Der Klimawandel muss gestoppt werden - jetzt und mit einer globalen Lösung
05. Februar 2022
«Was bei uns in Europa noch als Klimaprognose diskutiert wird und in seinen Auswirkungen immer erkennbarer wird, ist bei unseren Partnergemeinden auf den pazifischen Inseln bereits bedrückende Realität: Der Meeresspiegel steigt, und sie drohen, im Meer zu versinken – und zwar jetzt, nicht irgendwann!» Mit diesen Worten wandte sich die Landesbischöfin der Nordkirche Kristina Kühnbaum-Schmidt am ersten Abend an die Teilnehmenden ihrer digitalen Veranstaltungsreihe „Tiefenschärfe“.
In diesem Jahr widmet sich die Veranstaltungsreihe den Themen Klimaethik und Klimaneutralität und steht unter dem Motto: „Geliehen ist der Stern, auf dem wir leben – unterwegs zur Klimaneutralität der Nordkirche.» Das Thema ist abgestimmt auf die Tagung der Landessynode, die sich vom 24. bis 26. Februar schwerpunktmäßig mit den neuen Klimaschutzzielen für die Nordkirche und entsprechenden Regelungen und Vereinbarungen dazu beschäftigen wird.
„50 Jahre nach dem ersten UN-Umweltgipfel befinden wir uns inmitten einer globalen Klimakrise, die menschengemacht ist und alles Leben auf unserem Planeten gefährdet. In der Nordkirche müssen wir uns die Frage stellen, was unser Denken, Entscheiden und Handeln leitet und was unser Beitrag sein kann, die Folgen des Klimawandels zu mildern. Es geht dabei auch um eine Frage der Haltung und des Lebens aufgrund unseres christlichen Glaubens“, so Kühnbaum-Schmidt.
An drei Abenden lud die Landesbischöfin renommierte Wissenschaftler:innen ein, zu ethischen und theologischen Aspekten, sowie Fragen der politischen Ökologie und Klima-Governance zu sprechen und mit den Teilnehmenden zu diskutieren.
Hier finden Sie eine kurze Zusammenfassung der Abende und können die Präsentationen der Wissenschaftler:innen als Videos ansehen.
Prof. Dr. Konrad Ott: Ethische Reflektionen auf brennende moralische Fragen
Den Anfang in der dreiteiligen Vortrags- und Diskussionsreihe machte der Umweltethiker Prof. Dr. Konrad Ott, Professor für Philosophie an der Christan-Albrechts-Universität Kiel mit einem Vortrag zum Thema „Klimaethik, Klimaziele und Maßnahmen an ausgewählten Beispielen“.
„Klimaethik ist ein komplexes Feld der praktischen Philosophie“, erklärte er ganz zu Beginn seines Vortrags und zeigte auf, wie viele unterschiedliche wissenschaftliche Facetten das Thema „Klimaethik“ hat. Er sprach davon, wie bedeutend eine globale Ethik im Zeitalter der Globalisierung ist, wobei er die Mitwirkung aller globalen Akteure betonte – aber auch aufzeigte, wie viele ethische, hoch komplexe Konfliktfelder dadurch entstehen.
Dafür spannte er in seinem Vortrag einen weiten Bogen – von den unterschiedlichen Herausforderungen und Forderungen der Länder innerhalb der Staatengemeinschaft, und wie die Klimaziele eigentlich im Gegensatz zum UN-Ziel 8 für nachhaltige Entwicklung stünden, nachdem alle Menschen mit moderner und bezahlbarerer Energie versorgt werden sollen. Er beleuchtete das Problem der „historischen Verantwortung“ und der Definition von „Klimaflüchtlingen“ und ordnete die Bemühungen der Klimapolitik in Deutschland ein. Auch der Rolle der Kirche im ganzen Themenbereich der Klimaethik gab er Raum. Es gelang ihm, dieses enorm komplexe Thema so nachvollziehbar aufzubereiten, dass es ihm die Teilnehmenden mit einer regen Diskussion dankten.
