Die güldene Sonne bringt Leben und Wonne
01. Oktober 2016
Andacht anlässlich der Übergabe der Erntekrone
SLiebe Brüder und Schwestern,
vielen Dank, liebe Elbkinner für Euer Lied! Es stammt ja von Gerhard Schöne, Liedermacher und Pastorensohn. Der hat ganz viele Lieder geschrieben, mal lustig, so wie das Lied eben, dann aber auch wieder ganz nachdenklich-tiefsinnige.
Vor 25 Jahren hat er auch etwas zu Erntedank gedichtet, nach einem alten Kirchenlied, ganz schön: „Die güldene Sonne bringt Leben und Wonne, vorbei ist die Nacht. Ich kriech aus den Decken, gieß Wasser ins Becken. Dann Frühstück gemacht. Ich atme die Kühle. Wie wohl ich mich fühle! Der Duft von Kaffee, ich lasse mir schmecken die leckeren Wecken mit Apfelgelee.“
Das macht doch Appetit aufs Leben! Und dazu gehört ja ganz elementar, dass man genießen kann. Essen und trinken zuallererst. Meine Großmutter sagte immer, wenn‘s so bitter früh aufzustehen oder man traurig gestimmt war: Iss erst mal was! Das hält Leib und Seele zusammen.
Und dann gab‘s Stuten. Mit Rosinen. Und – ich stamme ja aus Dithmarschen - mit Mettwurst. Zuckerei und Apfelgelee – auch nicht schlecht. Oder unglaublich schmackhaft ein frisches Vollkornbrot, warm noch, mit Butter und Salz. Und immer wenn ich das heute genieße, dann erinnert mich das an all die Lieblingsspeisen, mit der in unserer Familie die Liebe durch den Magen ging.
Wie wohl ich mich fühle, singt das Lied dazu. So versorgt zu sein. Und dankbar fühle ich, was das für ein Segen ist. Denn Lebensfreude und Arbeitssinn, Gesundheit und die Liebe des Lebens – dazu kann ich beitragen, aber dass es gelingt und wächst, haben wir eben nicht in der Hand.
Deshalb ist die Erntekrone jedes Jahr ein so ein wichtiges Symbol, und sie hochzuziehen wirkt sie eine feierliche, um nicht zu sagen: heilige Handlung! Die Trachten der Landfrauen gehören unabdingbar dazu. „Was meinen Sie“, sagte vorhin eine von ihnen zu mir, „was ich schon alles in dieser Tracht erlebt habe. Wunderschöne Feste mit Tanz, Singen und Freude. Wir hätten weniger Streit und Krieg, würden die Menschen mehr gemeinsam feiern und danken.“ Wie wahr! Wenn Dank das Herz und den Raum erfüllt wie gerade jetzt, dann lächelt der Mensch und schreit nicht. Ich hoffe, liebe Landfrauen, es war viel Freude und Lachen dabei, als sie diese schöne Erntekrone gebunden haben – danke dafür!
Danken zu können – das meint auch: sich Gedanken machen. Revue passieren lassen. Dieses Erntejahr war ja insgesamt gar nicht gut. Durchwachsen vielleicht allenfalls für die Obstbauern: Die Apfelernte ganz anständig, Süßkirschen wegen der Nässe eher schlecht. Ganz bitter aber die Getreideernte. Jüngst sprach ich mit einem ungefähr 60-jährigen Landwirt, der richtig verzweifelt war: katastrophale Milchquote, verregnete Getreideernte, vor allem aber sehr schwierige Zukunftsaussichten. Keines seiner Kinder, obwohl entsprechend ausgebildet, will den Hof übernehmen. Mit welcher Perspektive auch? Wie ankommen gegen die immer größer werdende Agrarindustrie? Die Überlebensfähigkeit der mittleren und kleinen Betriebe ist umfassend gefährdet, so viel einer (mit seiner Familie) auch arbeitet. Diese Sorge sollte uns gemeinsam umtreiben, liebe Gemeinde! Es braucht doch auch faire Preise und Bedingungen für die regionale Landwirtschaft - und darauf haben wir als Verbraucher/innen unmittelbar Einfluss.
