6. Juni 2021 | Greifswalder Dom

75. Greifswalder Bachwoche

06. Juni 2021 von Kristina Kühnbaum-Schmidt

NDR-Radiogottesdienst zum Bachwochenthema ‚paradiesisch‘

Teil 1
Blauer Himmel, unendliche Weite, das Rauschen des Meeres.
Die nackten Füße im körnigen Sand.
Und auf der Haut ein Geschmack von Salz.
Aufatmen. Durchatmen.
Einfach: paradiesisch.
So empfinden es in diesen Tagen viele,
die mit den ersten besonnenen Öffnungsschritten
in der hoffentlich weiter abklingenden Pandemie
wieder in unserem Bundesland, in Mecklenburg-Vorpommern, unterwegs sind.
Als Gäste und Touristen ebenso
wie als Einheimische.
Die langen Ostseestrände,
die wunderschönen Seen
die geschichtsträchtigen Städte
wie Greifswald mit diesem so wunderbaren Dom -
all das ist doch paradiesisch, nicht wahr?

Ein Dach über dem Kopf.
Ein gedeckter Tisch,
an dem man sich satt essen kann.
Ein sicherer und ruhiger Platz zum Schlafen.
Wo man keine Angst haben muss,
von Sirenen und Bombenalarm aus dem Schlaf gerissen zu werden.
Wo keine willkürliche Verhaftung und keine Folter
durch Sicherheitsdienste und Staatspolizei drohen,
weil man offen seine politische Meinung gesagt,
einen Autokraten kritisiert oder
für freie Wahlen demonstriert hat.
Für viele, ach so viele Menschen auf dieser Erde
wäre das ein paradiesischer Ort.
Ein Platz zum Leben.
Und Anlass für ein innig ersehntes,
ein hoch erwünschtes Freudenfest.

Wie hoch erwünscht auch
die ganz alltäglichen Dinge des Lebens sein können,
das spüren wir oft erst dann,
wenn sie uns fehlen.
Wie in den langen Zeiten des Lockdowns,
oder in den immer noch vorhandenen Sorgen und Ängsten,
wie es jetzt weitergeht,
mit Impfungen und Öffnungen,
mit Arbeitsplatz und kulturellem Leben.
Oder dann, wenn wir sehen,
wie in anderen Ländern unserer gemeinsamen Erde
die Suche nach einer Flasche Sauerstoff fast aussichtslos ist,
wenn Brot und Wasser schlicht nicht vorhanden sind oder
Menschen vor Bomben und Terror fliehen.
Wenn allein die Hoffnung bleibt:
Möge doch bald ein innig ersehntes Freudenfest da sein,
eines, das Leib und Seele aufatmen lässt!

Mit dieser Sehnsucht hat einst
auch die Greifswalder Bachwoche begonnen.
Sie ist selbst ein innig ersehntes,
ein musikalisches Freudenfest.
Und sie gehört zum Lebenswerk einer bewundernswerten Frau,
Annelise Pflugbeil.
1945 flüchtete sie -
ihre kleine Tochter und ein kleines Tasteninstrument auf dem Handkarren -
am Ende des Zweiten Weltkrieges von Stettin nach Greifswald.
Ein Jahr später traf sie bei einem Spaziergang
am Strand von Hiddensee
zusammen mit ihrem Mann Hans den Bach-Interpreten Herman Diener.
Unter dem weiten Ostseehimmel,
mit den Füßen im Sand,
ersannen sie in einem Strandkorb die Idee,
die Johannespassion von Johann Sebastian Bach wieder aufzuführen.
Als der Betrübten Trost und Freud
in schwerer und trauriger Zeit,
wo es vielen an Hoffnung und Perspektive mangelte.
Um neuen Lebensmut schöpfen zu können
aus der geistlichen Kraft der Musik Johann Sebastian Bachs.
Denn seine Musik macht spürbar:
In Christus hat Gott selbst teil unserem Leben,
an unserem Glück wie an unserem Leid.
Selbst im Tod tritt er an unsere Seite,
schenkt uns aus der Kraft seiner Auferstehung
die Hoffnung auf neues Leben.
„Was des Höchsten Glanz erfüllt,
wird in keine Nacht verhüllt“.
Paradiesisch….

Arie: Was des Höchsten Glanz erfüllt

Teil 2
Was des Höchsten Heilges Wesen
sich zur Wohnung auserlesen,
wird in keine Nacht verhüllt.
Der paradiesische Sehnsuchtsort,
das ist der Ort, wo Gott wohnt.
Dieser Sehnsuchtsort der Zukunft ist für die Bibel
eine Stadt, das himmlische Jerusalem.
Mit einer Schutz und Sicherheit schenkenden Umfriedung.
Mit Trost und Hoffnung in Gottes Gegenwart.
Wir haben die Schilderung dieser Stadt
vorhin in der Lesung aus dem Buch der Offenbarung
des Sehers Johannes gehört.

