Deutsch-dänischer Gottesdienst „Kirche ohne Grenzen“ in der Flensburger St. Marien-Kirche
30. August 2010
Liebe Schwestern und Brüder, Hört zunächst einige Verse aus dem Propheten Micha: 1 In den letzten Tagen wird der Berg, darauf des HERRN Haus ist, fest stehen, höher als alle Berge und über die Hügel erhaben. Die Völker werden herzulaufen, 2 viele Heiden werden hingehen und sagen: Kommt, lasst uns hinauf zum Berge des HERRN gehen und zum Hause des Gottes Jakobs, dass er uns lehre seine Wege und wir in seinen Pfaden wandeln! Denn von Zion wird Weisung ausgehen und des HERRN Wort von Jerusalem. 3 Er wird unter großen Völkern richten und viele Heiden zurechtweisen in fernen Landen. Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen. Es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen. 4 Ein jeder wird unter seinem Weinstock und Feigenbaum wohnen, und niemand wird sie schrecken. Ihr habt Euch auf den Weg gemacht. Aus 16 Gemeinden von Medelby bis Kollund und Holböl. Ein Sternmarsch mit Bussen, Fahrrädern und per pedes apostolorum, eine Mini-Wallfahrt hinauf nach St. Marien - auch wenn man vielleicht nicht unbedingt von einem Berg sprechen sollte.
„Kirche ohne Grenzen“. Ich muss gestehen: Bewegt und berührt hat mich das wunderbare Foto von dem offenen Schlagbaum auf der Rückseite des Programmheftes. Gibt es eine größere Verheißung als es so ein hochgeklappter Schlagbaum ist? Spontan fielen mir die berühmten Verse von K-P. Hertzsch aus dem Jahr 1989 ein: „Die Türen stehen offen – das Land ist hell und weit.“
Ja, die Türen stehen offen, Kirche überwindet Grenzen. Das wird hier und heute Wirklichkeit. Eine wunderbare Erfahrung. Der gemeinsame Glaube und die gemeinsame Hoffnung führen uns heute zusammen. Junge und Alte, Frauen und Männer, Deutsche und Dänen, besser und schlechter gestellte. Wir alle setzen darauf: Das Verbindende ist größer als alles Trennende. Glaube, Hoffnung und Liebe wollen und können Grenzen überwinden. Und wir haben es aus dem 1. Johannesbrief gehört: Wenn wir uns untereinander lieben, so bleibt Gott in uns und seine Liebe ist in uns vollkommen. Und Paulus ergänzt: Hier ist nicht Jude noch Grieche, nicht Sklave noch Freier - ihr seid allesamt eins in Christus Jesus. Das ist nicht selbstverständlich – damals wie heute. Ich bin auch in dieser Region aufgewachsen, wo der Weg von Deutschland nach Dänemark nur ein Katzensprung zu sein scheint. Und doch war da eine echte Grenze und manche Abgrenzung. Viele fuhren damals zu7m Einkaufen nach Dänemark, zum Tanken oder in den Urlaub. Vieles hat sich verändert Heute feiern wir zusammen Gottesdienst. Zugleich in deutscher und dänischer Sprache singen wir gemeinsam vertraute Lieder. Wie damals beim Pfingstfest. Als Menschen aus aller Herren Länder in Jerusalem zusammengekommen waren und die wunderbare Erfahrung machten: egal wo wir her kommen, egal wo unsere Wurzen liegen, egal welche Sprache wir sprechen, es gibt das Glück des Verstehens und Verstandenwerdens. - Trotz aller Risse, trotz aller Wunden, trotz aller Gegensätze in unserer Welt: Verständigung ist möglich, Verständigung über diese Risse, Gegensätze und Sprachbarrieren hinweg.
