Diakonie und Caritas kritisieren "Ankunftszentrum" Rahlstedt
21. Dezember 2018
Keine Integrationsangebote, nächtliche Ausgangssperre, unzumutbare Wohn- und Wartesituation: Die Hamburger Diakonie und die Caritas haben den Ausbau des "Ankunftszentrums" für Geflüchtete in Rahlstedt kritisiert.
Die Innenbehörde würde die Einrichtung immer stärker in Richtung eines "Anker-Zentrums" ausbauen, heißt es in einer gemeinsamen Stellungnahme am Donnerstag.
Bislang wurden Asylsuchende im Rahlstedter "Ankunftszentrum" nur zentral registriert und binnen einiger Wochen auf diverse Erstaufnahmeeinrichtungen umverteilt. Seit dem 1. Oktober gilt diese Praxis nicht mehr.
Ein halbes Jahr Wartefrist
Asylsuchende, die bereits in einem anderen EU-Staat registriert sind oder aus sicheren Herkunftsländern kommen, müssten jetzt in dem Zentrum bis zu sechs Monate bleiben. Erst wenn bis dahin keine Abschiebung erfolgt ist, werden sie in andere Erstaufnahmeeinrichtungen der Stadt gebracht. Das gelte auch für Familien mit Kindern unter fünf Jahren. Die Innenbehörde wies die Vorwürfe am Nachmittag auf epd-Anfrage zurück.
Kurze Wege sollen Asylverfahren beschleunigen
#Info
Das Wort "Anker" steht für An(kunft), k(ommunale Verteilung), E(ntscheidung) und R(ückführung).
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf), die Bundesagentur für Arbeit, Jugendämter, Justiz- und Ausländerbehörden sollen im ausgebauten "Ankunftszentrum" vertreten sein, kurze Wege die Verfahren beschleunigen. Die Menschen sollen dort bleiben, bis ihre Asylverfahren abgeschlossen sind.
"Kein Ort für Kinder"
Rahlstedt sei für eine längere Unterbringung nicht geeignet, sagte Caritas-Direktor Michael Edele. Viele Menschen müssten monatelang in einer Halle mit offenen Trennwänden leben. "Sie können dort nichts anderes tun, als wochen- und monatelang auf ihre Abschiebung zu warten." Das sei für psychisch belastete Menschen nicht zumutbar. Edele: "Und erst recht ist das kein Ort für Kinder."
Laut Innenbehörde ist das Ankunftszentrum in Rahlstedt dagegen Hamburgs modernste Unterkunft. Dort sei die Sozialberatung noch einmal verstärkt und Betreuungsangebote aktuell ausgeweitet worden, hieß es aus der Pressestelle.
Zu den Angeboten gehörten auch Sprachkurse, Sportangebote, Kinderbetreuung, Musik- und Kunstangebote. Ein ungehinderter Zugang zur Rechtsberatung sei für die Betroffenen ebenfalls gewährleistet.
Nächtliche Ausgangssperre inkraft
Doch kritisiert werden von Diakonie und Caritas auch die nächtlichen Ausgangssperren. Die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte sei hier unterschiedlich. Hamburg nutze seine Spielräume für mehr Liberalität und Menschenwürde nicht, kritisierte Diakonie-Vorstand Gabi Brasch. "Wir befürchten, dass hier unter der Hand eine rechtlich fragwürdige Praxis des Freiheitsentzugs ohne richterliche Anordnungen etabliert wird."
#Info
Der Prinzip des "Anker-Zentrums" mit "Bleibepflicht" ist umstritten. Befürworter sehen darin die Chance, den rechtlichen Status von Asylbewerbern schneller klären zu können. Gegner kritisieren eine menschenunwürdige Unterbringung und Isolation Schutzsuchender.
Diakonie und Caritas plädieren dafür, Flüchtlinge im "Ankunftszentrum" Rahlstedt wieder ausschließlich kurzfristig unterzubringen. "Solange es diese Einrichtung gibt und so lange sie vor allem der schnelleren Abschiebung dient, muss zumindest der Rechtsweg für Geflüchtete sichergestellt sein," fordert Brasch. "Eine Fahrkarte zur öffentlichen Rechtsauskunft reicht da nicht." Nötig seien unabhängige Anwälte in unmittelbarer Nähe der Einrichtung.
Integration findet bewusst nicht statt
Die Innenbehörde räumte ein, dass in Rahlstedt keine Integrationsmaßnahmen stattfinden, weil die Betroffenen keinerlei Aufenthaltsperspektive hätten. Dennoch könnten sie sich "selbstverständlich frei bewegen". Lediglich bei unmittelbar bevorstehender Rückführung würden sie aufgefordert, sich "zwischen 0 und 6 Uhr in der Unterkunft aufzuhalten", sagte ein Sprecher.