Sonntag, 28. November 2021 (1. Advent 2021) | St. Nikolaikirche, Kiel

„Da machte Gott der Herr den Menschen aus Staub von der Erde und blies ihm den Atem des Lebens ein“. Genesis 2, 4-9.15

Blick in den Chorraum der Nikolaikirche in Kiel, im Vordergrund Blumen und Lesepult
Blick in den Chorraum der Nikolaikirche in Kiel, im Vordergrund Blumen und Lesepult© Antje Wendt, Nordkirche

28. November 2021

Predigt im Rahmen des Gottesdienst zur Eröffnung der 63. Aktion „Brot für die Welt“

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit euch!

Liebe Gemeinde!

Heute feiern wir den Beginn der Adventszeit. Für viele eine Zeit der Vorfreude, der Vorbereitung und Besinnlichkeit. Wir genießen die Musik und die Begegnung mit lieben Menschen und eine Zeit, Gutes zu tun. Die Adventszeit lädt uns mit ihren Liedern und Texten dazu ein, Gott den Weg zu bereiten für sein Kommen in die Welt.

„Macht hoch die Tür, die Tor macht weit, es kommt der Herr der Herrlichkeit“, so haben wir miteinander gesungen. Und der da kommt, wird näher beschrieben: Ein König, der Heil und Leben mit sich bringt. „Er ist gerecht, ein Helfer wert, Sanftmütigkeit ist sein Gefährt, sein Königskron ist Heiligkeit, sein Zepter ist Barmherzigkeit. All unsere Not zum End er bringt“.

„All unsere Not zum End er bringt“ – im Jahre 1623 hat Georg Weisel diesen Text geschrieben, also mitten im 30-jährigen Krieg. In Königsberg, wo Weisel Pastor war. Der Anlass war die Einweihung seiner neu gebauten Kirche im Advent. „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit“.

Es gibt dazu eine Geschichte, die davon berichtet, dass dieses Lied erstmals nicht in dieser Kirche gesungen wurde, sondern vor dem Gartentor eines Geschäftsmanns. Dieser hatte ein großes Grundstück erworben und wollte die Bewohner eines benachbarten Hauses für alte und kranke Menschen nicht über sein Grundstück zur Kirche gehen lassen. Deshalb baute er einen Zaun um das Grundstück mit einem fest verschlossenen Tor. Der Umweg war für viele dieser alten und geschwächten Menschen aber schlicht zu weit. Deshalb zog Pastor Weisel am 4. Advent 1623 mit den Leuten vor das verschlossene Tor, hielt ein kurze Ansprache und sprach den Geschäftsmann direkt an: „Heute steht der König der Könige vor eurem verriegelten Tor. Und ich rate euch, ich flehe euch an: Öffnet ihm nicht nur dieses sichtbare Tor, sondern auch das Tor eures Herzens und lasst ihn demütig mit Freuden ein…“ Anschließend begann der Chor der Alten, Armen und Kranken, dieses Lied zu singen: „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit! Es kommt der Herr der Herrlichkeit!“ Dem Geschäftsmann blieb nichts anderes übrig, als die Tür für die Menschen zu öffnen. Und: er schloss sie nie wieder ab!

Man kann diese Geschichte mit Happy End sicher auch kritisch hinterfragen: Ist sie nicht zu schön, um wahr zu sein? Und war es nicht das gute Recht des Geschäftsmannes, den Zaun zu ziehen? Und wurde er durch den Pastor mit seiner Predigt nicht unangemessen unter Druck gesetzt?

Mir gefällt die Geschichte trotzdem, weil sie zeigt, dass das Kommen Gottes in die Welt Veränderung bedeuten kann – Umkehr könnten wir auch sagen. Und die Adventszeit ist in christlicher Tradition eben auch eine Zeit der Besinnung und der Umkehr. Daher hat die Eröffnung der Aktion Brot für die Welt ihren richtigen Ort am 1. Sonntag im Advent.