Dr. Sarah Köhler: Wir brauchen eine neue Erzählung vom Paradies
Einen völlig anderen – den theologischen, gesellschaftswissenschaftlichen und kulturellen – Aspekt beleuchteten die Theologin Dr. Sarah Köhler und der Pastor Dr. Constantin Gröhn von der Ökumenischen Arbeitsstelle Anthropozän in Heidelberg in ihrem Vortrag „Concept paradising: Theologie in der ökologischen Krise neu denken“.
In Bezug auf Artensterben und Klimawandel «haben wir kein Erkenntnis-, sondern ein Handlungsproblem: zu viele reden, aber es folgen keine Taten», so Dr. Sarah Köhler. Mit «Paradising» meinen die beiden Forscher den Versuch, anders von unserer Gegenwart und Zukunft zu sprechen, wobei Sarah Köhler betont: «Das einzige Paradies, das es je gab und geben wird, ist das auf der Erde konstituierte!» Dort, wo der Mensch in Beziehung zu den Pflanzen und Tieren um ihn herum lebt – oder besser: leben sollte, denn unsere «Kultur der Individualität» trachtet danach, uns die Welt verfügbar zu machen.
Für das semantische Konzept des «Paradising» nimmt sie auch die Theologie in die Pflicht: «Wir haben nicht nur ein Handlungs-, sondern auch ein Kommunikationsproblem.» Theologie müsse inklusiv sein, übersetzt werden. Es brauche eine neue Geschichte, eine neue Erzählung vom Paradies, das auf Erden geschaffen ist, und von unseren Beziehungen zu Gott, den Pflanzen und den Tieren, «denn der Mensch kann nicht alleine», so Köhler eindringlich.
Prof. Dr. Petra Dobner: Gemeinsame Ziele, unterschiedliche Verantwortung
«Nur 0.02% des gesamten Wassers auf der Erde sind nutzbar und stehen zur Verfügung. Und rund eine Milliarde Menschen haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser», machte Prof. Dr. Petra Dobner, Politikwissenschaftlerin und Systemanalytikerin, deutlich. Ihr Vortrag zum Thema „Gemeinsame Ziele – unterschiedliche Verantwortung: Zur möglichen Rolle der Kirche in der Bekämpfung globaler Umweltherausforderungen am Beispiel der Wasserpolitik“ beschloss die Veranstaltungsreihe.
«Mit dem Prinzip der unterschiedlichen Verantwortung im Blick auf das gemeinsame Ziel der Bewahrung der natürlichen Lebensgrundlagen erreichte der Umweltgipfel in Rio 1992 einen zumindest verbalen Meilenstein - in Bezug auf die so drängende wie spaltende Frage, wie Verantwortliche und Leidtragende der globalen Umweltzerstörung gemeinsam, aber je nach eigenen Fähigkeiten, handlungsfähig werden könnten», führte die Landesbischöfin in den Vortrag von Prof. Dobner ein.
Die Politikwissenschaftlerin betonte dann auch, dass ein globaler Ansatz nötig sei, um den Klimawandel einzudämmen und vor allem daraus entstehende Verluste und Schäden zu kompensieren. Ähnlich wie Prof. Ott im ersten Vortrag der Reihe warf auch sie die Frage auf: «Auf welcher Grundlage wird die unterschiedliche Verantwortung der Länder für den Klimawandel gemessen?» - nicht ohne dann einige ganz praktische Vorschläge zu machen, wie die Nordkirche sich aktiv und konstruktiv «in der Welt» einbringen könnte – ebenso wie jede:r Einzelne. Diese Anregungen wurden in der anschließenden Diskussion von den Zuhörern lebhaft aufgenommen und mit kreativen Ideen weitergedacht.
Prioritäten setzen, auch wenn es schmerzhaft wird
Wenn auch die Themen und wissenschaftlichen Schwerpunkte der dreiteiligen Veranstaltungsreihe völlig unterschiedlich waren – in ihrer Eindringlichkeit waren sie sich doch ähnlich. Als Nordkirche verstehen wir die Natur als Schöpfung Gottes. Deswegen können wir nicht schweigen, wenn sie zerstört wird. Das machte die Landesbischöfin in ihren abschließenden Worten – auch im Hinblick auf die Tagung der Landessynode Ende Februar – deutlich: „Es geht jetzt darum, Prioritäten zu setzen. Auch wir als Nordkirche werden Prioritäten setzen müssen – und das kann schmerzhaft werden.»