Ein paradiesischer Ort ist dort beschrieben:
Eine liebevolle Hand trocknet alle Tränen ab,
beendet ihren unendlichen Strom,
der von Generation zu Generation reicht.
Die Armen, Leidtragenden und politisch Verfolgten werden befreit.
Die Kriege sind beendet, ein für allemal.
Gott selbst stillt den Hunger nach wahrem Leben
und den Durst nach guten Worten,
wohnt mitten unter den Menschen,
umhüllt sie mit Liebe und Geborgenheit.
Dieses himmlisch-paradiesische Jerusalem
ist keine Vertröstung auf besser werdende Zeiten,
nach dem Motto:
Am Ende wird schon alles irgendwie gut.
Sondern stattdessen:
Am Ende wird alles neu.
Weil Gott alles neu macht.
Und deshalb unbeschreiblich gut und heil.
Wunderbar und schön.

„Du tust mir kund den Weg zum Leben“,
sagt der Seher Johannes.
Und meint damit:
Der neue Himmel, die neue Erde,
das himmlisch-paradiesische Jerusalem
sind Wegweiser für unser Leben.
Weil sie uns ausmalen, vor Augen führen,
dass Gott Frieden, Barmherzigkeit, Gerechtigkeit will.
Eine Welt ohne Leid und Schmerz,
Einen neuen Himmel und eine neue Erde.

Von ihnen kann man sprechen,
an ihnen kann man sich orientieren,
wenn man zu sehen vermag,
wie Gott schon jetzt
immer wieder Böses mit Gutem überwindet.
Christus selbst hat gezeigt,
was das bedeutet.
Im Leben, im Tod, im Auferweckt werden.
Wo Menschen ihm nachfolgen,
sich von ihm und seinem Geist inspirieren, beseelen lassen -
da beginnt das himmlische Jerusalem schon jetzt.

Die Erbauer der Kirchen der Backsteingotik
haben sich von der Vision des himmlischen Jerusalem
inspirieren lassen.
Die hoch aufstrebenden, lichtdurchfluteten Räume,
haben sie als Orte Gottes gebaut,
die sich aus dem Himmel herab senken,
auf dass Gott und Mensch zueinander finden.
In ihnen kann man spüren:
Gott ist nicht im Himmel,
sondern der Himmel ist da,
wo Gottes Geist unter uns seine Kraft entfaltet.
Und wir zu Gottes Menschenkindern
und Christus-Geschwistern werden,
die seinen Wegen folgen.

Arie: Hilf, Gott, dass uns gelingt (mit Jesaja-Zitat)

Teil 3
Blauer Himmel, unendliche Weite, das Rauschen des Meeres.
Die nackten Füße im körnigen Sand.
Und auf der Haut ein Geschmack vom Paradies.

Ein gedeckter Tisch, an dem man sich satt essen kann.
Ein sicherer und ruhiger Platz zum Schlafen.
Ein Ort paradiesischen Friedens.

Ein neuer Himmel, eine neue Erde.
Das himmlisch-paradiesische Jerusalem,
wo alle Tränen getrocknet und alles Leid beendet ist.
Und der Tod auf immer von Gottes neuem Leben besiegt ist.

Von Annelise Pflugbeil, der Mitbegründerin der Bach-Woche,
wird der Satz überliefert:
„Über die Frage, ob auch wir eines Tages auferstehen -  
darüber können Sie lange diskutieren.
Aber wenn Sie Bach hören,
dann wissen Sie: Es ist so“.

Ja, die Musik Johann Sebastians Bachs
ist durchdrungen von der gewissen Zuversicht auf das,
was noch kommt,
und zugleich von der Freude und Dankbarkeit
über das, was schon da ist.
Denn die Worte Gottes sind ja schon zu hören.
Und Tränen werden auch jetzt schon getrocknet.
Denn Menschen stehen einander bei.
Erheben ihre Stimme für die stumm Gemachten.
Schicken rettende Schiffe dorthin,
wo Menschen der Untergang droht.
Lassen sich nicht allein in Sorge und Angst,
sagen sich gegenseitig zu:
Hab keine Angst, was auch geschieht -
da bin ja noch ich, da sind ja noch wir.

Der biblische Seher Johannes
und der musikalische Seher Johann Sebastian Bach,
sie beide lassen uns Worte und Musik hören.
Und machen auch uns auf diese Weise zu Sehenden.
Sie lassen uns sehen auf die Zukunft,
die Gott verheißt und verantwortet.
Und sehen von dort aus mit uns
auf unsere Gegenwart.
Lassen uns das, was jetzt ist,
sehen im Licht von Gottes Zukunft,
für die Gott selbst einsteht -
in der Heiligen Schrift mit seinem Wort,
in Christus mit seinem Leben,
im Heiligen Geist mit seiner Kraft.

An uns ist es,
die Kraft dieses Lichtes nicht zu hindern.
Sondern mit ihr zu arbeiten
und so selbst durchscheinend zu werden
für das Licht der Zukunft Gottes.
Durchscheinend wie die wunderbaren Fenster dieses Domes.
Durchscheinend für Christus,
damit Gottes Zukunft schon heute und hier beginnen kann.
Und das,
ja, das ist - wirklich paradiesisch!
Amen.

 

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