„Eine Welt. Ein Klima. Eine Zukunft“ so lautet das Thema des diesjährigen Spendenaufrufs von Brot für die Welt. Das Motto erinnert uns daran, dass viele Menschen im globalen Süden unserer Erde schon jetzt massiv unter den Folgen des Klimawandels leiden. Dürreperioden einerseits und sintflutartige Überschwemmungen andererseits bedrohen ihr Leben. Ihre Zukunftsperspektiven sind düster.

Im vergangenen Sommer haben auch wir die zerstörerischen Folgen des Klimawandels mit den Fluten im Ahrtal in unserem Land erlebt und können noch besser ermessen, was die Menschen im globalen Süden schon länger erleiden müssen. Und das, obwohl sie am wenigsten zur Erderwärmung beigetragen haben, im Gegensatz zu uns auf der nördlichen Halbkugel Die Klimafrage ist deshalb global auch eine Gerechtigkeitsfrage.

Als Christenmenschen sind wir davon überzeugt, dass die Erde Gottes gute Schöpfung und den Menschen von Gott anvertraut ist. Gott hat die Welt erschaffen, um Menschen, Tieren und Pflanzen einen Lebensraum zu geben. Diesen Lebensraum zu bewahren, ist Aufgabe des Menschen. So ist es auch in den beiden biblischen Schöpfungsgeschichten beschrieben.

In der weniger bekannten zweiten biblischen Schöpfungsgeschichte heißt es im 1. Buch Mose Kapitel 2:4Es war zu der Zeit, da Gott der Herr Erde und Himmel machte. 5Und alle die Sträucher auf dem Felde waren noch nicht auf Erden, und all das Kraut auf dem Felde war noch nicht gewachsen. Denn Gott der Herr hatte noch nicht regnen lassen auf Erden, und kein Mensch war da, der das Land bebaute; 6aber ein Strom stieg aus der Erde empor und tränkte das ganze Land.

7Da machte Gott der Herr den Menschen aus Staub von der Erde und blies ihm den Atem des Lebens in seine Nase. Und so ward der Mensch ein lebendiges Wesen.“

8Und Gott der Herr pflanzte einen Garten in Eden gegen Osten hin und setzte den Menschen hinein, den er gemacht hatte. 9Und Gott der Herr ließ aufwachsen aus der Erde allerlei Bäume, verlockend anzusehen und gut zu essen, und den Baum des Lebens mitten im Garten und den Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen.15Und Gott der Herr nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, dass er ihn bebaute und bewahrte.“

Im alten Orient wussten die Menschen, dass Leben nur da möglich ist, wo es Wasser gibt. Wo es zumindest gelegentlich regnet oder wo es Quellen gibt. Wasser ist das erste Gottesgeschenk, das Leben möglich macht. Ohne Wasser kein Leben.

„Da machte Gott der Herr den Menschen aus Staub von der Erde und blies ihm den Atem des Lebens ein“.

Dies ist ein Bild dafür, wie eng der Mensch mit der Erde und mit dem Schöpfer verbunden ist. Von der Erde ist er genommen. Gottes Atem lässt ihn lebendig werden. Im Hebräischen heißt „ der Mensch“ „adam“ und die Erde „adamah“. Mit dem Wortspiel könnte man sagen, dass der Mensch ein Erdling ist, dass der Mensch und die Erde zusammengehören und nur aufeinander bezogen leben können.

Und weiter wird berichtet, dass Gott einen Garten pflanzte in Eden und den Erdling nahm und ihn in den Garten setzte – mit dem Ziel, ihn zu bebauen und zu bewahren.  

Bebauend und bewahrend soll der Mensch daran arbeiten, dass die Erde kultiviert und nutzbar wird und dass sie in ihrem Reichtum und ihrer Vielfalt erhalten bleibt.

Bebauen und bewahren – das sind entscheidende Stichworte auch für uns. Eben nicht Ausbeutung und Flächenverbrauch um jeden Preis. Dazu passt nicht die Verschmutzung der Gewässer und Meere. Bebauen und bewahren heißt auch, auf die Klimafolgen unseres Wirtschaftens und unseres Lebensstils zu achten.  

