12. März 2021 | Dom zu Schwerin

„Da wohnt ein Sehnen tief in uns“ – 1 Jahr Leben mit Corona

12. März 2021 von Kristina Kühnbaum-Schmidt

Predigt zu Matthäus 14, 24-33 | Ökumenischer Gottesdienst im Gedenken an die Corona-Verstorbenen mit Bischof Tilman Jeremias, Erzbischof Dr. Stefan Heße (Erzbistum Hamburg), Erzbischof Dr. Heiner Koch (Erzbistum Berlin), der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) und Manuela Schwesig, Ministerpräsidentin des Landes Mecklenburg-Vorpommern

I
Alles schwankt.
Kein Boden unter den Füßen.
Untergang droht.
Die Stürme des Lebens toben.
Wie soll es weitergehen?
Wird es überhaupt weitergehen?

Viele von uns haben in ihrem Leben
Phasen erlebt, in denen sie ihr Lebensgefühl
genau so in Worte gefasst hätten.
Manchmal verbunden mit der verzweifelten Feststellung:
Ich weiß nicht mehr weiter.
Jetzt ist alles vorbei.
Da war die bestürzende Krankheitsdiagnose.
Oder der schreckliche Unfall.
Der Verlust des Arbeitsplatzes.
Mobbende Kollegen.
Seelische Belastungen, die nicht mehr zu ertragen waren.
Alles erschien unsicher, unkalkulierbar.
Außer Kontrolle geraten.
Und man selbst dabei klein und hilflos,
ohnmächtig ausgeliefert.

Eine das Leben erschütternde und vieles in Frage stellende Erfahrung,
wie sie sonst Einzelnen oder kleinen Gruppen begegnet und widerfährt,
hat uns mit dem Beginn der Corona-Pandemie
alle zur gleichen Zeit,
hat uns als Gemeinschaft erschüttert.
Und niemand – weder in unserem Land, noch in Europa, noch weltweit -
ist von dieser Erschütterung ausgenommen.
Kein Lebensalltag blieb von Covid 19
und den Folgen der Pandemie unberührt.
Bis heute.
An alle, die besonders betroffen sind,
deren Trauer und Schmerz,
deren Belastungen und Sorgen
kein Ende zu nehmen scheinen,
haben wir zu Beginn dieses Gottesdienstes gedacht.
Wir haben Kerzen für sie entzündet.
Für sie gebetet.
Und wir haben sie Gott ans Herz gelegt.

II
Alles schwankt.
Kein Boden unter den Füßen.
Wie soll es weitergehen, wie wird es weitergehen?
In und mit einer Situation,
die sich verändert –
mit jetzt wieder steigenden Infektionszahlen,
aber zugleich Möglichkeiten zur Pandemiebekämpfung,
wie sie uns erst in diesem Jahr zur Verfügung stehen:
Schnelltests, Selbsttests, Impfungen.
Wie soll es weitergehen, wie wird es weitergehen?

Wir haben in diesem zurückliegenden Jahr,
diesem Jahr mit Corona, getan,
was Menschen tun,
wenn ihnen Erschütterndes widerfährt.
Wir haben einander beigestanden, so gut es eben ging.
Und gespürt, wie gut uns das allen tut.
Wir haben die Situation analysiert.
Immer wieder.
Haben Theorien gebildet, Erklärungen versucht
und Auswege gesucht.
Und vieles dabei geschafft.
Zum Beispiel: Impfstoffe entwickelt – in rasender Geschwindigkeit.
Wir haben immer wieder nach Wegen gesucht.
Haben um diese Wege gestritten.
Und haben ausprobiert, was wie gehen kann.
Manchmal erfolgreich,
und manchmal mussten wir – leider –
wieder neu beginnen.

In all dem steckt Lebenserfahrung,
Wort und Tat werdende Zuversicht:
Wir werden die Situation bestehen.
Trotz Bedrohung, Angst und Unsicherheit.
Mehr oder weniger suchen und finden wir Wege auch aus dieser Krise,
finden wir Lösungen für unser Leben in der Pandemie –
und irgendwie auch neuen Halt.
Und hier und da werden sich auch Möglichkeiten auftun,
die jetzt noch unsichtbar und verborgen sind.

