Gemeinsam gegen die Flut

Wie Klimawandel Leben verändert

Zwei Hausboote sind bis in einen Garten getrieben worden und zur großen Gefahr für die Menschen in dem Einfamilienhaus geworden.
Zwei Hausboote sind bis in einen Garten getrieben worden und zur großen Gefahr für die Menschen in dem Einfamilienhaus geworden. © Antje Wendt, Nordkirche

24. Oktober 2025 von Antje Wendt

Klimawandel kennt keine Grenzen – und verändert das Leben der Menschen. Im Norden Deutschlands zeigte die Flutkatastrophe von 2023, wie nah uns die Folgen des Klimawandels sind. Eine Ausstellung im Dom zu Schleswig verbindet globale Schicksale und fragt: Wie können wir gemeinsam handeln?

Klimawandel vor der Haustür: Die Flutkatastrophe in Schleswig-Holstein

Hitzeperioden mit extremer Trockenheit oder sintflutartige Regengüsse mit Überschwemmungen – von diesen Szenarien wissen mittlerweile Menschen auf der ganzen Welt zu berichten. Dazu gehören auch die Erzählungen von der großen Überschwemmung, die Schleswig-Holstein im Oktober 2023 heimsuchte. Binnen einer Nacht stieg der Wasserpegel auf ungeahnte Höhen. Der Sturm riss Boote los, zerstörte Stege und Hafenanlagen und überflutete die Häuser in Ufernähe. Straßen waren unpassierbar, und der Strom fiel aus.

Losgerissene Boote sind  bei der Überschwemmung im Hafenbecken zusammengetrieben
Losgerissene Boote liegen dichtgedrängt dort, wo vorher Stege und Brücken waren. Bis auf das Land waren sie teilweise gespült worden. Für die Bootseigner nur noch ein Haufen Schrott. © Antje Wendt, Nordkirche

„Das Wasser trat einerseits über die Ufer – andererseits drang es von unten durch die Fliesen und Holzböden ein. Es kam von überall“, berichtete eine Hotelbetreiberin in Schleswig. Hier wie an anderen Orten waren Helferinnen und Helfer ohne Pause bis zu 60 Stunden auf den Beinen, um die Wasserpegel in den Wohnungen durch ununterbrochenes Schöpfen niedrig zu halten. Trotzdem drang das schmutzige und stinkende Wasser in Schränke und Möbel vor, durchweichte Wände und Bodenbeläge.

eine überflutete Straße
Land unter – am Tag nach dem Sturm flossen die Wassermassen nur langsam wieder ab. © Antje Wendt, Nordkirche

Solidarität in der Krise

Doch die Solidarität und Hilfsbereitschaft der Mitbürgerinnen und Mitbürger erwies sich in diesen Tagen als ungeahnt groß – und das galt nicht nur für das tatkräftige Anpacken. Auch die Bereitschaft zu finanzieller Unterstützung war groß. „Trotz der Albträume, die mache am Anfang hatten: Man sollte die Hoffnung nicht aufgeben,“ resümierte ein betroffener Anwohner.

Ein Dorf in Afrika: Nkwen und die Folgen des Klimawandels

Hitzeperioden mit extremer Trockenheit oder sintflutartige Regengüsse mit Überschwemmungen – von diesen wiederkehrenden Szenarien und ihren existenzbedrohenden Folgen weiß auch Delphine Takwi zu erzählen. Sie stammt aus dem kleinen Dorf Nkwen in Kamerun, hat dort ihre Kindheit verbracht und es wie viele ihrer Mitbewohnerinnen und Mitbewohner für die Ausbildung verlassen. Während andere danach wieder in das Dorf zurückgekehrt sind, ist sie nach Europa gegangen. Doch sie hält den Kontakt zu Freunden und Familie aufrecht und sieht mit Sorge, wie sich das Leben dort wandelt.

Gemeinsam mit dem Musiker Folarin Omishade kam Delphine Takwi vom Frauenwerk der Nordkirche zu einem Vortragsabend in den Dom.
Gemeinsam mit dem Musiker Folarin Omishade kam Delphine Takwi vom Frauenwerk der Nordkirche zu einem Vortragsabend in den Dom. Im Rahmen der Ausstellung „Klimaflucht“ berichtete sie über die Veränderungen, die ihr Dorf in Kamerun erlebt, und beantwortete die vielen Fragen, die der Anwesenden hatten. Delphine Takwi ist Referentin für Transkulturellen Dialog und Müttergesundheit. © Antje Wendt, Nordkirche

Lebensräume gehen verloren

Die Landwirtschaft ist die Haupteinnahmequelle im Dorf. Viele Erzeugnisse – als Lebensmittel oder als Material – hängen mit der Raffia-Palme zusammen. „Früher war mein Dorf grün von den Pflanzen, und wir haben uns am Ufer des Flusses zum Spielen, Reden und Waschen getroffen.“ Doch der Fluss ist kein Ort der Gemeinschaft mehr. In der Dürrezeit ist er mittlerweile nur noch ein schmutziges Rinnsal, in dem kaum noch Fische zu finden sind – in der Regenzeit wird er zu einem breiten, reißenden Strom, der die Ufer und Felder zerstört. „Im letzten Jahr sind drei Kinder auf dem Schulweg ertrunken – ein entsetzlicher Schlag nicht nur für die Familien, sondern auch für das ganze Dorf“, berichtet Delphine Takwi.