Kirche überwindet Grenzen. Das wandernde Gottesvolk aus 16 Gemeinden macht sich auf und ist unterwegs zwischen Medelby, Flensburg und Bow. Urbiblisch ist das, ur-christlich. Gott ruft uns immer wieder nach vorn: Die Menschen in der Bibel sind fast immer unterwegs. Sie hören den Ruf. Sie setzen sich in Bewegung. Abraham geht heraus aus dem Land seiner Väter. Mose hört Gottes Ruf und führt das Volk aus der Sklaverei in Ägyptenland. Ruth geht mit Naomi mit. Jesus durchwandert das Land, heilt, predigt, sammelt Menschen und zieht am Ende unter dem Jubel des Volkes in der Hauptstadt ein. Paulus reist ohne Rast und Ruhe zu Wasser und zu Lande durch die Welt und verkündigt den gekreuzigten und auferstandenen Herrn.
Auch der Prophet Micha hat den Ruf gehört und der formt sich zu Worten, zu großen Bildern - zu dieser großartigen Vision vom Sternmarsch aller Völker hin zu Gott, zur Mitte aller Dinge. Am Ende aller Tag, da wird der Berg mit dem Haus des Herrn alles überragen. Alle Berge der Völker sind dann nur noch kleine Hügel im Vorland. Dann geht es wie ein Ruck durch die Nationen und Völker. Nicht nur 16 deutsche und dänische Gemeinden in und um Flensburg - nein, alle Menschen, alle Völker, große und kleine, junge und alte, Frauen und Männer, Hohe und Niedrige - sie alle brechen auf, haben ein klares Ziel vor Augen und machen sich auf den Weg zu Gott.
Das gemeinsame Ziel, der Durst nach Frieden, Gerechtigkeit, Hoffnung - der führt sie zusammen. Am Berg Zion angekommen, empfangen sie Gottes Weisung - vorgelebt von dem dort wohnenden Gottesvolk. Dort lassen sie ihre ewigen Zwistigkeiten und Streitereien schlichten. Heimgekehrt machen sie Schwerter zu Pflugscharen und Lanzen zu Winzermessern. Es gibt keinen Krieg mehr, alle können in Frieden wohnen. Dass so etwas geht, hätten die Völkern von sich aus niemals zu glauben und zu hoffen gewagt. Aber jetzt erfahren sie es, können es an der Wirklichkeit des Gottesvolkes ablesen.
Diese Wallfahrt der Völker, so sagt der Prophet, ist Ziel und Geheimnis der Geschichte. Damit sie Wirklichkeit werde, ruft Gott sich sein Volk, ruft er sich immer wieder seine Gemeinde zusammen. Ihr Weg soll den anderen Menschen und Völker zum Zeichen werden.
Der Einsatz für Frieden und Gerechtigkeit, gegen Ellenbogenmentalität und alltägliche Fremdenfeindlichkeit ist und bleibt eine dauernde Aufgabe der Christenmenschen - auch heute, auch jetzt. Darum: Bleibt dran. Hört nicht auf, vom Frieden Gottes zu erzählen, von der Vision des Propheten, dass alle Schwerter zu Pflugscharen werden sollen. Hört nicht auf, danach zu streben und zu leben. Hört nicht auf, zu beten für Gerechtigkeit und Frieden; und hört nicht auf, zu tun, was ihr erbittet. Tragt Gottes Liebe, seinen Frieden in die Welt! Sorgt für ein Klima in den Dörfern und Städten, in dem es menschlich und gerecht zugeht.
Die Kirche Jesu Christi überwindet Grenzen zwischen Völkern, Nationen, Sprachen. Ich bin froh und dankbar, dass so etwas hier in Flensburg und in diesem Grenzland möglich ist. Und dass eine nächste Wallfahrt schon geplant wird. Ich freue mich, dass wir hier in Frieden und guter Nachbarschaft zusammenleben können. Dass wir aus der Geschichte gelernt haben, auch aus der Geschichte dieser Stadt. "Frieden ernährt, Unfriede verzehrt", steht über dem Nordertor. Und das ist schlicht wahr.
Amen