Ja, Lebenserfahrung spricht dafür, dass es so sein kann.
Was aber diese Lebenserfahrung speist,
ist die ungeheure Hoffnung,
die die Geschichte der Sturmstillung trägt:
Der Sturm legt sich wieder.
Das tosende Meer beruhigt sich.
Das schwankende Boot voller ängstlicher Menschen
geht nicht unter.
Und auch dem in hohen Wellen versinkenden Petrus
reicht einer die rettende Hand.

III
Der christliche Glaube verbindet diese Hoffnung
aber nicht nur mit Lebenserfahrung.
Er verbindet sie vor allem mit dem und bindet sie an den,
der manchen in den Stürmen des Lebens
nurmehr wie ein gespenstischer Schatten erscheint.
Der aber die erlösenden Worte sagt:
„Seid getrost, ich bin’s.
Fürchtet euch nicht!“.
Und mit seinen Worten den Stürmen des Lebens Einhalt gebietet,
die rettende Hand auch über Abgründe reicht:
Jesus Christus.

Wer sich selbst und das eigene Leben an diesen Namen bindet,
sieht in den Erfahrungen von Rettung und Trost und Bewahrung
inmitten aller Gefährdungen des Lebens
nicht nur menschlichen Erfolg oder puren Zufall.
Sondern vertraut darauf, dass in allem,
auch in den dunkelsten und schwersten Stunden,
Gott uns und das Leben nicht preisgibt.
Sondern mit seinem Leben dafür einsteht,
dass Barmherzigkeit und Mitmenschlichkeit
sich ihren Weg bahnen,
dass die Liebe sich durchsetzt,
dass der Tod nicht das letzte Wort hat.

„Seid getrost, ich bin’s.
Fürchtet euch nicht!“.
Wir erfahren aber auch,
und erleben es gerade in der Pandemie:
Unsere Sehnsucht nach Rettung und Bewahrung
stößt auch an Grenzen.
Oft finden wir Wege,
oft geht es weiter.
Aber wir erleben auch:
die Rettung, wie wir sie ersehnen,
bleibt aus.
Und selbst Christus,
daran denken wir in diesen Wochen der Passionszeit,
ist gestorben in dem Gefühl tiefster Verlassenheit.
Aber mit ihm,
über den als erstem der Tod nicht das letzte Wort hatte,
mit ihm und seinem Namen
verbindet sich eine Hoffnung,
die unsere menschliche Erfahrung,
unsere menschlichen Möglichkeiten, weit übersteigt:
Die Hoffnung,
dass Gott uns mit Leben überrascht.
Immer wieder.
Auch dort,
wo wir es uns nicht vorstellen können.
Und auf eine Weise,
wie sie sich unseren Erfahrungen,
selbst unseren kühnsten Träumen, entzieht.

IV
Der Boden unter den Füßen mag wie weggezogen sein.
Und alles kann ins Schwanken geraten.
Aber in allem sind wir gehalten und getragen:
von Gottes unendlicher Liebe.
Sind darin „wunderbar geborgen…“

Der Glaube an Gott, das Vertrauen auf Christus
erklärt uns nicht bis ins Einzelne, was geschieht.
Und er hat auch keine Patentrezepte bereit,
was wir genau tun müssen,
um unseren Lebensalltag zu gestalten
oder um in einer Pandemie zu bestehen.
Aber der Glaube hilft,
auch und gerade angesichts des Unerklärlichen,
auch und gerade angesichts von Leid und Trauer
mit all dem zu leben, ohne sich damit abzufinden.
Der Glaube hilft, auf die Liebe zu setzen.
Auf Barmherzigkeit und Mitmenschlichkeit.
Der Glaube hilft, uns an Gott zu orientieren
und so das Leben nicht preis-
und unser Miteinander nicht aufzugeben.
Er hilft uns, zu leben.
Aus der Hoffnung und auf die Hoffnung hin,
die Gottes Leben schaffende Liebe ist.

Darum, auch heute und hier:
Lebt in dieser Hoffnung.
Gebt, wo immer ihr könnt,
diese Hoffnung und Liebe weiter.
Denn so spricht Christus:
„Seid getrost, ich bin’s.
Fürchtet euch nicht!“.

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