„Auch Kreuzfahrt-Urlauber haben Probleme im Gepäck“
04. August 2015
Auf Kreuzfahrtschiffen ist nicht nur Entertainment gefragt, sondern auch seelische Betreuung. Katharina Plehn-Martins arbeitet als Bordseelsorgerin. Im Interview berichtet sie vom Reiz der Arbeit, Gottesdiensten auf dem Wasser – und einer alten Dame in Tränen.
Katharina Plehn-Martins gehört zu den Bordseelsorgern der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Im September fährt die pensionierte Pfarrerin aus Berlin auf ihre dritte Kreuzfahrt. Mit der "MS Europa" geht es in die Ostsee. Über ihre Arbeit und Erfahrungen auf den Urlaubsschiffen erzählt die 68-jährige im Interview.
Welche Situation aus ihrem Dienst ist Ihnen besonders in Erinnerung?
Katharina Plehn-Martins: Eine Geschichte hat mich sehr berührt. Eine alte Dame, absolut elegant und mondän, hatte sich allein auf eine Kreuzfahrt begeben. Eines Tages saß sie weinend auf dem Sonnendeck. Sie hatte gehofft, auf dem Schiff neue Kontakte zu finden. Das ist aber nicht aufgegangen. Sie ist allein geblieben und immer trauriger geworden. Ich habe dann viele Gespräche mit ihr geführt. Mit den Hostessen haben wir sie zu Mahlzeiten und Landgängen begleitet. Ihr Gesicht wurde dann mit der Zeit immer heller und offen, und am Ende war es für sie eine richtig gute Reise.
Was haben Sie außer Seelsorge noch für Aufgaben?
Ich halte Gottesdienste und Andachten und begleite Landgänge. Außerdem halte ich Vorträge, in der Ägäis zum Beispiel über orthodoxe Kirchen.
Was war Ihr schönstes Erlebnis auf einer Kreuzfahrt?
Besonders schön war ein mitternächtlicher Pfingstgottesdienst mit philippinischen Crewmitgliedern irgendwo im Mittelmeer. Der Kapitän hatte mich darum gebeten. Wir begannen nach Dienstschluss der Crew. Der Bordpianist begleitete uns musikalisch, ein sehr gut ausgebildeter Slowene. Er hat das wunderbar gemacht. Er hat extra englische Pfingstlieder gelernt und zum Schluss, das fand ich ganz klasse, hat er für die jungen Leute ein Lied von Stevie Wonder gespielt. Am nächsten Tag hatte ich dann ganz viele neue Freunde unter den Philippinos. Sie haben mir viel von ihren Familien und Arbeitsbedingungen erzählt.
Die Arbeitsbedingungen des Personals an Bord kann man ja auch kritisch sehen. Es ist viel über schlechte Bezahlung und zu lange Arbeitszeiten zu hören. Was denken Sie dazu?
Das ist ein beliebtes Vorurteil. Ich habe das mit den philippinischen Crewmitgliedern auch thematisiert. Die Antworten haben mich überrascht. Einer sagte: "Ich danke Gott, dass ich auf diesem Schiff sein kann. Ich werde hier gut gezahlt, ich kriege gutes Trinkgeld." Er hat nachmittags frei und kann an den Landgängen teilnehmen. So kann er die Welt entdecken. Er erzählte aber auch, dass es vorher auf einem anderen Schiff ganz anders war. Man muss wirklich gucken: Wie sind konkret die Arbeitsbedingungen? Welches Schiff, welche Reederei? Man kann das nicht pauschal so sagen.
Was reizt Sie an der Arbeit als Bordseelsorgerin?
Ich bin pensioniert, aber ich liebe meinen Beruf. Außerdem liebe ich das Reisen. Auf Kreuzfahrten bin ich Pfarrerin auf Zeit. Ich begleite Menschen in ihrem Urlaub. Diese Menschen haben neben ihren Reiseutensilien auch ihre Probleme im Gepäck, die sie in der entspannten Urlaubssituation oft mit voller Wucht einholen. An dieser Stelle ist Seelsorge gefragt und das ist eine sinnvolle Aufgabe für mich als Pfarrerin. Außerdem finde ich es gut, dass Kirche in diesem Mikrokosmos eines Kreuzfahrtschiffes präsent ist. Schön, dass einige Reedereien uns als Bordgeistliche mitnehmen und nicht nur Entertainment im Programm haben.
Mit welchen Reedereien waren Sie denn unterwegs?
Mit der "MS Europa" von Hapaq Lloyd war ich in Norwegen, mit der "MS Albatros" von Phönix-Reisen an der italienischen Küste und in der Ägäis. Ich bin auf Schiffen mit Kapazitäten zwischen 400 bis 850 Passagieren. Real waren es deutlich weniger. Ich bin nicht auf den großen Schiffen, wo 3.000 oder 4.000 Leute mitfahren. Die nehmen gar keine Bordgeistlichen.
Waren Sie schon einmal richtig gefordert?
Also, größere Notfälle habe ich noch nicht erlebt. Mir ist aber bewusst, dass jederzeit etwas passieren kann, und dann bin ich dran. Gerade ist auf einer Kreuzfahrt zum Beispiel eine Frau 30 Meter ins Meer gestürzt, oder vor zwei Jahren ist ein erster Offizier plötzlich gestorben. Das ist mir noch nicht passiert, aber als Bordseelsorgerin ist man immer im Standby-Modus.