7. Juni 2018 | Kirche Marnitz

Das Glück liegt im Miteinander

07. Juni 2018 von Andreas von Maltzahn

Predigt zu Lukas 19,1-10 im Festgottesdienst nach Abschluss der Kirchensanierung

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.


Liebe Festgemeinde!

Ich freue mich, heute gemeinsam mit Ihnen diesen Gottesdienst zu feiern – nicht nur, weil es immer schön ist, zu fröhlichen Ereignissen eingeladen zu werden. Ich bin begeistert über all das, was Sie seit meinem letzten Besuch hier in Marnitz geschafft haben! Damals war das Pfarrhaus gerade verkauft worden, und damit auch die Räumlichkeiten für die Gemeindearbeit. Die Kirche war in einem miserablen Bauzustand. Es schien, als würde kirchlich alles den Bach heruntergehen. Aber Sie wollten das nicht zulassen. Sie haben angefangen, von einem Gemeindezentrum in dieser Kirche hier zu träumen und haben mit Geduld und Beharrlichkeit daran gearbeitet, dass dieser Traum wahr wird.

Wie viel ist seitdem geschehen: Zuerst wurde die Gebäudehülle und das Dach instandgesetzt, danach der Innenraum. Schließlich wurden die Gemeinderäume mit Gas, Wasser, Toiletten und WLAN geschaffen. Neues Leben ist in dieses Kirchgebäude eingezogen: Schon jetzt gibt es neben den Gottesdiensten in der Kirche einen Kindertreff, Familienfrühstück, Seniorenkreis, Lesekaffee, Filmklub und Konfirmandenunterricht. Das ist doch eine tolle Erfahrung für alle Beteiligte, dass man im guten Miteinander etwas Zukunftsweisendes auf den Weg bringen kann! Pastor Kloss hat mir erzählt, dass das ganze Dorf mitgezogen hat – auch um für das Dorf einen neuen Treffpunkt im Sommer und im Winter zu schaffen, besonders Bürgermeister Buchholz und die freiwillige Feuerwehr. Der Kirchgemeinderat mit Pastor Kloss und Gärtnermeister Prieß an der Spitze haben gemeinsam mit den Baubeauftragten Frau Gladasch und Herrn Liedtke in vielen Beratungen Schwierigkeiten überwunden, so dass Marnitz heute guten Grund zum Feiern hat.

So möchte ich an dieser Stelle sehr herzlich allen danken, die sich in den vergangenen Jahren so großartig engagiert haben: Ob bei Arbeitseinsätzen oder durch Geldspenden oder das Gebet um Gottes Segen – Sie haben Erstaunliches bewirkt und damit auch das Zeichen gesetzt: Wir können etwas bewegen! Wo ein Wille ist, findet sich auch ein Weg! Auch wenn die Zeiten nicht einfach sind – mit Beharrlichkeit und langem Atem können wir erhalten und an die nächsten Generationen weitergeben, was uns von unseren Vorfahren hinterlassen wurde. Und wenn vor kurzem nebenan der neue Dorfkonsum eröffnet wurde, dann rücken Kirche und Kommune noch mehr zusammen.

Festtage wie heute lassen uns spüren: Das Leben ist mehr als Mühe und Arbeit und ein wenig Zerstreuung. Wir sind fähig, Schönheit zu erleben. Wir sind in der Lage, Verantwortung zu übernehmen. In der Marnitzer Geschichte hat es immer wieder Höhen und Tiefen gegeben. Aber nach jedem Tal ging es auch wieder bergauf. Immer wieder fanden sich Menschen, die den Dingen nicht einfach ihren Lauf ließen, sondern Verantwortung übernahmen – so wie Ihre Generation jetzt Wesentliches für die Zukunft dieser Kirche geleistet und damit ja auch für die Lebensqualität dieses Ortes getan hat und tut. Ja, es ist gut, sich nicht lähmen zu lassen von der Sorge, was in der Zukunft sein wird. Jeder Tag hat seine Plage – und seine Chancen! Tun wir also, was jetzt dran ist! 

Viele gesellschaftliche Veränderungen hat diese Kirche erlebt: Fürstenzeit und Weimarer Republik, Faschismus. Im von Deutschland entfesselten II. Weltkrieg verloren viele Menschen ihr Leben oder erlitten Gewalttat und schlimmes Unrecht. Viele verloren ihre Heimat und kamen – wie die Familie meiner Mutter – als Flüchtlinge nach Mecklenburg. In dieser Zeit verdoppelte sich die Einwohnerschaft Mecklenburg-Vorpommerns auf rund zwei Millionen. Das waren wirklich Flüchtlingsströme! Unser Land hat das damals nicht nur verkraftet, sondern ist durch diese Menschen bereichert worden.

Viele Veränderungen hat die Marnitzer Kirche überdauert: Bodenreform und Kollektivierung in der Landwirtschaft, 40 Jahre DDR, dann die friedliche Revolution und die Vereinigung der beiden Deutschland – es waren schon sehr bewegte Jahrhunderte, Zeiten, die die Menschen in immer neue Veränderungen und Herausforderungen stürzten.

In all dem Wandel blieb eins unverändert – die frohe Botschaft von der Zuneigung Gottes zu uns Menschen. Auch hier in der Marnitzer Kirche wird sie in jedem Gottesdienst gelesen und verkündigt. Diese Güte Gottes, seine Zuneigung ist auch Thema des heutigen Evangeliums. Es erzählt zugleich davon, wie wenig selbstverständlich Gemeinschaft unter Menschen ist: Zachäus, der Zöllner, gehörte ganz und gar nicht dazu. Er war ausgeschlossen. Die Gründe dafür – oberflächlich gesehen – lagen darin, dass er sich der römischen Besatzung dienstbar gemacht hatte. Als Steuereinnehmer presste er seine Mitmenschen aus. Aber das ist nur die Außenseite. Niemand wird als Leuteschinder geboren.