Mit den Themen Klimawandel, Klimakrise und globale Gerechtigkeit beschäftigt sich die Infostelle Klimagerechtigkeit im Ökumenewerk der Nordkirche. Hier werden auch Projekte zur Anpassung an die Klimakrise in Partnerkirchen begleitet.

Der Grund für diese tiefgreifenden Veränderungen ist der Klimawandel. Er zerstört die Lebensgrundlagen nicht nur im Heimatdorf von Delphine Takwi. Ihr Dorf steht stellvertretend für unzählige andere Dörfer nicht nur in Afrika. Von Solidarität und dem Bestreben, gemeinschaftlich gegen die Katastrophe vorzugehen, erzählt auch Delphine Takwi: „Die Menschen in dem Dorf organisieren gemeinsame Baumpflanzaktionen oder haben die Holzbrücke über den Fluss so gesichert, dass keine Menschen mehr mitgerissen werden können.“

Globale Ungerechtigkeit: Kolonialerbe, Machtpolitik und Klimaschutz

Doch die Aktivitäten vor Ort werden nicht ausreichen, um die Lebensgrundlage der Menschen in Nkwen wiederherzustellen und zu sichern. Denn der Wandel steht in einem globalen Zusammenhang. „Unsere Regierung hat kein Interesse daran, für unsere Produkte wie Bananen oder Kaffee oder auch für die Bodenschätze, über die Kamerun verfügt, bessere und faire Preise auszuhandeln. Ihr Machterhalt ist ihnen wichtiger. Und dafür benötigen sie die Akzeptanz und Unterstützung der Regierungen in Europa oder China.“ Es sind machtpolitische Strukturen, die als Erbe der Kolonialzeit bis heute Wirkung zeigen und Ungerechtigkeiten am Leben erhalten.

Die billigen Preise leisten dem globalen, klimaschädlichen Konsumverhalten Vorschub. Auch Kamerun selbst wird von billigen Produkten aus anderen Ländern überflutet. „Statt traditioneller Materialien, die wiederverwendet werden können, stehen billige Produkte mit Plastikverpackung oder Wegwerfprodukte zur Verfügung. Wir sind ein willkommener Markt. Aber wir haben keine Müllabfuhr oder Recyclinghöfe wie in Europa. Deshalb ist die Menge an Verpackungsmüll ein riesiges und auch gesundheitsschädliches Problem“, weiß Delphine Takwi.

Blick auf Exponate in der Ausstellung Klimafluchten im Schleswiger Dom
Lebensgroße Figuren von Menschen aus Ländern wie Pakistan oder Bangladesh geben Auskunft über die Folgen, die das steigende Wasser für ihr Leben hat.© Antje Wendt, Nordkirche

Wenn die Heimat unbewohnbar wird

Wenn Menschen ihre Lebensgrundlage aufgrund des Klimawandels verlieren, verlassen sie ihre Heimat und fliehen – manche bis in die nächste Stadt, manche bis in andere Kontinente und Länder. Doch Klimawandel ist kein anerkannter Fluchtgrund – und gehört doch zur heutigen Realität. Die Ausstellung im Dom zeigt anhand einiger Beispielfälle, welche Einzelschicksale sich hinter dem Phänomen der Klimamigration verbergen. Und wie alles mit allem zusammenhängt.

Was uns im Kampf gegen den Klimawandel verbindet

Die großen Probleme und Herausforderungen, die der Klimawandel mit sich bringt, müssen wir gemeinsam angehen. Ein wichtiges Band, das uns dabei einen kann, sind Werte wie Solidarität, Hilfsbereitschaft und Gemeinschaft untereinander – und die Hoffnung, die daraus entsteht.

Ausstellung: Überschwemmungen durch Klimawandel und ihre Folgen

Klimabedingte Überschwemmungen zählen zu den verheerendsten Folgen des Klimawandels und zwingen weltweit Millionen Menschen zur Flucht. Laut UN-Berichten mussten allein zwischen 2016 und 2021 43,1 Millionen Kinder ihr Zuhause aufgrund von Wetterextremen wie Stürmen, Fluten und Dürren verlassen – Tendenz steigend. Besonders betroffen sind Länder des Globalen Südens, wo geografische Risikolagen und fehlende finanzielle Ressourcen die Anpassung erschweren. Überschwemmungen zerstören nicht nur Lebensgrundlagen wie Landwirtschaft und Infrastruktur, sondern führen auch zu Klimaflucht: Viele sehen sich gezwungen, gefährliche Migrationsrouten auf sich zu nehmen, da legale Wege fehlen. Seit 2014 ertranken schätzungsweise 30.000 Menschen im Mittelmeer auf der Suche nach Sicherheit. Die Ausstellung KLIMAFLUCHT macht diese Schicksale sichtbar und zeigt, wie dringend globaler Klimaschutz und solidarische Lösungen sind – und sie setzt das Schicksal der Betroffenen mit Erzählungen von betroffenen Menschen in Schleswig-Holstein in Beziehung.

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