24. Februar 2018 | St. Jacobi Hamburg

"Christus ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden!"

Bischof Gothart Magaard
Bischof Gothart Magaard© Tim Riediger / Nordkirche

24. Februar 2018 von Gothart Magaard

Predigt über Lukas 24,13–35 im Rahmen des Pilgergottesdienstes

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch. Amen.

Liebe Gemeinde,

„Vertraut den neuen Wegen“ haben wir eben gesungen.
Und zwei Wanderer stehen im Mittelpunkt des Evangeliums, das wir zuvor gehört haben.
Zwei Menschen, die einen neuen Weg einschlagen müssen.
Emmaus ist ihr Ziel, doch entscheidend ist hier nicht, wohin sie gehen, sondern, was sie hinter sich lassen.

Sie gehen weg. Sie kehren Jerusalem den Rücken. Der Heiligen Stadt. Dem Mittelpunkt ihres Glaubens. Dem Ort, an dem Gott anwesend geglaubt wurde, an dem sich die alten Verheißungen erfüllen sollten.

Doch ihr Jerusalem ist kein Hoffnungsort mehr – nein. Es ist Golgatha. Schädelstätte. Verbrannte Erde. Der Ort, an dem die Hoffnung gestorben ist. An dem es nichts mehr zu glauben gibt.

Der Ort, an dem sich der Himmel nicht geöffnet hat, sondern der Mensch am Kreuz gestorben ist.

Ausgebrannt machen sie sich auf diesen Weg. „Wir aber hofften, er sei es, der Israel erlösen werde.“ – in diesem einen Satz hören und spüren wir, was sie verloren haben und was in ihnen gestorben ist, mit diesem Tod am Kreuz.

Liebe Schwestern und Brüder, zwei Wanderer sind auf dem Weg. Es ist in dieser Erzählung kein verheißungs-, kein hoffnungsvoller Aufbruch. Es ist eine Rückkehr. Die brennende Erwartung ist erloschen. Die Hoffnung wird auf den Alltagsmodus heruntergefahren.

Ist auch dies der Beginn eines Pilgerweges?

Obwohl sie sich doch vom religiösen Zentrum entfernen? Obwohl sie enttäuscht sind, nicht offen für neue Begegnung? Obwohl die Osterbotschaft, die sie doch längst gehört haben, nicht zu ihnen durchdringt?

Ja, liebe Gemeinde, es ist für mich eine Pilgergeschichte. Denn gerade in diesen Wanderern finden sich die Menschen wieder, die sich auf den Weg machen und kein klares Ziel vor Augen haben.

Auch und gerade die, die der Religion skeptisch begegnen, die Enttäuschungen erlebt haben, deren Lebens- und Sinngebäude Risse bekommen haben oder zusammengebrochen sind – und die zunächst weggehen, ohne ein klares Ziel vor Augen zu haben.

Pilgern bedeutet, sich auf den Weg einzulassen. Schritt für Schritt. Atemzug für Atemzug. Den eigenen Herzschlag zu spüren, ihm nachzuspüren. Den eigenen Blick schweifen zu lassen. Das eigene Tempo zu finden. Und in der Stille, in der Begegnung mit anderen wieder offen zu werden für das Leben und dann, zu seiner Zeit, auch für den Glauben, für die Begegnung mit Gott. Vertraut den neuen Wegen …

 Und so auch hier: Die Wege kreuzen sich. Ein unbekannter Fremder tritt hinzu und zuerst hört er zu.

Und dann wird er unwillig. Fast bricht es aus ihm heraus: „O ihr Toren, zu trägen Herzens, all dem zu glauben, was die Propheten geredet haben! Musste nicht Christus dies erleiden und in seine Herrlichkeit eingehen?Und er fing an bei Mose und den Propheten und legte ihnen die Schrift aus.“ –

Dieser Mensch, der ihnen unverhofft auf ihrem Weg begegnet, verschafft den Wanderern die nötige Distanz zu sich selbst. Er sieht mit ihnen noch einmal genau hin. Er blickt in die alten Schriften und fragt, ob die Zukunft wirklich so klar, so siegreich verheißen war, wie sie es gehofft hatten; ja wie sie es vielleicht einfach hören wollten.

Er hinterfragt ihre Vorstellungen vom Christus. Er fragt, ob es wirklich Grund zur Hoffnung gab, dass er unberührt von den Tiefen des Lebens, schön und stark, zum Erlöser Israels werden sollte.

Und die beiden Wanderer scheinen gemerkt zu haben, dass ihnen dieser Blick von außen hilft.  Denn mit dieser Begegnung wächst in den beiden Jüngern eine neue Erwartung, und zwar eine erdverbundene.

Sie werden bereit, sich wieder gedanklich mit ihren alten Schriften auseinanderzusetzen. Sie sind offen für einen anderen Blick. Für die Erkenntnis, dass die Enttäuschung – wie wir Menschen so oft, aber immer erst im Nachhinein erkennen – heilsam gewesen ist, weil sie von den selbstgemachten Täuschungen und Trugbildern befreit.

Weil sie, im Wortsinn eine „ENT-Täuschung“ ist.

Denn Menschen legen sich immer wieder zu leicht fest, auch in der Weise, wie sie die Schriften lesen. Ja, sie neigen dazu den Sinn vorher festzulegen, hören nur noch, was sie hören wollen. Und damit droht ja auch eine Glaubensenge, auf der kein Segen liegt.

Es braucht die Begegnung, das gemeinsame Lesen und Hören, das miteinander Hinsehen und Hinhören. Und indem die Emmaus-Jünger genau das auf ihrem Weg erleben und ihre Hoffnung und Erwartung und ihr Vertrauen auf Gottes Geschichte mit seinen Menschen wieder wächst, wird diese Geschichte zu einer Geburtsgeschichte der Kirche.