Manchmal gibt es in der Seele eines Menschen etwas, das ihn innerlich beschädigt;     
ein Trauma oder eine Angst zum Beispiel, die alles überlagert und vergiftet:
z. B. die Angst, das Leben zu versäumen, die Angst, das Entscheidende könnte an einem vorbeigehen:         
Menschen, die nichts auslassen, um ja nichts zu verpassen; atemlos  jagen sie dem Glück hinterher
Mütter oder Väter, die nicht den Beruf ergreifen konnten, von dem sie geträumt hatten (für sie wie eine unheilbare Wunde)
und nun setzen sie alles daran, dass ihr Kind seine Chancen ergreift, vielleicht sogar die von ihnen gewünschte Laufbahn wählt,
meinen, das Beste für ihr Kind zu tun; 
doch damit nehmen sie ihm die Freiheit das zu finden, was ihm entspricht, so wird das Kind gefangen genommen von dem, was in der Seele des Vaters, der Mutter nicht geheilt ist
Ob auch Zachäus ein solcher Mensch war? Wir wissen nicht viel von ihm: kleinwüchsig, aufs Geld aus, ließ sich mit den römischen Besatzern ein, trieb mehr Steuern ein, als es rechtens war... Ob es übergroße Sehnsucht nach Beachtung war, die ihn trieb?
„wenn nicht beliebt, dann wenigstens verhasst – gar nicht beachtet zu werden, ist noch schlimmer“, hat er sich vielleicht irgendwann gedacht...
die Leute schnitten ihn, drehten ihm den Rücken zu als Jesus, der berühmte Wanderprediger kommt, lassen sie ihn nicht durch, lassen ihn nichts sehen.
Eine festgefahrene Situation: da lebt nichts mehr zwischen Zachäus und den Leuten.
Jeder ist festgelegt auf seine Rolle, keiner kommt da raus – weder Zachäus noch die anderen                                                                        Zachäus klettert sogar auf einen Baum, um etwas zu  sehen – so sehr erniedrigt er sich vor den Leuten
Aber dann die überraschende Wende:
Jesus, der sich nicht darum schert, was die Leute sagen, dem es wichtiger ist, das zu heilen, was Menschen zerstört, was sie mitten im Leben ums Leben bringt – dieser Jesus durchbricht die Mauer, die Zachäus umgibt. Er will sein Gast sein, ihm nahe kommen. Nicht beim Bürgermeister, nicht beim Ortsgeistlichen nimmt er Quartier, sondern bei dem Menschen, wo jeder sagt: „Das geht ja gar nicht!“

Aber gerade dadurch ist der Teufelskreis aus Ablehnung und Selbstsucht durchbrochen: Jesus schenkt Zachäus Aufmerksamkeit und Beachtung. Und auf einmal kann der ein anderer werden:
Das Geld, das ihm vorher so wichtig war – er teilt es mit vollen Händen aus, hilft Armen und macht früheres Unrecht vierfach wieder gut.
Zachäus ist ein anderer. Er verändert sein Leben.

Schwestern und Brüder, was uns mit dieser Geschichte erzählt wird, ist ein Bild für das, was wir mit Gott erleben können: Wo andere verurteilen, wo wir es manchmal selbst schwer haben, mit unseren Fehlern und Unvollkommenheiten fertig zu werden – da nimmt Gott Menschen so, wie sie sind. Er verdammt sie nicht. Er sieht ihnen ins Herz und weiß, was ihnen fehlt. Es wäre so heilsam, wenn auch wir uns bemühten, nicht über andere den Stab zu brechen!

Ein zweites kommt hinzu: Gott nimmt uns nicht nur an – er traut uns auch zu, dass wir nicht bleiben müssen, wie wir sind. Dass wir uns verändern können! Wo Menschen ihre feste Meinung von uns haben, ja, wir uns selbst vielleicht schon in mancher Hinsicht abgeschrieben haben, da hält Gott es für möglich, dass die Verhältnisse nicht bleiben müssen, wie sie sind. Für Gott müssen wir nicht bleiben, wie wir sind:
Aus einem „Stinkstiefel“ wie Zachäus wird ein gerecht handelnder Mensch. Aus Nachbarn, die sich festgefahren haben in jahrelangen Streitigkeiten, können umgängliche Menschen werden.

Eltern, die glaubten, für ihr Kind nur das Beste zu wollen, erkennen, dass sie ihr Kind freigeben müssen, damit es den Beruf findet, der wirklich zu ihm passt.

Menschen, die nichts ausgelassen haben, um das Leben auf keinen Fall zu verpassen, erkennen: Das Glück liegt darin, sich hinzugeben – an eine lohnende Aufgabe, an Menschen, die ihnen anvertraut worden sind. So finden sie zu einem erfüllten Leben.

Kirchen wie diese hier in Marnitz stehen dafür, dass Angst und Sorge in uns nicht die Oberhand gewinnen müssen. Teufelskreise der Angst, der Missgunst und des Streits können durchbrochen werden. Gottes Güte macht das möglich. Durch seine liebevolle Zuneigung zu uns Menschen kann etwas neu und heil werden in unserer Seele, in unserem Miteinander und auch in unserer Beziehung zu Gott. Verwandlung ist möglich.
Amen.

 

 

 

 

 

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