Künstler El Shalom Wieberneit

Der Bibelmaler und sein einzigartiges Werk

Der Künstler El Shalom Wieberneit präsentiert eines seiner Werke
Der Künstler El Shalom Wieberneit präsentiert eines seiner Werke© Uwe Moeller / epd

07. April 2015 von Timo Teggatz

Ennepetal. Der 91-jährige Künstler El Shalom Wieberneit hat das gesamte Neue Testament und viele Bücher des Alten Testaments mit der Hand abgeschrieben, mit Liebe und Leidenschaft. Entstanden ist ein einzigartiges Werk.

Seine Hand ist müde, die Stimme brüchig, der Geist nicht immer wach. Aber ab und zu geht der 91-Jährige noch in sein Atelier, wo er schon so viele Stunden verbracht hat. Heute will er es noch einmal wissen: Er tunkt die Feder in die schwarze Acrylfarbe und zieht sie mit leicht zitternder Hand über das Papier. Die Zeilen aus dem Buch des Propheten Zefanja hat er mit Bleistift vorgeschrieben. Unten am Bildrand steht auch schon seine Signatur: El Shalom, wie so oft schwungvoll mit der Feder geschrieben.

El Shalom – so lautet der Künstlername des gebürtigen Wuppertalers. Es ist gleichzeitig eine freie Übersetzung seines bürgerlichen Vornamens Gottfried ins Hebräische: "El" steht für "Gott" und "Shalom" für "Frieden". El Shalom Wieberneit trägt diesen Namen, seitdem ein israelischer Reiseführer ihn in den 70er Jahren so genannt hat. Der Künstler nahm das Pseudonym bereitwillig an, ein Ausdruck seiner Verbundenheit mit dem Volk Israel, die er als protestantischer Christ empfindet.

In der Öffentlichkeit kaum bekannt

Experten der biblischen Kunst ist El Shalom Wieberneit ein Begriff, in der breiten Öffentlichkeit ist er aber kaum bekannt. Seine Abschriften der Bibel sind außergewöhnlich: In den vergangenen Jahrzehnten hat er alle 27 Bücher des Neuen Testaments und viele des Alten Testaments in seinem Atelier in Ennepetal abgeschrieben – mit Liebe und Leidenschaft, wie ein Klosterschüler, der seine Kunst als Gottesdienst versteht.

 

Mit Initialen zu Beginn von Sätzen und Kapiteln spielt Wieberneit typographisch, er variiert Farben, Muster und Motive – und lässt die mittelalterliche Kunst des Rubrizierens von Texten wieder aufleben. Zu den biblischen Geschichten malt er Ornamente und Bilder, die wiederum zu eigenen Kunstwerken werden. Über die Jahre ist ein Werk mit mehr als 14 Bänden entstanden, die jeweils mehrere hundert Seiten biblischer Abschriften umfassen – jede Seite ist ein Unikat.

Von einer "Bildpredigt" spricht Martin Weskott, Pfarrer aus dem niedersächsischen Katlenburg-Lindau, der mit dem Werk des Künstlers gut vertraut ist. "El Shalom ist ein exzellenter Kenner der Bibel", sagt der Pfarrer. "Er kennt sich im Alten Testament besser aus als mancher Theologe." Zu allen Bibeltexten, die der Künstler abschreibt, male er Bilder, die biblische Geschichten nacherzählten, kommentierten und zugleich Bezüge zu anderen Bibelstellen schafften, sagt Weskott. "Er setzt Bildzitate so gekonnt, wie man es von Malern der Reformationszeit wie Matthias Grünewald und Lucas Cranach kennt."

Ein großer Maler biblischer Stoffe

Doch nicht nur mit den Abschriften der Bibel, auch mit seinen Acrylbildern – insbesondere dem Zyklus "Messias" – habe El Shalom Wieberneit ein außergewöhnliches Werk geschaffen. "Ich halte El Shalom für einen der größten zeitgenössischen Maler biblischer Stoffe", urteilt Weskott. So recht verstehen kann er nicht, dass die evangelische Kirche dem Künstler so wenig Beachtung schenkt – obwohl dieser auf mehr als hundert Einzelausstellungen zurückblickt, die meisten davon im deutschsprachigen Raum, einige auch in Israel.

Früher war El Shalom Wieberneit zeitweise bekannter: In den 70er Jahren hat Hilda Heinemann, die Ehefrau des damaligen Bundespräsidenten, eine Ausstellung mit seinen Werken eröffnet, eine weitere stand unter der Schirmherrschaft von Mildred Scheel, der Ehefrau von Bundespräsident Walter Scheel.

Ungeachtet des künstlerischen Werts der Bilder und Abschriften drücke sich in dem Werk von Wieberneit vor allem eine tiefe Verbundenheit mit biblischen Texten aus, sagt Christa Wieberneit, die Ehefrau des Künstlers. Jahrelang habe ihr Mann von morgens bis abends – außer sonntags – in seinem Atelier gearbeitet. Sobald er eine Geschichte aus der Bibel abgeschrieben hatte, habe das in ihm eine Bilderwelt wachgerufen, die er gleich zu Papier gebracht habe.

Aus seiner Arbeit spricht tiefer Glaube

"Was er malt, ist für ihn Wirklichkeit", sagt Christa Wieberneit. "Aus seiner Arbeit spricht ein tiefer Glaube." Bei einer Ausstellung sei ein Fremder einmal zu ihrem Mann gekommen, berichtet sie. "Ich habe dem Pfarrer nie das Wort abgenommen", habe der Mann gesagt. "Aber wenn ich Ihre Bilder sehe, wie Sie Jesus gemalt haben, dann lässt mich das nicht mehr los."

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