Jugendliche stellen weltweit sehr konkrete Fragen und fordern ein energisches Handeln der Politik und ganzer Gesellschaften. Es wird dabei immer deutlicher, dass die kommenden zehn Jahre darüber entscheiden werden, ob das 1,5 Grad Ziel noch erreicht werden kann. Deshalb wurde in Glasgow hart verhandelt und auch in Berlin und bei uns im Norden. Deshalb wird in Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft daran gearbeitet, wie es gelingen kann, den Klimawandel zu begrenzen. Auch als Kirchen werden wir befragt und arbeiten daran, wie wir die Treibhausemissionen deutlich verringern können.

Letztlich geht es auch darum, wie wir uns alle in unserem Alltag verhalten und welchen Beitrag wir zu leisten bereit sind. Die Jugendlichen von Klimasail haben uns gute und wichtige Fragen gestellt, z.B. :

Was brauche ich, um glücklich zu sein?

1,5 Grad maximal! Was ist dein Ziel und dein Beitrag?

Muss jede*r ein Auto haben?

 

Ich sehe Hoffnungszeichen darin, dass Ihr von Klimasail euch sehr engagiert für den Klimaschutz einsetzt. Hoffnungszeichen auch in den Menschen, die in den bedrohten Regionen mit innovativen Ideen und neuen Konzepten gegen die Auswirkungen von Dürre und Überschwemmung arbeiten und den Hunger bekämpfen. Viele von ihnen sind Partnerinnen und Partner von ´Brot für die Welt´.

Hoffnungszeichen auch bei den Politikern und Politikerinnen, die sich den Klimaschutz nicht nur auf ihre Fahnen schreiben, sondern engagiert in den Zielkonflikten nach Lösungen suchen.

Bei vielen Mitbürgerinnen und Mitbürgern ist inzwischen die Einsicht gewachsen, dass dem Klimaschutz höchste Priorität eingeräumt werden muss, sowohl politisch wie auch privat, sowohl global wie lokal.

Und auch die Spendenaktion von „Brot für die Welt“ unter dem Motto „Eine Welt – ein Klima – eine Zukunft“ ist ein wichtiger Schritt. Sie weitet unsere Perspektive für Menschen, die weit entfernt unter ganz anderen Bedingungen leben müssen. Auch das ist ein Beitrag für die Hoffnung, dass sich mehr bewegen lässt.

„Macht hoch die Tür, die Tor macht weit“ – dieses schöne Adventslied von dem kommenden König haben wir vorhin gesungen. Und wir haben gehört, dass die Adventszeit auch eine Zeit der Besinnung und Umkehr ist. Dass auch wir darüber nachdenken, wo wir blind sind. Und über die Frage: Was brauche ich wirklich, um glücklich zu sein?

In der 3. Strophe heißt es ganz zuversichtlich: „Oh wohl dem Land, o wohl der Stadt, so diesen König bei sich hat. Wohl allen Herzen insgemein, da dieser König ziehet ein.“ Darauf können wir hoffen, dass Gott uns entgegen kommt und uns sieht mit all unseren Sorgen und unserer Not. Dass er uns freundlich anblickt, und Veränderung möglich ist. Was für eine ermutigende Perspektive, auch für einen Ministerpräsidenten und Oberbürgermeister!   

In der letzten Strophe verändert sich der Ton erneut: Nachdem der Einzug des neuen Königs und sein vielfältiges Wirken angekündigt wurde, folgt nun eine sehr persönliche Strophe als ein Zwiegespräch, ein Gebet, in das wir nun einstimmen:

„Komm, o mein Heiland Jesu Christ, meins Herzens Tür dir offen ist. Ach zieh mit deiner Gnade ein, dein Freundlichkeit auch uns erschein. Dein Heilger Geist uns führ und leit, den Weg zur ewgen Seligkeit. Dem Namen dein, o Herr, sei ewig Preis und Ehr.“

Amen.

 

 

Datum
28.11.2021
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