sich ergibt.

Keine schwarz weiß Malerei.

 

Gott selbst ist das beste Beispiel.

Er malte uns einen Bogen in die Wolken. Ein Zeichen der Liebe, die niemals aufhört. Nach schrecklicher Flutkatastrophe bindet er sich damit an uns und die Schöpfung und sagt einen der schönsten Sätze der Bibel:  Nicht aufhören soll Saat und Ernte, Frost und Hitze, Tag und Nacht.

Nicht aufhören soll die Liebe.

 

Also, liebe Batenoba-Combo, da habt ihr Antwort auf eure Frage: Kann denn Liebe Sünde sein?

Nein.

Da sind wir uns einig. Heute.

So unfassbar verschieden wir sind.

Und zugleich so unerhört verbunden darin, anders zu lieben.

Und dies schön zu finden.

Wir sind halt wunderbar gemacht. Wunderbar verschieden. Vierhundert (?) mal wunderbar verschieden. Schon im Mutterleibe Gottes geliebter Mensch. Unvergleichlich. Anders lebend. Anders denkend. Anders liebend. Frau zu Trans zu Mann zu Mann zu Frau zu Frau.

Und dann ist auch noch der Hund schwul.

 

Ich bin übrigens sicher, es gibt einige unter uns, die haben bei diesem Lied – in einer Kirche! – einen Moment den Atem angehalten. Ob es nicht etwas zu sehr über die Grenze gehüpft und zu unordentlich ist. Alles was Recht ist, und man hat ja auch Humor, aber …? Ich muss gestehen, mir ging es beim ersten Mal auch so. Doch glücklicherweise saß mein Mann neben mir und flüsterte vergnügt: In unseres Vaters Hause sind viele Wohnungen.

Ja, in der Tat: so viel du brauchst.

Sagt Jesus selbst: Wenn's nicht so wäre, hätte ich dann zu euch gesagt: Ich gehe hin und bereite euch eine Wohnung? Und wenn ich hingehe, um euch Schutz und Geborgenheit bei Gott zu schaffen, dann werde ich doch wieder kommen und euch zu mir nehmen?

 

Also, liebe Geschwister: Willkommen in der WG Gottes. Willkommen mit allem, was ihr tragt. Mit eurem Schmerz. Den Brüchen und Abbrüchen. Verletzungen. All den Widersprüchen. Wir haben eben davon gehört. Willkommen aber auch mit euren Sehnsüchten. Dem Hoffen. Dem Mut zur Klarheit. Willkommen in dieser WG Gottes, der nichts Menschliches fremd ist – durch Jesus Christus selbst wird es aufgenommen.

In Liebe. Von nichts anderem handelt der Text im Johannesevangelium. Denn es ist eine Abschiedsrede. Und da kommt es auf jedes Wort an. Auf jede Geste. Auf die letzten berühmten Botschaften. Und Jesus sagt: Ich werde dich lieben, immer, und Wohnung in dir nehmen.

 

Es ist Liebe, sagt er. Nicht Vernunft. Bemessung. Beziehungskiste. Es ist Liebe, die unverfügbar ist wie ein Geschenk. Kostbar und stärker als der Tod. Das ist Liebe, die gar keine Sünde sein kann. Eher ist es doch Sünde, nicht zu lieben?! Weil sie den Menschen doch mit so tiefer Lebendigkeit erfüllt, dass man die ganze Welt umarmen möchte. Wenn etwa jemand – wer auch immer zu wem – sagt: „Dich liebe ich. Was wäre ich ohne dich auf dieser Welt?“ Wenn meine alte Mutter mich zärtlich berührt und die Nähe genießt. Wenn das Enkelkind von Hans seine kleine Hand in die seine legt. Liebe ist die Sprache der Versöhnung in einer aufgestörten Welt. Ist tiefes Einverständnis mit der Verschiedenheit eines anderen oder der Widersprüchlichkeit in sich selbst.

Es ist Liebe, sagt Jesus, euer Herz erschrecke nicht!

Euer Herz erschrecke nicht – Es braucht in dieser Welt so viel mehr Unerschrockenheit. Und zwar eine, die nicht allein etwas Konfrontierendes hat, sondern auch etwas Nachgiebiges und Herzensnahes. Und ich finde, das ist wirklich eine Kunst. Nicht in den schwarzen Linien zu bleiben, sondern sich hinüber zu wagen. Und ich stehe mit Bewunderung vor Ihnen, die Sie sich als HIV-positiv bekennt, Frauen wie Männer, Schwarze und Weiße, Homo- und Heterosexuelle. Auch um zu verhindern, dass die Ansteckungsgefahr von HIV verharmlost wird. Doch das ist sehr schwer, wir haben eben gehört – und verstanden! – warum. Dennoch: Euer Herz erschrecke nicht. Meinen Frieden und Segen gebe ich euch, sagt Jesus, der uns liebt.

 

Dagegen: Manche fürchten sich sehr.

Fürchten sich vor einer WG und zu bunten Kirche.

Ein Pfarrer in Bayern etwa hat sich geoutet, nun als Frau leben zu wollen. Unerhört, sagen viele.

Seine Frau sagt: Ja, ich versteh dich, ich bleibe bei dir. Ich liebe dich.

 

Grenzen sind natürlich auch da.

Die Grenzen der Würde. Jeder Mensch hat sie und sie dürfen nicht preisgegeben werden. Auch nicht bei denen, die unsicher werden, wenn das Leben unordentlich spielt. Die das Gefühl haben, sie müssten an ihren festen Grenzen festhalten, weil sonst etwas Schlimmes passiert.

 

Zugleich wäre es schön, wenn wir gemeinsam erfahren könnten: Grenzen sind auch Orte neuer Erkenntnis.

So wie beim Licht. Wenn es ein Prisma durchdringt, also von einem Medium ins andere gerät, bricht sich der Strahl. Und aus dem Licht werden Farben. Gelb, orange, rot, grün, blau, das ganze Spektrum. Und kein bisschen Deckweiß ist dabei.

 

Doch Gott ist dabei. Auch wenn wir ihn jetzt nicht schauen können. An der Grenze jedoch gibt Gott sich zu Erkennen. Im Angesicht meines Nächsten, meiner Nächsten ist es doch Gottes Antlitz, das erkannt werden will. In der Sorge und dem Elend meiner Mitmenschen ist es doch Jesu Kreuz und Sterben. In jedem Seufzen der Kreatur  ist es doch Gottes Schöpfungssegen.

 

Euer Herz erschrecke nicht. Es braucht in dieser Welt Mutige, die wissen, welche Grenzen sie achten und welche sie niederreißen müssen. So viel du brauchst, braucht es Menschen, die unerschrocken neben einem sitzen und sagen: In unseres Vaters Haus sind viele Wohnungen.

 

Nun also, liebe Geschwister. Zimmer frei – welches immer gebraucht wird. Kost und Logis inbegriffen. Denn in des Gottes Haus wird ja nicht nur deiner Seele Heimat gegeben, sondern auch das Brot gebrochen. Weil Liebe immer nur mehr wird, wenn man sie teilt. Was also sollte uns in dieser Welt schrecken?

Zieht ein, liebe Geschwister, Gott ist mit euch.

Amen

Datum
04.05.2013
Quelle
Stabsstelle Presse und Kommunikation
Von
Kirsten Fehrs
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