5. Oktober 2014 - Ökumenischer Festgottesdienst zum Landeserntedankfest
02. Oktober 2014
Gnade sei mit Euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.
Liebe Festgemeinde,
Erntedank feiern wir: Die Mühe eines Jahres war nicht vergeblich. Die fleißige Arbeit vieler Frauen und Männer in unserem Land hat sich gelohnt. Der Himmel hat seinen Segen nicht verwehrt. Wir werden satt zu essen haben. Gott sei Dank!
Das klingt selbstverständlich, ist es aber nicht! In der letzten Woche lernte ich Pranita Biswasi kennen, eine junge Frau aus Indien. Auf der Tagung unseres Kirchenparlamentes, der Landessynode, erzählte sie uns, wie sich das Klima in ihrer Heimat verändert. Schon immer hatte es starke Regenfälle gegeben. Aber was in den letzten Jahren vom Himmel kam, hat weite Landesteile komplett unter Wasser gesetzt. An Saat und Ernte nicht zu denken!
Ganz fremd ist uns das ja nicht. Auch hier in Neu Kalliß und in der Region wurde gebangt. Wer weiß, was hier passiert wäre, wenn der eine Damm weiter oben nicht gebrochen wäre…2002 hielten wir das ungeheure Hochwasser noch für eine Jahrhundertflut. Aber die nächste „Jahrhundertflut“ kam nur elf Jahre später.
Alles Schicksal? Die Wissenschaftler sind sich inzwischen einig: Verantwortlich für die Klimakrise sind wir Menschen. Wir bringen zu viel Kohlendioxid hervor – besonders wir in den reichen Ländern. Aber wir haben es auch in der Hand. Wir können das Schlimmste noch verhindern – indem wir weniger Energie verbrauchen, mehr Gemüse statt Fleisch essen, indem wir Energie z. B. aus Wind, Sonne und nachwachsenden Rohstoffen gewinnen.
Noch haben wir es in der Hand. Aber wir müssen jetzt umsteuern. Klimaforscher sagen uns: Die nächsten Jahre werden entscheidend sein. Darum muss die Energiewende gelingen! Stehen wir miteinander zu diesem Weg, auch wenn er uns etwas kostet! Viele Nationen schauen auf uns. Wenn es uns Deutschen gelingt, weniger Energie zu verbrauchen, sie nachhaltig zu produzieren, dann werden auch viele andere Länder diesen Weg einschlagen. Auch wir als Nordkirche machen damit ernst. Bis 2050 wollen wir den Energieverbrauch unserer Kirche klimaneutral gestalten.
Trotz aller Sorgen feiern wir Erntedank: Die Mühe eines Jahres hat sich gelohnt. Wir werden satt zu essen haben. Gott sei Dank! Und wir hoffen darauf, dass auch unsere Kinder und Kindeskinder, froh und dankbar reiche Ernten werden feiern können. Ich hoffe auch, dass Frau Biswasi und ihre indischen Landsleute in Zukunft von den Auswirkungen der Klimakrise nicht mehr so hart getroffen werden. Wir haben es in der Hand.
Was aber hilft uns, das Richtige zu tun? Was gibt uns die Kraft, klimagerechter zu wirtschaften und zu leben als bisher?
Einsicht in die Gefahr? Ein besseres Problembewusstsein? Das ist wichtig. Aber leider neigen wir Menschen dazu, dass wir das eher verdrängen.
Vielleicht bewegen uns gute Nachrichten – dass es doch nicht aussichtslos ist, etwas für die Umwelt zu tun. Neulich gab es endlich einmal solch eine gute Nachricht: Das Ozonloch wird kleiner. Die Ozonschicht, die uns vor schädlichen UV-Strahlen schützt, wird wieder größer und dicker. Der Grund dafür: Die Ozon-Killer, FCKW-Stoffen in Spraydosen und Kühlschränken, waren verboten worden. Wir hatten es in der Hand und haben gehandelt.
Was hilft uns, das Richtige zu tun? Der heutige Predigttext weist uns eine weitere Spur. Im letzten Kapitel des Hebräerbriefes heißt es:
„Lasst uns durch Christus Gott jederzeit unser Lob als Dankopfer darbringen. Es ist sozusagen die Frucht der Lippen, die sich zu seinem Namen bekennen. Vergesst nicht, Gutes zu tun und mit andern zu teilen; denn das sind die Opfer, die Gott gefallen.“
(Hebr 13,15f)
Schwestern und Brüder, unser innerer Mensch lebt auch Staunen und vom Loben. Was würden uns die Güter unseres Lebens helfen, wenn wir sie nicht wahrzunehmen und zu schätzen wüssten?!
