10. Februar 2020 | Hauptkirche St. Petri, Hamburg

Vortrag im Petri-Forum zum Vaterunser

10. Februar 2020 von Kirsten Fehrs

Vortrag zur Veranstaltungsreihe "Das Vaterunser – Mein Gebet"

Ich danke herzlich, lieber Hauptpastor Dr. Kruse, lieber Jens-Martin, für die Einladung. Gern bin ich gekommen und sehr gern auch zu diesem Thema, über das sich theologisch sicherlich mehr als Vorträge füllen ließe, ist doch jedes einzelne Wort so kostbar und vielsagend.

Und das ist schon die erste Beobachtung allem voran: Wenn man bedenkt, dass wir in unserer Welt der Vielsager und Lautsprecher täglich einer Flut von Worten ausgesetzt sind, die letztlich leer bleiben und wirkungslos, dann ist das Vaterunser mit seinen 56 Wörtern eine wohltuende Konzentration auf das Wesentliche. Jedes Wort sitzt, hat tiefen Sinn, selbst wenn man es mit einer gewissen Gewöhnung betet und nicht immer jedes Wort mit Herzensbewegung begleitet wird. Die 56 Wörter sind ein Kunstwerk klarer Sprache, ein Gebet mit enormem Tiefgang, das es aushält, wenn es einmal halbherzig, eilig, verhaspelt gesprochen wird.

By the way: Überhaupt sind die wichtigsten Texte der Weltliteratur, abgesehen von Thomas Manns: Joseph und seine Brüder, mit Wörtern so genau wie sparsam, etwa die Menschenrechte. Oder die amerikanische Unabhängigkeitserklärung mit 300 Wörtern. Die angeblich unverzichtbare Verordnung der Brüsseler Kommission für den Import von Karamellerzeugnissen hingegen braucht 26.911 Wörter. Mein Vortrag heute, Sie können sich entspannen, bleibt deutlich drunter …

Das Vaterunser ist gerade in seiner konzentrierten Genauigkeit für mich so wirkkräftig, ist lebendiges, tragfähiges Wort. Wort, das die Seele nährt wie frisches Brot. Dass ich dies in einem Vortrag einmal ganz persönlich beschreiben darf, als „mein Gebet“, dafür bedanke ich mich herzlich. Denn es ist tatsächlich mein Gebet – immer schon gewesen, von Kind an. Nicht nur auswendig gelernt, sondern inwendig verankert. Immer abrufbar, präsent, hilfreich. Wenn die Nerven flattern und Krisen einen schütteln, das Vaterunser bleibt. Es sagt sich sozusagen selbst. Es betet meine Bitten, mein Flehen, meine Freude und meinen Sinn. Und dies nicht nur am Sonntag, am Altar und im Gottesdienst, sondern gerade im Alltag. Es ist mein Gebet, das mir Erdung gibt und mich zugleich niemals vergessen lässt, dass der Himmel jeden Tag aufs Neue aufgeht, über jede und jeden von uns. In Ewigkeit. Amen.

Persönliche Zugänge und Assoziationen

Im alltäglichen Tun begleitet es mich, das Vaterunser. So zum Beispiel – das ist mir als allererstes eingefallen – beim Zuknöpfen des Ornats. Denn der ist ja figelinsch; der Unterrock, Lutherrock, hat 17 Knöpfe, die beim Anziehen artig abgearbeitet und mit Andacht begleitet werden sollen, mit dem Aufsagen der Zehn Gebote und der sieben Bitten des Vaterunsers. Mach ich natürlich immer! – Nun gut, ich gebe zu, manchmal steige ich aus Zeitgründen auch in einen unten teilweise noch zugeknöpften Talar. Ungern natürlich. Denn es gibt einen tieferen Sinn hinter dem Aufsagen nach Knöpfen: Beim Sprechen des vertrauten Gebetes verbinden sich die äußere und die innere Vorbereitung auf den Gottesdienst. Das äußere Sprechen wird – das ist jedenfalls der Gedanke – zu einem Innehalten, zu einer inneren Haltung. Ausgerichtet nun auf Gott hin. Sein Wille geschehe.

Ich kann nicht zählen, wie oft ich das Vaterunser schon gebetet habe – allein, in kleiner Runde oder mit Hunderten Menschen gemeinsam. Laut oder leise, schneller oder langsamer, auf deutsch oder in anderen Sprachen. An viele dieser Gelegenheiten erinnere ich mich gar nicht mehr genau, vermutlich geht es Ihnen ähnlich.