Denn Kirche, das ist vom Beginn an Lesegemeinschaft und Weggemeinschaft, Vergewisserung der Weggefährten und Weggefährtinnen im Hören, im Angesprochen werden durch die alten Worte und im Aussprechen der eigenen Erfahrung. Doch ist damit nicht alles über sie gesagt:

Einen zum Essen einladen, ist ein guter Schritt, um ihn noch näher kennenzulernen. Sie müssen den fremden Wanderer nötigen, zu bleiben – heißt es in der Erzählung, und man merkt, wie vorsichtig sich der Auferstandene seinen Jüngern nähert. Er gibt ihnen Zeit.

Und es geschah, als er mit ihnen zu Tisch saß, nahm er das Brot, dankte, brach's und gab's ihnen. Da wurden ihre Augen geöffnet und sie erkannten ihn. Und er verschwand vor ihnen. Und sie sprachen untereinander: Brannte nicht unser Herz in uns, als er mit uns redete auf dem Wege und uns die Schrift öffnete?

Jetzt ist die Klarheit wirklich da, wie so oft erst im Nachherein. Christus hat ihnen Anteil an seinem neuen Leben gegeben, indem er Anteil an ihrem Leben genommen hat und indem er es wie schon zuvor ganz mit seinem neuen Geist durchdrungen hat.

Die Stärkung dieses Abendmahls ist mehr als die Beseitigung des Hungergefühls, sie ist Lebensbestätigung.

Die Botschaft dieser Begegnung lautet:

„Ihr lebt, in der Hoffnung auf Gottes Reich!

Ihr lebt, in der Gemeinschaft mit den Hoffnungslosen und Ausgegrenzten!

Ihr lebt als geladene Gäste an Gottes Tisch, die sich selbst den Glauben nicht zutrauen!“

Und diese Tischgemeinschaft soll fortgesetzt werden, unter dem Vorzeichen der Auferstehungserfahrung.

Das, liebe Gemeinde, erfahren sie in der Herberge – in der die Gastgebenden selbst gestärkt werden. Solche Herbergen der Christenheit, Orte der Begegnung und des Austauschs, der Gastfreundschaft, brauchen wir auch in unserer Zeit.

Darum freue ich mich, dass wir heute dieses Jubiläum hier in der St. Jacobi-Kirche, feiern: 10 Jahre gibt es unser Pilgerzentrum im Norden in der St. Jacobi-Kirche nun schon. Einen Ort des Innehaltens und Zu-Sich-Kommens, der Begegnung mit anderen Menschen.

Ein Ort, eine Herberge am Wegesrand für die, die sich auf den Weg gemacht haben oder machen möchten. Gestaltet von vielen ehrenamtlich Engagierten, von unserem Pilgerpastor Bernd Lohse und seiner Assistentin Claudia Exner, die mit brennenden Herzen offen sind für die, die ihnen begegnen und diesen besonderen Ort aufsuchen.

Und so danke ich Ihnen allen heute im Namen unserer Nordkirche dafür, dass Sie diesen Dienst wahrnehmen und immer neue und im wahrsten Sinne des Wortes „wegweisende“ Ideen entwickeln, wie z.B. die

Pilgerwanderung „Schweigend um die Alster“, an der ich gern teilnehmen würde, wenn der Fußweg aus Schleswig nicht zu weit wäre, um ihn zweiwöchentlich zu schaffen...

Aber, liebe Schwestern und Brüder, dankbar bin ich heute auch dafür, dass wir diesen Tag in ökumenischer und internationaler Verbundenheit mit so Vielen feiern können. Gerade in dieser Zeit, in der manches in unserer Gesellschaft und unserer Welt an Miteinander und Gemeinschaft nicht mehr selbstverständlich scheint, ist es wichtig zu erfahren, gemeinsam auf dem Weg zu sein! Und so freue ich mich über viele Pilgerprojekte an ganz unterschiedlichen Orten, die im Rahmen der Pilgermesse Informationen anbieten . Es gehört zu meinen schönen bischöflichen Aufgaben, gelegentlich Pilgergruppen im Schleswiger Dom zu treffen und ihnen einen Reisesegen zuzusprechen.

Liebe Festgemeinde,

Und sie standen auf zu derselben Stunde und kehrten zurück nach Jerusalem …“ Die Begegnung endet mit brennenden Herzen, einem offenen Himmel und einem Richtungswechsel im Leben.

An ihrem Tiefpunkt, auf dem Weg von Jerusalem nach Emmaus ist die enttäuschte Hoffnung umso lebendiger geworden. Die beiden Wanderer wollten das Grab hinter sich lassen, indem sie Jerusalem hinter sich ließen – und nun können sie ihren Freunden erzählen:

Fast hätten wir unser Leben zur Wallfahrt zu unserem eigenen Grab gemacht. Zum Grab unserer Hoffnung. Zum Grab unseres Glaubens an den, von dem wir hofften, er sei es, der Israel erlösen werde. Doch Gott hat sich davor gesetzt und sprach: Ihr habt dort nichts verloren. Christus ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden.“

Mit diesen Worten im Ohr und im Herzen, mit dieser Hoffnung und diesem Vertrauen, sind wir auf dem Weg.

Vertraut den neuen Wegen...Gott selbst kommt uns entgegen, die Zukunft ist sein Land,“ als Zuruf und Zuspruch, als Ermutigung und Stärkung. In unseren Alltagen und den besonderen Auszeiten, auf unseren Wegen mitten in dieser Welt.

Mit brennenden Herzen und angesichts des offenen Himmels hören und spüren wir heute miteinander diese Worte:

Christus ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden!

Amen. 

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