Dazu gehört, die Freude an der Schöpfung zu behalten. Und zu wissen, was man tut, wenn man sie ausbeutet. Am vergangenen Sonntag haben genau hier an diesem Ort Konfirmanden gezeigt, wie wichtig es ist, die Schöpfungsgaben zu würdigen. Mit der Aktion der 5.000 Brote haben sie daran erinnert, dass das täglich Brot eben nicht selbstverständlich ist. Allzumal in Ländern, in denen es nahezu gar nichts zu essen gibt.
Bei dieser Aktion gehen Hunderte von Jugendlichen dieser Tage in Bäckereien, backen dort Brote und der Verkaufserlös geht an Projekte in armen Ländern, nach El Salvador, Ghana, Albanien. 5.000 Brote für die Welt - sie sind dabei auch ein Symbol. Es erinnert an Jesus, der Menschen nicht nur bepredigte, sondern sie auch satt gemacht hat. Damals, mit dem Speisungswunder, Sie erinnern sich. Die Zahl 5.000 steht dabei für die große Menge derer, die sich sehnt nach auskömmlichen Leben. Damals. Und heute. In etlichen afrikanischen Ländern, deren Ernten der Klimakatastrophe und einer absurden globalen Agrarpolitik zum Opfer fallen. Oder heute in den Flüchtlingsbooten, wo die Flüchtlinge von den Schleppern eng an eng gepfercht werden und ihr Leben riskieren. Alle hungern und dürsten sie – nach Wasser, gesunder, frischer Luft, Würde.
Am Erntedanktag danken wir nicht nur, wir denken auch. An sie, die nichts oder nur sehr wenig zu essen haben. Und an die Statistiken, die so bedrückend sind, dass sie uns Ansporn sein sollten: Das Essen nämlich, das wir jährlich in Europa wegwerfen, würde zweimal für die Ernährung aller Hungernden in der Welt reichen!
Unser tägliches Brot gib uns heute – das Gebet Jesu nimmt uns wirklich ins Gebet. Es erinnert daran, dass all die wesentlichen Lebensmittel nicht in unseren persönlichen Besitz übergegangen sind: das Korn und das Wasser nicht, gesunde Luft und Liebe natürlich auch nicht. Gottes Gnadengaben gehören der Welt. Wir sind Empfangende, jeden Tag wieder. So Gott will, auf der Suche danach zu teilen.
Und so reihen wir uns ein in den Zug derer, die Jesus folgen. Viel mehr sind wir als 5.000! Hungernd und dürstend nach Gerechtigkeit – und das heißt ja nichts anderes als getrieben von einer Sehnsucht, der Ungerechtigkeit, die wir in dieser Stadt sehen und in der ganzen Welt wahrnehmen, etwas Heilsames entgegenzusetzen.
Ermutigend dabei, dass unser Einsatz etwas nützt. Gerade in der vergangenen Woche nämlich ist eine Studie der Hilfsorganisation Oxfam veröffentlicht worden. Sie besagt, dass die Zahl der Menschen, die weltweit in extremer Armut leben, in den vergangenen 20 Jahren um die Hälfte gesunken ist. Die Zahl der Hungernden nimmt weltweit immer mehr ab - allerdings nicht von selbst, sondern weil Menschen sich engagieren, um hier etwas zu verändern. Man kann also etwas tun! Lassen Sie sich nicht das Gegenteil einreden!
Dort wo die Zahl der Hungernden steigt, im Jemen, in Westafrika, liegt das oft am Krieg. Oder am Terror. Aber auch dagegen kann man etwas unternehmen, und der erste Schritt ist oft: Das scheinbar Unmögliche für möglich halten. Immer wieder den Frieden stark machen und nicht das Kriegsgerede und die Angstmachereien. Immer wieder beten für ein Ende von Gewalt und Ausbeutung. Denn wer betet, findet sich nicht ab! Wer betet, denkt. Sieht also genau hin. Wer betet, der erkennt auch in der Not immer wieder Spuren der Hoffnung. Schön formuliert – und ich ende, wie ich begonnen habe - mit dem Erntedanklied von Gerhard Schöne. „Ach wenn ich doch sähe das Licht in der Nähe jeden Augenblick. So steh ich mitunter wie blind vor dem Wunder, dem täglichen Glück. Die güldene Sonne bringt Leben und Wonne. Ich bin übern Berg. Nun will ich beginnen mit hellwachen Sinnen mein heutiges Werk.“
Ich wünsche Ihnen und Euch ein reiches Erntedankfest, begleitet vom Segen Gottes, jeden Tag neu.
Denn: Gott is bi di – wees man nich bang!
Amen.