Das ist ja wirklich bemerkenswert an diesem Gebet: Es spricht sich fast von selbst. Der Rhythmus trägt, auch wenn man es unkonzentriert oder beiläufig, krisengeschüttelt oder aufgeregt spricht. Das Vaterunser braucht mich nicht. Es funktioniert auch, wenn ich nicht zu 100 Prozent bei der Sache bin. Wenn ich das Vaterunser einmal nicht wirklich beten kann, dann betet das Vaterunser mich. Gerade dann, wenn mir die Worte fehlen.

So wie es an diesem wunderschönen Märzabend war; die Sonne ging gerade in einem atemberaubend rosafarbenen Himmel unter. – Meine Mutter sagte dazu immer: Schaut mal, die Engel im Himmel backen Brot. – Wir standen an ihrem Sterbebett. Berührt. Erschöpft. Alt werden ist wirklich nichts für Feiglinge … Und das Sterben muss manches Mal schwer errungen werden. Nun lag sie ganz ruhig da. Alle Maßnahmen, alle Schläuche, alles Künstliche war weg. Da waren nur wir, gemeinsam mit ihr. Und Gott. Ganz still war‘s. Die Choräle ausgesungen, die sie so gemocht hat. Auf der weißen Decke ihre Hände, die wir hielten. Liebe, die wir zeigten, so traurig, sie gehen lassen zu müssen. Wir waren buchstäblich an der Grenze, die sprachlos macht. Und wir spürten genau: Es liegt auch Würde darin, das Sterben eines Menschen unbeschreiblich bleiben zu lassen. Nur diese besonderen Worte stimmten und fühlten sich richtig an: das Vaterunser.

Es hat uns gebetet. Es hat uns gebetet, getröstet, getragen. Auch weil wir nicht darüber nachdenken mussten, sondern uns fallenlassen konnten in die vertrauten Wörter. Das Vaterunser leiht buchstäblich Wörter, wenn die einen verlassen haben. Meine Mutter ist ganz ruhig eingeschlafen. Dein Wille geschehe. „Und erlöse uns von dem Bösen“, beteten wir zu Ende, „denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit. In Ewigkeit. Amen.“

Niemals zuvor, trotz aller theologischen, klugen Gedanken, die andere oder man selbst dazu haben kann, nie zuvor ist mir so klar geworden, welche Kraft dieses 2.000 Jahre alte Gebet in sich birgt. Dass es Notsprache ist und Hoffnungssprache zugleich. Glaubensmut und Liebeswort. Alles, was einem Gott, aber auch Menschen bedeuten, findet sich in diesen Worten ein. Alles, was unsere Existenz ausmacht, wird ins Gebet genommen: der Name geheiligt und damit auch unsere Einzigartigkeit, unsere Sehnsucht nach einem Reich des Friedens, das tägliche Brot für Leib und Seele, das Versuchtsein, Schuldigwerden und Vergebung erfahren, Erlösung und Entlastung, nicht im Himmel, sondern auch auf Erden, nicht nur jetzt, sondern in Ewigkeit.

Und ich habe mich gefragt: Wie viele Menschen mögen schon mit diesem alten Gebet im Ohr gestorben sein oder sich innig getröstet gefühlt haben – am Sterbe- oder Krankenbett oder auf der Straße, wenn ein Unglück erst recht die Worte raubt und Menschen stumm werden lässt? Wie viele mag es aus der Krise und Sprachlosigkeit erlöst haben, wie viele haben in diesen 56 Wörtern ihr Leben aufgespannt und erfasst gesehen, wohlbehalten aufgenommen in Gottes Hand?

Das Vaterunser: Beten als wäre es eine schöne alte Kirche

Das Gebet, das Jesus einst seinen Jüngern beigebracht hat, als sie fragten: Wie geht es mit dem Beten? Dieses Gebet wird manche von Ihnen nun schon einige Abende hier in St. Petri beschäftigt haben. Und vielleicht haben Sie es dann jeden Abend neu, verändert wieder mitgenommen. Weil Sie sich hineingedacht haben in diese 2.000 Jahre alten Worte, die ja wirklich auf Jesus zurückgehen, in dieses Gebet, das wie kaum ein anderes auf der ganzen Welt verbreitet und auch vielen weniger religiösen Menschen bekannt, oft sogar vertraut ist. Ein jüdisches Gebet, das christlich geworden und das zu dem öffentlichen Gebet schlechthin geworden ist – so wie es zugleich bei vielen einen hohen persönlichen Stellenwert hat. Als Bildungsgut, als inneres Zuhause, als Ritual, als Notruf. Das Vaterunser – mein Gebet. Wie sieht es dabei mit Ihnen aus? Ich lade Sie herzlich ein, dies bei sich aufzusuchen. Mithilfe eines Bildes: Das Vaterunser beten, als wäre es eine schöne, alte Kirche, wie hier St. Petri.

