Bring dem Heiland deine eigenen Gaben
24. Dezember 2013
Ökumenischer Gottesdienst, Predigt zum Gemälde "Anbetung der Hirten" von Georges de la Tour
Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids. Und das habt zum Zeichen: Ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen.
Liebe Gemeinde,
ich freue mich, heute am Heiligen Abend, mit Ihnen Gottesdienst zu feiern. Ich habe Ihnen ein Bild mitgebracht: Ein Weihnachtsbild mit der Anbetung der Hirten. Vor etwa 400 Jahren von dem Franzosen, Georges de la Tour, gemalt.
Ich sehe keinen Stern, keine Engel, keine Könige. Nichts Sensationelles oder Spektakuläres. Das Kind liegt in Windeln gewickelt auf Stroh. Fünf Menschen schauen es still an. Allein mit sich und ihren Gedanken. Sie sitzen einfach da und sehen das Kind an. Hingebungsvoll, selbstvergessen, vertieft. Ganz ruhig und aufmerksam. Nichts anderes geschieht.
Und ich begreife: Nicht das Äußere, das Drumherum ist entscheidend. Sicher: Lichterglanz und Tannenbaum und festliche Atmosphäre sind schön. Aber sind sie das Eigentliche? Entscheidend ist, was in den Menschen geschieht. Im Herzen. Das ist die Innenseite der Heiligen Nacht von Bethlehem. Auch noch heute. Was die Botschaft von der Geburt des Gotteskindes in uns anrührt, in jedem von Ihnen anrührt und bewirkt. Dass deine Augen, dein Herz und deine Seele sich öffnen für sein Geheimnis. Dieses Kind ist der Heiland, der Leben und Welt heil machen will. Dieses Kind und sein Weg sind die Wahrheit und Güte in Person.
Ich schaue wieder auf das Bild: Da sitzen schlichte, einfache Männer und Frauen zusammen. Nichts Pompöses, Übertriebenes. Menschen, deren Alltag hart ist als Hirten auf dem Feld. Ihre Gesichter sind vom Leben gezeichnet. Nüchtern, realistisch, handfest. Mehr Sein als Scheinen. Und nun ruhen ihre Augen auf dem Kind.
Vor diesem Kind müssen wir nichts Besonderes darstellen, oder anstellen oder vorstellen wollen. Wir dürfen ohne Maske zu dem Gotteskind kommen und werden sein Geheimnis erfahren. Jeder kann sich auf den Weg machen, jeder wird erleben: Du bist willkommen - so wie du bist. Gott sagt „Ja“ zu Dir. Genauso wie er „Ja“ gesagt hat zu Joseph und zu Maria und zu den Hirten. Darauf können wir vertrauen: Du brauchst dich nicht zu verstecken. Mach dich auf den Weg, komm so, wie du bist mit zur Krippe. Zieh in Gedanken deinen Hut wie der Hirte mit der Flöte. Öffne dein Herz. Schenke dem Krippenkind dein Vertrauen, und deine Liebe.
Auf dem Bild kommen die Menschen mit dem, was sie haben. Einfaches Leben, einfache Dinge. Das, was gerade zur Hand war. Was jetzt nötig ist. Eine Schüssel mit etwas zum Essen, so sinnvoll und wichtig nach den Strapazen der Geburt. Eine Flöte, um vielleicht ein Wiegenlied zu spielen. Und ein Lamm aus der Herde zum Kuscheln.
Ich verstehe das so: Das Krippenkind ehren - das meint: Bring dem Heiland Deine eigenen Gaben. Verschenke Dich selbst – deinen Mut, deine Stärke, deine Kraft. Gib ihm das, was Du bist, was Du kannst, worauf Du stolz bist. Du musst dich nicht verbiegen oder sensationelle Kunststücke versuchen. Das Alltägliche reicht. Was hier und jetzt zur Hand und notwendig ist. Nichts Außergewöhnliches. Weihnachten feiern ist auch ein Entschluss: Ja, ich will meine Gaben, mein Können, meinen Kopf und mein Herz ihm schenken und in seinen Dienst stellen. In den Dienst dieses Kindes, das für das Menschsein einsteht.
Im Mittelpunkt des Bildes sehen wir das Kind, das schläft. Ruhig, friedlich, geborgen. Erleuchtet von der Kerze. Seine Ruhe und sein Frieden strahlen auf die Menschen in der Runde aus.
Ich meine zu begreifen: Liebe und Frieden beginnen und wachsen dort, wo Menschen sich anrühren lassen vom Kind in der Krippe und seinem Geheimnis. Wo sie von ihm zusammengeführt werden - so, wie die Frauen und Männer auf diesem Bild:
Maria und Josef und die drei Hirten. Wo das geschieht, da wird Weihnachten.
Da kommt Gott tatsächlich zur Welt - nicht nur in Bethlehem, auch in Kiel und auch hier hinter den Mauern, mitten in unserem eigenen Leben und mitten in unserer Welt von heute.
Auf dem Bild sind die Windeltücher, in denen das Kind liegt, über Kreuz gewickelt. Könnte das ein Hinweis sein auf den Weg, den dieser kleine Mensch später gehen wird? Ein Hinweis auf die Bosheit von Menschen, die ihn ans Kreuz von Golgatha bringen wird?
Eine einzige Kerze erhellt das Dunkel. Josef, der Älteste, hält sie und schützt sie gegen den Luftzug. Ohne das Licht dieser Kerze wäre nur Dunkel und Finsternis. Niemand könnte das Kind sehen. Niemand könnte die Gesichter in der Runde erkennen.
Mich ziehen das Licht und die Ruhe an, der Frieden und die Geborgenheit, die von dem Kind und den Menschen in der Runde ausgehen. Glücklicherweise gibt es noch Platz in der Runde. Finde ich den Weg dahin? Hin zu diesen Männern und Frauen, die still dasitzen und schauen – und sich von ihm im Herzen berühren lassen? Dieses Licht der Menschlichkeit zu erkennen, es im Herzen zu hüten und weiterzugeben - das heißt letztlich: Weihnachten feiern. Dieses andere, innere Weihnachten.
Die Worte der Weihnachtsgeschichte klingen immer noch nach: „Und der Engel sprach: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren. Und das habt zum Zeichen: Ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen.“
Liebe Gemeinde,
Der Engel spricht es aus: Fürchtet euch nicht! Gott will nicht eure Furcht, er will eure Freude und Liebe wecken und groß machen. Das und nichts anderes ist der Kern der Weihnachtsbotschaft. Das Geheimnis der Heiligen Nacht von Bethlehem. Der Allmächtige wird zum zarten Menschenkind - damit auch wir zarter werden, friedlicher und liebevoller miteinander und mit anderen Menschen.
Lasst uns das annehmen, im Herzen bewahren und weitergeben, damit auch in unserer Runde in den festen Mauern in Kiel Weihnachten werde. Dieses andere, innere Weihnachten.
Amen