Christian Lindner: „Den Segen zu empfangen, war mir wichtig”
13. Juli 2022
Viele Paare, die standesamtlich heiraten, wünschen sich zusätzlich den Segen bei einer Trauung in der Kirche. Dabei gilt: Mindestens ein Partner muss Mitglied der evangelischen Kirche sein. Soweit die Regel. Doch es gibt auch Ausnahmen. Die Hochzeit von Christian Lindner und Franca Lehfeldt ist ein viel diskutiertes, prominentes Beispiel. Warum eine Trauung ausnahmsweise ohne Mitgliedschaft möglich ist, und wie die Kirche sich dabei treu bleibt.
Erprobungsräume für neue Gottesdienstformen
Ratgeber Trauung - Heiraten in der Nordkirche
FAQ zu Trauungen in der Nordkirche ohne Kirchenmitgliedschaft
Ausnahmen liegen hier im Ermessen der Seelsorge: Die Pastorin und der Pastor vor Ort dürfen in einem vorgegebenen Rahmen eigenständig entscheiden, auch Menschen ohne Kirchenmitglieschaft zu trauen, wenn diese ausdrücklich den Segen wünschen. Allerdings gibt es die Möglichkeit nicht in allen Kirchengemeinden. Die Nordkirche erlaubt dies nur in sogenannten „Erprobungsräumen”. Die Pastorinnen und Pastoren können dann nach vorheriger Absprache in ihrer Gemeinde neue Formen des kirchlichen Handelns ausprobieren.
Der Freiraum ist dabei aber nicht unbegrenzt: Seelsorge und die Verkündigung des Evangeliums stehen im Mittelpunkt. Wenn in Ausnahmefällen eine Trauung zugelassen wird, obwohl beide Eheleute nicht Kirchenmitglied sind, dann ist das nur innnerhalb des Erprobungsraums möglich. Und es ist nur möglich, wenn Menschen den kirchlichen Segen und das Jawort vor Gott glaubhaft wünschen. Eine Kultur-Kulisse ist die Kirche also in keinem Fall.
Anders als in diesen Erprobungsräumen gilt für Kirchenmitglieder: Sie können sich in jedem Fall und überall trauen lassen; sie müssen nur entsprechende Termine für das Traugespräch und die Trauung vereinbaren.
So geschehen im Fall von Finanzminister Christian Lindner und seiner Frau Franca Lehfeldt in der Kirchengemeinde St. Severin in Keitum auf Sylt. Die Feier des Paares in der Kirche hatte zu kontroversen Debatten geführt.
„Als Kirche für alle Anfragen offen”
„Selbstverständlich sind wir als Kirche für alle Anfragen offen. Ob die Vorstellung eines Paares aber zu einem evangelischen Segnungs-Gottesdienst passen, kann nur in einem oder auch mehreren persönlichen Gesprächen seelsorgerlich geklärt werden. Wir orientieren uns dabei in St. Severin an Grundlinien, die von der Synode der Nordkirche beschlossen worden sind”, erläutert die Sylter Pastorin Susanne Zingel gegenüber der Zeitschrift „Bunte”.
„Es gibt ein Mehr, das über uns beide und unser gemeinsames Leben hinausweist. Das in einem Gottesdienst zu bedenken und den Segen zu empfangen, war mir wichtig”, äußert sich Lindner selbst im Interview mit chrismon.de.
Grundsätzlich freue sie sich als Pfarrerin über jede Anfrage nach einer gottesdienstlichen Begleitung eines Lebensereignisses. „Wir gehen mit diesen Bitten nach Segen, Gebet und kirchlicher Begleitung nie leichtfertig um. Bei den vorbereitenden Gesprächen geht es darum, was das Paar hofft, glaubt und im Segen sieht, den sie empfangen werden. Wir sprechen über die Familien und auch über die Erfahrungen, die sie mit der Institution Kirche gemacht haben”, so die Pastorin weiter.
„Es ist etwas Wunderbares, wenn sich zwei Menschen den Segen Gottes zusprechen lassen wollen“, betont auch der Schleswiger Bischof Gothart Magaard. „Dass im aktuellen Fall einige Menschen in unserer Nordkirche besonders verärgert und auch enttäuscht sind, hat mich sehr nachdenklich gemacht. Wir werden alle Reaktionen sorgfältig auswerten, gerade weil wir im gerade laufenden Zukunftsprozess der Nordkirche intensiv diskutieren, wie der Zugang zu kirchlichen Angeboten in unserer Landeskirche künftig gestaltet werden soll“, so der Theologe im Gespräch mit den Kieler Nachrichten.
Die Kirche für Menschen von heute
Um Zugänge zu kirchlichen Angebote, gerade für Menschen die keine feste Bindung zu ihrer Gemeinde haben, kümmern sich in der Nordkirche auch die Ritualagentur st. moment mit Sitz in Hamburg oder segensreich in Lübeck. Die zugehörigen Theologinnen und Theologen probieren neue Wege, zum Beispiel bei Tauffeiern und Hochzeiten.
Hier werden unkoventionelle Möglichkeiten angeboten, die lebensbegleitenden Rituale zu feiern: eine Trauung in der Kirche, aber auch am Strand oder in der Bar; die Taufe im Garten, in der Elbe oder im Freibad. „Es geht darum, unkompliziert erreichbar zu sein“, erläutert die Hamburger Pastorin Emilia Handke, Initiatorin des Projekts "st.moment", die Idee. „Wir wollen eine Kirche für Menschen von heute sein.“