Beginnen wir mit dem Hineinkommen. Man öffnet die wuchtige Tür und ist in einer anderen Welt. Draußen ist es laut, hektisch, gefährlich womöglich. Drinnen ist man sicher. Dicke Mauern sorgen für Geborgenheit. Bilder, bunte Fenster, Kunstreichtun nehmen die Blicke gefangen und führen weg von dem, was eben noch war. Es wird still. Man ist geschützt. Das Wort Kirchenasyl drückt genau das aus, was so eine alte Kirche will und soll: Schutz geben, Zufluchtsort sein.

Ein Ort, an dem man selbst, aber auch Gott sagt: Hier darfst du sein. Egal, was dich umtreibt. Egal, was die anderen aus dir machen oder machen wollen: Hier wirst du in Ruhe gelassen. Im wahrsten Sinne des Wortes gelassen.

Doch wie macht man das, beten, fragen die Jünger. Und so fragen heutzutage viele. Schauen wir nur ins Internet. Diese Frage genau wird gestellt: Wie kann ich beten? Wie schafft man sich einen sicheren Ort, an dem man einfach sein darf, an dem alles andere wie hinter schützenden Mauern für eine Weile unwichtig wird und nur man selbst zählt. Wenigstens für einen Moment, einen kleinen, heiligen Moment.

Wie macht man das – beten? Jesus macht keine langen Umwege. „So sollt ihr beten“, sagt er und dann kommt das Vaterunser. Worte wie ein Schutzraum, den man immer dabei haben kann. Ein Kirchenasyl ohne Steine. Ein Zufluchtsort, der immer da ist, immer verfügbar, mitten im Alltag ein heiliger Raum mit Verbindung zu Gott. Ein Ort, der euch darin bestärkt, dass ihr liebenswerte und geliebte Menschen seid. Das Vaterunser wie eine schöne, alte Kirche. Wir gehen nun ganz hinein und beginnen unseren Rundgang.

Da ist am Anfang die Anrede, wohl das Allerwichtigste an diesem Gebet, und auch damals das Neueste, worin sich Jesus wirklich unterschieden hat von vielen anderen Gebeten seiner Zeit: Abba. Vater. Das ist der Schritt durch die Kirchentür. Ganz so, wie wenn ein Schulkind mittags nach Hause kommt und schon in der Tür anfängt zu erzählen. Vater! Papa, müsste man eigentlich übersetzen. Und wenn die Tür zugeht, dann ist ein ganz sicherer, familiärer Raum entstanden. Jetzt kann alles Worte finden. Der Streit auf dem Schulhof. Die Fünf in Mathe. Die ungerechte Lehrerin. Jetzt sagt keiner mehr: Selbst Schuld! Jetzt hört da einer bloß zu, tröstet, versteht, weil es sein Kind ist, das da gekommen ist und Vater unser, Papa, sagt, und selbstverständlich könnte es auch Mama sagen.

Eine sichere Tür, hinter der Vertrauen möglich ist, hinter der man schutzlos sein kann, weil Sicherheit da ist. Natürlich, nicht alle Menschen denken dies, wenn sie die Anrede Vater unser hören. Nicht alle Väter geben schließlich solche bedingungslose Sicherheit. Und die Erfahrungen mit den menschlichen Vätern und Müttern sind vielleicht die, die einem Menschen am nachhaltigsten das Beten verleiden können. Anders Jesus. Er weiß seinen Vater liebevoll. Ein Vertrauensraum per se.

Durch ihn geht der Rundgang weiter. Hinter der Kirchentür richtet sich im Vaterunser wie auch bei vielen Menschen, die eine Kirche besichtigen, der Blick erst mal nach oben. Das ist wirklich so, Sie können sich ja mal den Spaß machen und zum Beispiel hier in St. Petri die Leute beobachten und darauf achten: Die meisten schauen nach oben. Geheiligt werde Dein Name. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe. Wer das Vaterunser betet, sieht sich erst mal um und stellt fest, in welcher Welt er sich jetzt befindet. Es ist Gottes Welt. Da zählt erst einmal nur, wie Gott das Leben gedacht hat, was er für die Menschen gewollt hat, das himmlische, ungetrübte Leben ohne Leid und Tränen. Wie ein Sternenhimmel schafft es einen lebendigen, offenen Raum, und der Blick nach oben an die Kirchendecke erinnert an das, was das Abendlied für Kinder so schön ausdrückt: Weißt du, wie viel Sternlein stehen an dem blauen Himmelszelt? Gott, der Herr, hat sie gezählet, dass ihm auch nicht eines fehlet. Und dann am Ende: Kennt auch dich und hat dich lieb. So eine zärtliche Nähe!

