7. Februar 2016 | St. Petri-Dom zu Schleswig

Die Liebe Gottes wirkt in uns und durch uns

07. Februar 2016 von Gothart Magaard

Estomihi, Predigt zur Ordination über 1. Korinther 13, 1-13

Der Friede Gottes sei mit uns allen.
Amen.

Liebe Festgemeinde, liebe Ordinandinnen!

In hac Epistola ist zw viel auff 1 bissen gefast“ (also soll heißen: „in diesem Brief ist zu viel auf einmal geschrieben“) – kein Geringerer als Martin Luther hat eine Predigt zum Hohen Lied der Liebe im Jahr 1531 so begonnen. Man könnte sich in der Tat an der Vielzahl der Gedanken verschlucken – und vielleicht könnte mancher gar diese Rede über die Liebe, dieses Hohelied von der Liebe in den falschen Hals bekommen.

Ich lese diese bekannten Worte des Apostels Paulus daher noch einmal:

Wenn ich mit Menschen- und mit Engelzungen redete und hätte die Liebe nicht, so wäre ich ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle.

Und wenn ich prophetisch reden könnte und wüsste alle Geheimnisse und alle Erkenntnis und hätte allen Glauben, sodass ich Berge versetzen könnte, und hätte die Liebe nicht, so wäre ich nichts.

Und wenn ich alle meine Habe den Armen gäbe und ließe meinen Leib verbrennen und hätte die Liebe nicht, so wäre mir's nichts nütze.

Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen, sie bläht sich nicht auf,

sie verhält sich nicht ungehörig, sie sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu,

sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, sie freut sich aber an der Wahrheit; sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles.

Die Liebe hört niemals auf, wo doch das prophetische Reden aufhören wird und das Zungenreden aufhören wird und die Erkenntnis aufhören wird.

Denn unser Wissen ist Stückwerk und unser prophetisches Reden ist Stückwerk.

Wenn aber kommen wird das Vollkommene, so wird das Stückwerk aufhören.

Als ich ein Kind war, da redete ich wie ein Kind und dachte wie ein Kind und war klug wie ein Kind; als ich aber ein Mann wurde, tat ich ab, was kindlich war.

Wir sehen jetzt durch einen Spiegel ein dunkles Bild; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise; dann aber werde ich erkennen, wie ich erkannt bin.

Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen.


Liebe Schwestern und Brüder,

wir hören diese Worte an einem besonderen Tag. Die Ordination junger Pastorinnen und Pastoren, heute die Ordination von drei Pastorinnen, ist ein Fest unserer ganzen Kirche. Wir freuen uns, liebe Schwestern, dass Sie nun Ihren Dienst in den Kirchengemeinden antreten werden. Ihre Gemeinden freuen sich, dass Stellen besetzt werden und Pastorate bewohnt. Sie freuen sich auf Ihre Ideen und Impulse, vielleicht im Blick auf die Gottesdienstgestaltung, auf die Jugendarbeit oder die Seelsorge. Sie freuen sich darauf, dass bewährte Formen fortgeführt werden und eine Ansprechpartnerin da ist, die für Gespräche, für die Begleitung in besonderen Lebenssituationen Zeit hat.

Die Worte des Predigttextes für den heutigen Sonntags werden Sie in Ihrem Dienst begleiten – man muss kein Prophet sein, um das abzusehen. Sie werden ihn in kirchlichen Trauungen lesen und vielleicht über Tauf- oder Trausprüche aus diesem Kapitel predigen.

Sie werden wohl gelegentlich auch darum ringen müssen, ihn neu hörbar werden zu lassen. Ihn in seiner theologischen Tiefenstruktur zu verdeutlichen, und dabei zugleich verständlich zu bleiben. Das ist ja die Herausforderung gerade bei so bekannten Worten, die jede und jeder schon mehr als einmal gehört hat.

Und zugleich ist es eine besondere Chance, dass unsere Geschichten mit solch prominenten biblischen Worten verwoben sind. Wir können daran anknüpfen, dass sie eine Bedeutung im Leben der Menschen in unseren Gemeinden haben.

In unserer gemeinsamen Vorbereitung auf diesen Gottesdienst hat sich dieser biblische Text mit Ihrem Weg in den Dienst unserer Kirche verknüpft. Ich möchte heute daher einige Beobachtungen mit Ihnen, liebe Gemeinde, teilen, und damit dazu beitragen, dass wir uns gemeinsam über das Amt und die Beauftragung unserer Pastorinnen vergewissern.

Meine erste Beobachtung: 

Die Liebe ist das Subjekt in diesem Briefabschnitt des Apostels. „Die Liebe ist langmütig und freundlich“ … so beginnt Paulus einen Abschnitt, in dem immer wieder von dem die Rede ist, was die Liebe tut oder nicht tut. Das versteht sich nicht von selbst und wird doch gelegentlich überhört.

