Gedanken zur EKD-Orientierungshilfe

6. Juli 2013 - Gastbeitrag in den Kieler Nachrichten

06. Juli 2013 von Gerhard Ulrich

Die EKD-Orientierungshilfe „Zwischen Autonomie und Angewiesenheit. Familie als verlässliche Gemeinschaft stärken“ ist umstritten. Landesbischof Gerhard Ulrich schreibt zur Debatte um die Orientierungshilfe in den Kieler Nachrichten vom 6. Juli 2013:

Wo Menschen in verbindlicher, verlässlicher, liebevoller und verantwortlicher Gemeinschaft zusammenleben, werden elementare soziale und humane Fähigkeiten erlernt und gelebt. Darum ist das Thema „Familie“ wichtig, weil die Entwicklung des familiären Zusammenlebens für die Zukunft unserer Gesellschaft entscheidend ist. Familiäre Strukturen befinden sich in einem starken Wandel, der erst einmal ganz nüchtern zur Kenntnis genommen werden muss, ohne sofort Werturteile zu fällen. Unsere Kirche setzt sich dafür ein, dass das familiäre Zusammenleben geschützt, unterstützt und gestärkt wird. Dazu ist die aktuelle Orientierungshilfe der EKD ein wichtiger Beitrag. Sie macht zu Recht darauf aufmerksam: Familie ist mehr als Ehe und Partnerschaft. Sie ist ein komplexes, emotionales wie rechtliches Gebilde von höchster Bedeutung – und in größter Spannung.

Dass die Orientierungshilfe den Wandel von Familie und Familienbegriff sehr detailliert beschreibt, ist ein Gewinn. Aber zur Orientierung gehört eine noch stärkere theologische Auseinandersetzung wie etwa die mit dem lutherischen Grundprinzip des „sola scriptura“ – allein durch die Schrift und allein an der Schrift können und wollen wir uns als evangelische Christen Orientierung verschaffen. An ihr haben menschliches Handeln und alle Formen des Lebens Maß zu nehmen. Diese Norm gibt es nicht „einfach“. Sie ist so komplex wie das Leben selbst. Und dennoch lässt sie sich festmachen: „Liebe Gott und liebe deinen Nächsten wie dich selbst“ – für Jesus sind in diesem Doppelgebot alle anderen Gebote (und Normen!) zusammengefasst. Daher hätte die Orientierungshilfe deutlicher sagen können: Die Spannung zwischen Norm und Realität ist eine Herausforderung, egal in welcher Form sich Partnerschaft und familiäres Zusammenleben ordnet. Auch wenn der Familienbegriff erweitert wird, verschwindet diese Spannung nicht, sie wird lediglich ebenso „erweitert“.


Die Orientierungshilfe ist Hilfe zur Diskussion und zum Diskurs. Das ist die Form, die angemessen ist. Und die Aufgabe des Landesbischofs ist es nicht, eine autoritative Entscheidung zu fällen, sondern - mit anderen zusammen - dafür Sorge zu tragen, dass der Diskurs in einer nach dem christlichen Glauben verantwortbarer Weise geführt und dabei die Einheit gewahrt und nicht mit Spaltung gedroht wird.


In den aktuellen Diskurs bringe ich Gesichtspunkte ein, die mir wichtig sind:

a) Mir sind meine Ehe und meine Familie sehr wichtig. Meine Frau, meine Söhne und ihre Partnerinnen, meine Enkeltochter und andere geben mir den Rückhalt und die Geborgenheit, die ich brauche. Und ich weiß, dass Gott dabei ist mit seiner Verheißung und mit seinem hilfreichen Gebot. So gebunden bin ich frei.

b) „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei“, sagt die Heilige Schrift und die Orientierungshilfe zitiert das mehrfach. Dabei fehlt aber der Hinweis auf die „Vertikale“. Da tritt noch ein anderer in Beziehung, Gott selbst. So, wie wir Menschen Wesen in Beziehung sind, so ist auch Gott ein Gott, der die Nähe zu den Menschen sucht und die Nähe der Menschen zu ihm fordert. Im Trauversprechen sagen die Eheleute vor der Öffentlichkeit und vor Gott „Ja, mit Gottes Hilfe“ zueinander. Dabei geht es um eine Beziehung in und unter der Gerechtigkeit Gottes und nicht um eine Form, die wir für gerecht halten.

c) Die Ehe ist für mich einerseits eine göttliche Gabe. Sie ist Raum und Form, in denen Gottes Wort und Verheißung sich abbilden, entfalten, leiten, orientieren, in der Treue gewagt, Leiblichkeit gelebt und Verlässlichkeit geübt wird. Aber die Ehe ist zugleich „ein weltlich Ding“. In ihr können ebenso Untreue, Gewalt und Missbrauch zuhause sein. Die Ehe schützt, aber sie ist keine „schuldfreie Zone“.

d) Keine Lebensform ist eine „schuldfreie Zone“. Jeder Mensch ist Sünder und Gerechter zugleich. Deshalb sehe ich eine Idealisierung der Ehe kritisch. Aber ich sehe auch eine Idealisierung von „an Gerechtigkeit orientierten Familienkonzeptionen“ (Orientierungshilfe) kritisch, weil wir auch mit solchen Konzeptionen der Sünde nicht entkommen.

e) Freiheit und Unabhängigkeit im familiären Zusammenleben werden in der Orientierungshilfe zu Recht hervorgehoben. Aber es muss auch benannt werden, dass Bindung und Verzicht auf die Ausübung von Freiheit in eine evangelische Ethik ebenso hinein gehören.

f) Die Orientierungshilfe entwertet die Ehe nicht, auch wenn darauf hingewiesen wird, dass sie nicht exklusiv ist. Ausdrücklich wird die Rechtsform der Ehe „als Stütze und Hilfe“ weiterhin gewürdigt. Sie bleibt weiterhin auch für mich Leitbild.

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