Und wir gehen weiter. Die nächste Zeile, die Bitte um das tägliche Brot, ist vielleicht der Altar. Oder ein Kerzenbaum, an dem man selbst eine Kerze entzünden kann. Oder ein Gebetsbuch. Diese vierte Bitte ums täglich Brot ist zentral, steht in der Mitte. Drei Bitten sind davor, drei dahinter. Man kann sich diese Siebenzahl gut vorstellen wie eine Menorah, wie den siebenarmigen jüdischen Leuchter, der mitten im Leben steht – und bei dem „unser tägliches Brot gib uns heute“ genau die Mitte, den vierten Arm bildet.

Heißt: Kümmere dich ums richtige Leben, Gott! Bleib nicht oben in deiner himmlischen Welt, sondern kümmere dich um das, was uns hier auf Erden das Leben schwer macht. Um den Hunger im wörtlichen wie im übertragenen Sinn. Gib uns, was uns fehlt. Hier und jetzt. Beten heißt eben nicht, vor dem Leben weglaufen. Dass man sich wegbetet aus der Verantwortung des Alltags. Bertolt Brecht hat dieses Missverständnis so schön plastisch in Worte gefasst in seiner Mutter Courage. Da stehen sich nämlich die stumme Kattrin und eine Bauernfamilie gegenüber. Als die Stadt Halle eines Nachts von Feinden überfallen wird, gehen die Bauersleute auf die Knie und beten das Vaterunser, während Kattrin auf das Dach klettert, um mit ihrer Trommel die Schlafenden zu warnen. Die Botschaft: Beten darf nicht als Alternative zum Handeln, als Flucht aus dem Handeln missverstanden werden. Das Vaterunser will die Welt verändern, deswegen kümmert es sich um das tägliche Brot. Gib uns, Gott, was wir brauchen.

Übrigens ist hier ein ganz genauer Blick in den Text interessant. Genau müsste man übersetzen: Unser morgiges Brot gib uns heute. Das Brot, das uns fehlt und das wir heute schon brauchen. Diese Welt ist doch so unvollkommen. Es gibt so viele Baustellen – nicht nur im persönlichen Leben. Auch im gesellschaftlichen Bereich passt an so vielen Stellen diese Bitte: Gib uns, was uns fehlt und was wir so dringend brauchen – angesichts des Klimawandels; angesichts immer aggressiver und unverhohlener daherkommender Feindseligkeit gegen Fremde, gegen Juden, gegen Muslime, angesichts einer rasant zurückgehenden Bereitschaft zu Verständigung und Dialog im Großen wie im Kleinen. Wie wichtig ist diese Botschaft gerade in diesen Tagen, in denen wir auf Thüringen schauen und verstört wahrnehmen, wie anfällig unsere Demokratie ist. Gib uns Ruhe, Vater unser, um genau hinzuhören, stille Wut und Zorn und gib uns die richtigen Worte: Wir brauchen Klartext ebenso wie Besonnenheit.

Damit gehen wir weiter und kommen zum Kreuz mit dem Gekreuzigten. „Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern“, so klingt das im Vaterunser. Das Kreuz und der sterbende Jesus zeigen an: Diese Welt – ja das Leben – ist nicht so, wie es sein sollte. Menschen werden aneinander schuldig. Sie machen sich bisweilen das Leben zur Qual. Sie erleiden kleine und große Tode.

Es gibt das, was wir „das Böse“ nennen. Und es scheint kein Kraut gewachsen dagegen. Keine Macht reicht, um das Böse endgültig zu besiegen und das Gute durchzusetzen. „Erlöse uns von dem Bösen.“ Das ist so eine Art Verzweiflungsruf, der von tiefen Ohnmachtsgefühlen geprägt ist. Wir wissen, was gut ist und was böse. Aber wir kriegen’s nicht hin. Wir sind verfangen und verstrickt. Was wir auch versucht haben, die heile Welt gelingt uns nicht.