Dabei wird gerade hier ein ganz wesentlicher Aspekt deutlich: Paulus Worte wären als ein Forderungskatalog gründlich missverstanden. Die Gemeinde, an die er seine Worte richtete, war zwar zerstritten, und er hatte wirklich allen Grund, angesichts der lieblosen Zustände den Zeigefinger zu heben.

Doch hier wählt er einen anderen Weg. Er verkündet keine Agenda der Liebe, die die Gemeinde umzusetzen hat. Sondern er malt vor Augen, was die Liebe, dort wo sie am Werk ist, bewirkt.

Die Liebe ist eine Kraft Gottes, die durch die Menschen wirkt. Sie nimmt sie in den Dienst und bricht die Verhärtungen auf, die sie im täglichen Miteinander hemmt und träge macht:

• Sie richtet Menschen auf und führt sie auf die anderen Menschen zu.

• Sie befreit und macht versöhnungsfähig.

• Die Liebe tut all das. Es ist die geschenkte Liebe, die wir uns weder selbst verordnen können noch irgendein anderer Mensch.

Weil wir sie am eigenen Leib spüren, weil wir liebevoll angesehen werden, nur aus diesem einen Grund wird sie wirksam.

Liebe Schwestern, liebe Gemeinde,

das ist der Kern und Inhalt unseres Dienstes als Pastorinnen und Pastoren: die Liebe Gottes dieser Welt und den Menschen zu bezeugen. Wir bezeugen sie in der ganzen Vielfalt ihrer Wirksamkeit:

Sie ist kreativ und befreiend. Sie ist auch unerbittlich, wo menschliche Wege in die verkehrte Richtung führen. Sie bedient sich kurioser Mittel und manchmal auch schräger Typen und kommt zu uns auf unergründlichen Wegen. Sie wirkt in uns und durch uns.

Ich höre diese Worte als Ermutigung für unseren Dienst. Wir müssen und können uns das Evangelium nicht ausdenken. Es ist nicht unsere Sache, die Wirklichkeit von Gottes Liebe zu beweisen. Gott bringt sich und seine Sache vielmehr selbst zur Sprache. Er nimmt uns in seinen Dienst.

An uns ist es nur, sich seiner Sache zu vergewissern: im Gebet, im Lesen und Singen, in der Stärkung, die wir selbst im Austausch mit Geschwistern und Gemeindegliedern erfahren.

Dazu braucht es Zeit. Kurzatmigkeit und fortwährendes Gehetztsein sind keine Qualitätsmerkmale. – Die Freude an dem, was wir tun, ist es allerdings allemal. Und ich wünsche mir, dass diese Freude in Ihnen wächst, auch durch schwierige Situationen hindurch.

Eine zweite Beobachtung:

Paulus benennt das Bruchstückhafte. Denn unser Wissen ist Stückwerk und unser prophetisches Reden ist Stückwerk. Wenn aber kommen wird das Vollkommene, so wird das Stückwerk aufhören. Als ich ein Kind war, da redete ich wie ein Kind und dachte wie ein Kind und war klug wie ein Kind; als ich aber ein Mann wurde, tat ich ab, was kindlich war.

 Wir sehen jetzt durch einen Spiegel ein dunkles Bild; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise; dann aber werde ich erkennen, wie ich erkannt bin.“

Paulus schreibt uns damit deutlich ins Stammbuch, dass wir zwar auf Vollendung hin leben und wirken, doch dass auch deren Verwirklichung allein Sache Gottes in der von ihm geschenkten Zukunft ist.

Wir wissen um das Bruchstückhafte, das Fragmentarische in unserem persönlichen Leben und im Leben unserer Kirche. Wir wissen um das Unvollendete, darum, dass wir einander Dinge schuldig bleiben, auch wenn uns vieles glücken und gelingen mag. Es ist eine Kunst, diese Ambivalenzen zu benennen, ohne die Dinge zu vereinseitigen.

Liebe Schwestern und Brüder, die hohen Ansprüche, die wir als Kirche an uns, die Sie als Pastorinnen an sich selbst stellen, sind keine leichte Last - gerade in einer Zeit, in der vieles nicht mehr selbstverständlich ist.