Also, ich finde es zum Beispiel phantastisch, dass Gott offenbar so viel Sinn für Schönheit und Geschmack hat: Denken wir an die zarten Farben eines Sonnenaufgangs oder das Steigen der Lerche im Sommer, den Tanz der Kraniche. In unserem Sommerurlaub hatten meine Frau und ich ein kleines Ferienhäuschen am Rande eines Kornfelds. Da haben wir es wieder einmal erlebt: Solch ein wogendes Kornfeld – das ist nicht nur geballter Nährwert, sondern auch pure Schönheit. Ja, dass nicht einfach alles nur nützlich ist: Um es einmal kindlich auszudrücken – es wäre ja auch denkbar gewesen, dass der Schöpfer alles Lebensnotwendige an Eiweißen und Kohlenhydraten, an Fetten, Spurenelementen und Vitaminen in ein Konzentrat gepackt hätte, eine Art „Weltraumnahrung“. Aber nein, es gibt Äpfel und Erdbeeren und – Kartoffeln! Was wären wir Mecklenburger ohne sie!
Ich entsinne mich doch deutlich: Als wir nach der friedlichen Revolution endlich einmal unsere holländische Partnergemeinde besuchen konnten, da war das ein großes Erlebnis. Auch vom Essen her war alles reichlich – nur etwas anders. Und so sagte abends auf der Rückfahrt eine Frau aus unserer Gemeinde, die sonst mit dem Hühnern zu Bett zu gehen pflegte: „Egal wie spät wir zu Hause ankommen, ich koch mir erstmal einen Pott Kartoffeln“
Ja, wir können begeistert sein von diesem Gott: Schönheit und Geschmack hat er in seine Schöpfung gelegt – etwas Wunderbares, das nicht unbedingt notwendig ist. Aber der Seele tut es gut.
Und so leben wir von dem inneren Reichtum unseres Lebens – davon bspw., dass es in dieser Welt Musik gibt, die unser Herz berührt. Musik, die unsere Seele empfindsam werden lässt und groß – und die uns ahnen lässt, was wir als menschliche Wesen sein können.
Wir leben von der Zuneigung unserer Familien und den kleinen und großen Geschichten, die uns verbinden.
Wir leben von Gott, der unsere Anflüge von Verzagtheit oder gar Verzweiflung aushält und sie wendet, indem er uns spüren lässt: Das Leben ist nicht ohne Sinn.
Wir leben vom körnigen Brot – vom Brot, bei dem wir mit jedem Korn zwischen den Zähnen die Urkraft und das Geheimnis des Lebens wahrnehmen können.
Wir leben auch davon, dass anderes Leben für uns geopfert wird. Und wir wissen, dass dies auch unsere Bestimmung ist – durch unser Leben anderes Leben zu ermöglichen.
Wir leben von Gemeinschaft – der Gemeinschaft von Menschen, die wie wir unterwegs sind zu Gott. Und wir leben davon, dass es Zeiten gibt, wo wir ganz für uns sein können.
Wir leben davon, arbeiten zu können – genauso wie wir es brauchen, nicht immer nützlich sein zu müssen.
Es erfüllt uns, wenn uns andere Menschen würdigen, ihren Kummer anzuhören. Und es beglückt uns, wenn es uns gelegentlich gelingt, ein Lächeln auf das Gesicht eines Kindes zu zaubern.
Empfangen und Geben, Einatmen und Ausatmen – davon lebe ich. Das macht mich glücklich. Dafür danke ich Gott, meinem Schöpfer.
Empfangen und geben, geben und empfangen – das ist der natürliche Atem des Lebens. In den Worten des Hebräerbriefs: „Vergesst nicht, Gutes zu tun und mit andern zu teilen; denn das sind die Opfer, die Gott gefallen.“
Was heißt das für uns? Ich bin überzeugt: Unsere Gastfreundschaft ist gefragt. In diesem Jahr kommen vermehrt Flüchtlinge in unser Land. Krieg und fanatischer Hass vertrieben sie aus ihrer Heimat. Oft haben sie Furchtbares erlebt. Manche der Älteren wissen aus eigener Erfahrung: Man verlässt seine Heimat nur aus Not. Auch meine Mutter kam als Flüchtlingskind nach Mecklenburg. Sie hat uns Kindern erzählt, wie sehr man als Flüchtling darauf angewiesen ist, dass Menschen sich als gastfreundlich erweisen und ihr Herz nicht verschließen!
Nach dem Krieg waren es ca. eine Million Menschen, die in Mecklenburg und Vorpommern aufgenommen wurden. In diesem Jahr sind es vielleicht 4.000 Flüchtlinge, die zu uns kommen. Das wird uns nicht überfordern. Darum: Lassen wir uns nicht von falschen Ängsten gefangen nehmen! Widerstehen wir denen, die politischen Nutzen aus der Angst ziehen wollen! Zeigen wir uns gastfrei, wenn Flüchtlinge Schutz bei uns suchen!
Eine gute Ernte, ein menschlich reiches Leben – das ist der Segen, den wir von Gott empfangen.
Achtsamkeit gegenüber der Natur und Mitmenschlichkeit – das ist der Segen, den wir weitergeben sollen. Dazu ermutigt uns Gott und verheißt uns, dass solch ein Leben erfüllt und glücklich sein wird.
Amen.