Vortrag von Jochen Wegner

„Das Internet ist überall”

Jochen Wegner, Chefredakteur Zeit Online
Jochen Wegner, Chefredakteur Zeit Online

18. Mai 2017 von Lena Modrow

„Ich werde oft gefragt, wie es mit dem digitalen Wandel weitergeht”, sagt Jochen Wegner, Chefredakteur von ZEIT online. „Ich sage dann immer: ich weiß es auch nicht so genau.” Eine charmante Untertreibung, die man dem Physiker und Philosophen zwar keinen Moment glaubt. Sein Ansatz ist jedoch überraschend. Jochen Wegner schaut lieber auf das Naheliegende und betreibt eine präzise „Archäologie der Gegenwart”. Auf dem Fachtag „Digitaler Wandel” am 16. Mai in der GLS Bank erzählt er von sieben Begegnungen, die zeigen, wo vielleicht die Zukunft im Digital-Dschungel liegt.

1. Wo ist das Internet?

Wegners Mutter war im Krankenhaus und hatte dahin ihr iPad mitgenommen. Da es aus dem heimischen WLAN raus und das Guthaben auf der Karte offenbar aufgebraucht war, konnte sie nicht mehr ins Internet gehen.

„Ich glaube, mein iPad funktioniert nicht mehr”, sagte Wegners Mutter nur.

Was ihm dabei klar wurde: Seine Mutter geht davon aus, dass etwas wie Internet immer und überall verfügbar ist. Könnte das die Zukunft sein? Wegner: „Eines Tages wird sich niemand mehr Gedanken darum machen, ob man überall Netz hat. Es ist einfach da.”

2. Wir sind prothetische Götter

Es ist schon soweit: Der ein oder andere ist von Zeit zu Zeit mit einem Elektromobil unterwegs, das dank Navi und Tracking den Weg nach Hause weiß, schon vor der Ankunft in der Wohnung weiß das smarte System, dass es in den heimischen vier Wänden die Heizung anstellen muss. Und sogar die Kinder können sich daheim in die Videoanlage einklinken und auf der großen Projektionsfläche an der Wand erscheinen.

Szenen wie in einem Zukunftsroman. Durch die Suche im Internet finden wir auf (fast) alle Fragen eine Antwort. Wegner sagt: „Wir sind prothetische Götter, wir sind längst in einer anderen Zeit. All diese Dinge helfen uns, voranzukommen.”

3. Wie wir lieben

Wegner hat Christian Rudder getroffen, den Erfinder des Dating-Portals "Ok Cupid". Dieses nutzt einen "Matching-Algorithmus", also eine mathematische Formel, um möglichst passende Partner zueinander zu bringen. Diese basiert auf vielen statistischen Daten.

Zum Beispiel: Der Durchschnittsmann erfreut sich an der Durschnittsfrau, die Durchschnittsfrau aber nicht unbedingt am Durchschnittsmann - ihre Ansprüche sind viel höher. Insbesondere Frauen möchten statistisch betrachtet gern einen Mann als Partner, der in Sachen Bildung auf ihrem Level ist oder höher. Da momentan in den USA mehr Frauen als Männer die Unis mit Abschlüssen  verlassen, gibt es aber ein Missverhältnis bei Angebot und Nachfrage. Auch das zeigt die Auswertung vieler Daten.

"Der digitale Wandel kann da nix für", sagt Wegner.  "Es zeigt nur, dass sich ein Missverhältnis entwickelt, wie wir aufeinander zu gehen." Oder globaler ausgedrückt: Die Analyse von großen Datenmengen kann, richtig interpretiert, gesellschaftliche Entwicklungen aufzeigen.

4. Treffen mit William Gibson

Als Wegner den kanadischen Autor William Gibson traf, hatte der gerade ein Buch geschrieben, das einen Plot enthielt, der die Wahl Trumps im Grunde genommen vorweg nahm. "Die Zukunft hat mich beim Schreiben eingeholt", soll Gibson gesagt haben. Ein Bild für den sich beschleunigenden Fortschritt?

5. Was wenn es anfängt zu denken?

Die fünfte Begegnung fand mit dem Architekten von "Betriebssystemen paralleler Welten" statt, die nur über Clouds funktionieren. "Siri" ist so ein Programm, das auf so vergleichsweise kleinen Geräten wie einem Smartphone nur funktioniert, weil über das Netz Informationen aus entsprechenden Datenbanken abgerufen werden. Diese Entwicklung könnte in Zukunft 50 Prozent - wenn nicht sogar mehr - aller Jobs einsparen.

In dieser Welt, in der bestimmte Arbeiten dann von Computern übernommen werden, könnte - so die Vision des Cloud-Architekten - mehr Zeit in Bildung investiert werden. Aber wollen das die Menschen, deren Jobs ersetzt werden sollen? „Was ist ein sinnvolles Leben, wenn meine Arbeit sinnlos wird?”, fragt Wegner. Wenn das Internet langsam anfängt, selbst zu denken, könnte es viel stärker darum gehen, Dinge zu finden und zu erfinden, die künstliche Intelligenz nicht so gut kann. Kunst zum Beispiel. 

6. Was wenn er Hitler ist?

Erst der Brexit, dann Trump. Offenbar nicht ganz unschuldig ist daran ebenfalls: das Internet. "Trump ist nicht denkbar ohne das Netz", sagt Wegner. „Er ist die erste Person, die es geschafft hat, dass sich die Medien die Haare raufen und fragen: Wie konnte das passieren?” Die Begegnung hat Wegner mit dem Titel „Was wenn er Hitler ist?” überschrieben, weil ein Medienvertreter in den USA tatsächlich diese Frage stellte.

7. Die politische Dating-Plattform "#D17"

„Nach 25 Jahren im Netz komme ich darauf: das Beste, was wir machen können, ist das persönliche Gespräch mit Menschen anzustoßen. Besonders dann, wenn sie verschiedener Meinung sind”, sagt Wegner. „Wir glauben, dass gerade ein persönliches, individuelles Gespräch eine Veränderung herbeirufen kann.” 

Aus diesem Grund wurde auf ZEIT online eine Art <link www.zeit.de/politik/2017-05/deutschland-spricht-aufruf-d17 - link-extern>Politische Dating Plattform</link> ins Leben gerufen, die über einen kurzen Fragebogen die Menschen zusammen bringt, die in all den abgefragten Punkten - etwa Flüchtlingspolitik oder Atomausstieg - genau unterschiedlicher Meinung sind. Sie werden sich an einem Stammtisch treffen - wie im echten Leben.

„Sie haben da als Kirche übrigens einen Vorteil: Sie sind vor Ort so gut vernetzt wie wenige andere”, sagt Jochen Wegner zum Schluss, mit Blick auf die Gegenwart.

 

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