Jüngstes Beispiel: Der Fortschrittstraum, die Idee, dass Wohlstand und technische Entwicklung eines Tages zu einer Welt führen werden, in der es allen gut geht. Sozusagen ein Silicon Valley der Gutartigkeit. Jedoch spätestens die Diskussion um den Klimawandel hat gezeigt, dass das ein Irrglaube war. Mit der Bekämpfung der einen Probleme haben wir andere geschaffen. Wir sind hineinverstrickt in das Böse dieser Welt und können uns nicht selbst erlösen. Es braucht Hoffnung, die sich nicht allein auf unser eigenes Tun stützt. Es braucht mehr als das Machbare.

Erlöse uns von dem Bösen. Das ist der Ruf einer Hoffnung, die sich nicht zufriedengibt und nicht aufhört, nach dem richtigen Weg zu suchen. Führe uns nicht in Versuchung, das heißt doch: Hilf uns, nicht vom Kurs abzukommen. Man kann das vielleicht mit dem Mittelgang in der alten Kirche vergleichen. Der Weg zwischen den Bankreihen hindurch, der erst zum Altar und zum Kreuz hin, und dann wieder zurück zum Turm und zum Ausgang führt.

Der Weg ist klar, er ist einfach, man kann sich nicht verlaufen. Führe uns nicht in Versuchung. Hilf uns, Vater unser im Himmel, dass wir auf dem Weg bleiben, der ins Leben und zu den Menschen führt. In diesen Tagen und in diesem Jahr heißt das auch: Lass uns die Wegzeichen der Vergangenheit nicht übersehen. Das „Nie wieder!“ steht dafür. Die Erinnerung an die finsteren Zeiten gerade der deutschen Geschichte, das Gedenken an die Opfer von Nationalsozialismus und menschenverachtendem Hass sind unabdingbar, weil wir nie wieder der Versuchung erliegen wollen.

Und um dies unmissverständlich anzufügen: Wer die Welt vom Bösen befreien will, indem er andere Menschen zu Feindbildern macht und sie bekämpft, ist auf einem verhängnisvollen Irrweg und schafft Böses. Auf die Versuchung des Schwarz-Weiß-Denkens und der allzu einfachen Weltbilder ist die kurze Bitte des Vaterunsers die richtige Antwort: Und führe uns nicht in Versuchung. Hilf uns, auf dem richtigen Weg zu gehen.

Dann kommt der Schluss. Er ist wie ein rauschendes Orgelnachspiel, bei dem man die alte Kirche wieder verlässt. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Ein zuversichtlicher Klang begleitet einen hinaus. Ich empfinde die Kraft, die darin steckt. Allemal, wenn Menschen aus verschiedenen Ländern gemeinsam das Vaterunser beten – jeder und jede in der eigenen Sprache. Das ist ein wunderbar geordnetes Durcheinander. So viele individuelle Gottesbeziehungen, die sich auf erstaunliche Weise zu einem Ganzen zusammenfügen, zu einer Glaubensgemeinschaft, die trotz aller Verschiedenheit sichtbar und erfahrbar bleibt. So einen polyphonen und doch wohltönenden Klang nehme ich mit aus dem Raum, den das Vaterunser öffnet. Voller Vertrauen, dass das Leben gut ausgeht. Und dies in einer Gesellschaft, die sich mit dem Vertrauen immer schwerer tut.

Und das soll mein letzter Gedanke sein: Das Vaterunser ist auch deswegen mein Gebet, weil es immer wieder die Möglichkeit zu Vertrauen eröffnet. Vertrauen ist ein so knappes Gut geworden. Ob es die Politik ist, die großen Institutionen unserer Gesellschaft, ob es Europa ist oder die Wirtschaft: Immer mehr Menschen entziehen das Vertrauen. Natürlich gibt es manchmal auch Gründe dafür, das ist ja klar. Aber geht nicht das Problem noch ein bisschen tiefer? Hat es nicht auch damit zu tun, dass viele Menschen immer weniger bereit sind, auch gegen die Realität, auch gegen Erfahrungen und Enttäuschungen dennoch zu vertrauen? Dem Leben, dem Mitmenschen, sich selbst? Und vielleicht auch Gott, der den betenden Menschen zuhört? Das Vaterunser führt hinein in einen selbstverständlichen Raum des Vertrauens. Um in Herrlichkeit, lebensfroh und lebenshungrig, weiterzugehen, gestärkt für den eigenen Weg.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Datum
10.02.2020
Quelle
Stabsstelle Presse und Kommunikation
Von
Kirsten Fehrs
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