Autobiografie

Altbischof Rathke und sein mutiges Leben in der DDR

Der ehemalige Landesbischof Heinrich Rathke in Schwerin bei einer Lesung aus seiner Autobiografie
Der ehemalige Landesbischof Heinrich Rathke in Schwerin bei einer Lesung aus seiner Autobiografie© Kirchenkreis Mecklenburg/C. Meyer

07. Januar 2015 von Timo Teggatz

Schwerin. Keine Frage: Heinrich Rathke ist ein mutiger Mann. Als Mecklenburger Landesbischof zeigte er klare Kante gegen die Stasi. In seiner Autobiografie verrät der 86-Jährige jetzt, warum er freiwillig in die DDR ging und was er Honecker zuflüsterte.

Heinrich Rathke (86) war ein unkonventioneller und mutiger Bischof. Insbesondere sein Verhältnis zur DDR-Staatssicherheit (Stasi) war klar und offen. Zwei Stasi-Leute, die ihm kurz vor seinem Amtsantritt als mecklenburgischer Landesbischof eine Zusammenarbeit vorschlugen, ließ er mit knappen Worten abblitzen: "Meine Herren, ich gedenke unsere kirchlichen Angelegenheiten ohne ihre Mitarbeit zu regeln." Rückblickend sagt er heute: "Damit waren die Fronten klar." Vor wenigen Wochen ist seine 200-seitige Autobiografie "Wohin sollen wir gehen?" erschienen.

Mit der Stasi hatte Rathke zuvor schon langjährige Erfahrungen gemacht. Als Gemeindepastor in Warnkenhagen (bei Güstrow) erfuhr er 1960, dass ein Bauer aus der Nachbarpfarre wegen Widerstands gegen die Zwangskollektivierung verhaftet wurde. So fuhr er kurz entschlossen auf dem Motorrad hinterher - und landete selbst für einige Tage im Gefängnis. Als in den 60er Jahren - Rathke war inzwischen Pastor im Neubaugebiet Rostock-Südstadt - ein kirchlicher Mitarbeiter von der Stasi bedrängt wurde, tauschte Rathke die Rollen, erschien selbst beim nächsten konspirativen Stasi-Treff und beendete die Zusammenarbeit.

Klartext mit Erich Honecker

Er war auch ein tatkräftiger Bischof: Als er einen pensionierten Pastor besuchte, der die ganze Zeit darüber nörgelte, dass es die Baudienststelle seit Wochen nicht schafft, den Dachstein seines Pastorats zu ersetzen, stieg der Landesbischof kurzentschlossen selbst auf die Leiter und wechselte den Dachziegel aus.

Beim Besuch von Bundeskanzler Helmut Schmidt beim DDR-Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker am 13. Dezember 1981 im Güstrower Dom ließ es sich Landesbischof Rathke nicht nehmen, Klartext zu reden. Am Ausgang sagte er Honecker "noch unter vier Augen unverblümt und direkt", was die Kirche in der DDR bedrückte: die Drangsalierung der Jugend, die Militarisierung und die Bedrängnis durch die Stasi.

Dabei hätte sich der im mecklenburgischen Mölln (bei Neubrandenburg) geborene Pastorensohn eine Menge Ärger ersparen können, wenn er 1953 nicht in die DDR zurückgekehrt wäre. Nach seiner Entlassung aus englischer Kriegsgefangenschaft machte er in Lübeck Abitur und absolvierte in Kiel, Erlangen und Tübingen sein Theologiestudium. Um dem Pastorenmangel in der DDR abzuhelfen, gehörte Rathke zu den rund 80 bis 100 Theologen, die nach Ostdeutschland zogen.

Kontakt zur Gemeinde war ihm wichtig

Vor allem der Kontakt zu den Gemeinden war Rathke wichtig. Auf manche privilegierte Auslandsreise und Repräsentation verzichtete er, um genügend Zeit für Besuche in seiner Landeskirche zu haben. Er führte einen monatlichen Sprechtag ein, an dem ihn jeder auch unangemeldet in seiner Bischofswohnung im Schweriner Schleifmühlenweg besuchen konnte. In den 70er Jahren feierte Rathke gemeinsam mit seinem katholischen Amtskollegen in Althof bei Bad Doberan den ersten ökumenischen Gottesdienst in Mecklenburg.

Nach seiner Bischofszeit von 1971 bis 1984 wurde Rathke wieder Gemeindepastor in Crivitz (bei Schwerin). Für ihn sei es wie eine "Rückkehr aus dem Exil" gewesen, sagt er heute. Dabei war er 1970 eigentlich auf Lebenszeit gewählt worden. Doch gleich nach der Wahl kündigte er an, sein Amt in absehbarer Zeit wieder zur Verfügung stellen zu wollen.

Stasi-Stützpunkte enttarnt

In Crivitz wirkte er dann auch an der Enttarnung von heimlichen Stasi-Stützpunkten mit. Sogar Morddrohungen seien daraufhin bei ihm eingegangen, berichtet Rathke. Doch obwohl er viele Stasi-Aktivitäten zu DDR-Zeiten mitbekam, gibt er in seinen Lebenserinnerungen zu, völlig unterschätzt zu haben, "welch großes Heer von 'Inoffiziellen Mitarbeitern (IMs)' umherschwirrte". Allein auf seine Familie seien weit über 100 Stasi-Spitzel angesetzt gewesen.

Im Ruhestand kümmerte er sich in besonderer Weise um die russlanddeutschen Gemeinden in Mittelasien. Im Rahmen dieser Arbeit war er von 1991 bis 1994 Bischöflicher Visitator von Kasachstan. Heute lebt er in Schwerin.

Info

Heinrich Rathke: "Wohin sollen wir gehen?", Lutherische Verlagsgesellschaft (Kiel), 17,95 Euro, ISBN-Nummer 978-3-87503-173-7.

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