Ich habe den Eindruck, dass uns Vieles mit der Situation in Korinth verbindet, die Paulus vor Augen hat: der religiöse Markt ist geöffnet für die unterschiedlichsten Religionsgemeinschaften. Es gibt eine Freiheit und einen Zwang zur Wahl. Und es gibt auch eine Konkurrenzsituation zwischen den verschiedenen Weisen, den christlichen Glauben zu leben. Wer sich da für die öffentliche Verkündigung des Evangeliums in den Dienst nehmen lässt, mutet sich etwas zu. Die Last, liebe Ordinandinnen, werden Sie vielleicht auch schon gespürt haben an den Theologischen Fakultäten, im Bekannten- und Freundeskreis, vielleicht auch im Familienkreis.

„Denn unser Wissen ist Stückwerk“ – Wir haben nicht die letzte Weisheit. Wir sind und bleiben Suchende, die bereit sind, sich von Gott finden zu lassen. So wie Kinder, die unvoreingenommen und staunend die Welt entdecken, und die gefunden werden wollen, auch wenn das Versteck noch so gut ausgedacht ist.

Wir bringen unsere Möglichkeiten und Gaben ein, wissend darum, dass wir Teil einer Gemeinschaft sind. Einer Gemeinschaft, in der vielfältige Gaben zusammenwirken, sich reiben und alles in allem dazu beitragen, dass die Gnade Gottes so bunt und vielfältig bezeugt wird, wie sie sich selbst in dieser Welt zeigt.

Die Bruchstücke ergeben auch zusammengelegt kein vollständiges Ganzes, zumindest aus unseren begrenzten Perspektiven. Aber sie ergeben ein wundervolles Mosaik, das in bunten Farben glänzt und glitzert, das einige Leerstellen und angeschlagene Steinchen enthält und das weit über unseren Blickwinkel hinausreicht.

Und Gott, darauf vertrauen wir, wird diese Bruchstücke zusammenfügen, auch die Fragmente unseres Wirkens, und zur Vollendung führen. In dieser Gewissheit, unter dem Vorzeichen dieser Hoffnung, nehmen wir unseren Dienst auf und leben wir unser Leben als Christinnen und Christen. – Und ich wünsche Ihnen, dass Sie in dieser Hoffnung gestärkt werden.

Eine dritte und letzte Beobachtung:

Paulus geht der Sache auf den Grund –Nun aber bleibenGlaube, Hoffnung,Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen. So endet der Abschnitt aus dem 1. Korintherbrief. Paulus dringt damit in die Tiefen des Glaubens vor. Zuletzt stehen wir vor dem unergründlichen Geheimnis von Gottes Liebe. Sie wird in Jesus Christus tatkräftig, sie kommt zur Sprache und treibt uns in Christi Geist an.

Mehr gibt es zuletzt nicht zu sagen – doch schon damit bleibt man ein Leben lang beschäftigt. Die Theologie, der Dienst einer Pastorin und eines Pastors ist eine schöne und bereichernde Aufgabe.

• Es ist verheißungsvoll, diese Welt, die Beziehungen zwischen Menschen unter dem Vorzeichen der Liebe Gottes zu entziffern.

• Es ist tröstend, wenn wir im Bewusstsein dieser Liebe, die über die Grenzen des irdischen Lebens hinaus trägt, auch dort von Hoffnung zu sprechen wagen, wo Schweigen einfacher wäre.

So sind wir nun wieder am Beginn des heutigen Predigttextes angekommen: „In hac Epistola ist zw viel auff 1 bissen gefast.“ hat Martin Luther gesagt und ich erlaube mir, ihm zu wiedersprechen.

Ja, es ist viel, aber nicht zu viel. Denn ich lasse es mir gern sagen, intensiv und dicht gedrängt, dass uns diese Liebe zugesprochen ist, dass wir nichts dafür tun müssen und dass sie uns trägt, auch wenn uns nichts mehr zu tragen scheint.

Und dass fürIhren Dienst als Pastorinnen, den Sie nun antreten, ebenso wie für uns als bereits ordinierte Pastorinnen und Pastoren in Kirchengemeinden und Diensten und Werken, als Personaldezernenten, als Predigerseminarleiter oder als Bischof ebenso wie für alle Mitarbeitenden, haupt- und ehrenamtlich, für alle Christinnen und Christen in Schleswig, in der Nordkirche und in der weltweiten Ökumene gilt:

"Wenn ich mit Menschen- und mit Engelzungen redete und hätte die Liebe nicht, so wäre ich ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle. Und wenn ich prophetisch reden könnte und wüsste alle Geheimnisse und alle Erkenntnis und hätte allen Glauben, sodass ich Berge versetzen könnte, und hätte die Liebe nicht, so wäre ich nichts.

Wir sehen jetzt durch einen Spiegel ein dunkles Bild; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise; dann aber werde ich erkennen, wie ich erkannt bin.

Nun aber bleibenGlaube, Hoffnung,Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen.

Dazu helfe uns Gott.

Amen.

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