„Die Natur ist ein Geschenk Gottes“
30. April 2016
Predigt beim Eröffnungsgottesdienst der LandesgartenschauTeil II zu Jesaja 55, 12-13 (I. Predigtteil: Propst Sunderdieck, Jesaja 55,8-11)
Liebe Festgemeinde,
„Denn ihr sollt in Frieden ausziehen und im Frieden geleitet werden. Berge und Hügel sollen vor euch her frohlocken mit Jauchzen und alle Bäume auf dem Felde sollen in die Hände klatschen. Es sollen Zypressen statt Dornen wachsen und Myrten statt Nesseln. Und dem HERRN soll es zum Ruhm geschehen und zum ewigen Zeichen, das nicht vergehen wird.“
Gerade in diesen Tagen höre ich diese Worte des Propheten Jesaja mit besonderer Aufmerksamkeit. In diesem wunderschön angelegten Park der Landesgartenschau, der so wie wir selbst sicher auch noch ein wenig mehr Sonne und Wärme benötigt, aber doch schon erkennbar dazu führen wird, dass nicht nur die Bäume in die Hände klatschen werden, sitzen wir in Frieden beieinander und haben allen Grund dankbar und fröhlich zu sein. Gott hat uns diesen Augenblick geschenkt, um Kraft zu sammeln und gemeinsam auf das zu sehen, was uns im Leben trägt. Auf das, was unser Leben reich macht. Auf die Menschen, die Natur, die Tiere und das Wasser.
„Es sollen Zypressen statt Dornen wachsen und Myrten statt Nesseln.“ Wie viele schöne immergrüne Zypressen und Myrten gibt es bereits in unserem Leben! Wir oft dürfen wir bei genauem Hinhören bemerken, dass die Bäume auf dem Felde vor Freude in die Hände klatschen!
Aber zugleich sehen und spüren wir auch an einem so fröhlichen Tag wie heute die andere Seite. Das, worauf der Prophet Jesaja in seinen Worten auch blickt: Die Dornen und Nesseln in unserem eigenen Leben. Das undurchdringliche Grenz-Gestrüpp Europas und der Welt. Den durch Menschenhand verbrannten Boden. Die ausgetrockneten Flüsse und leergefischten Meere.
Und so höre ich genau hin, wenn Jesaja zu uns spricht: Es sollen Zypressen statt Dornen wachsen und Myrten statt Nesseln – Was für eine Verheißung ist das für uns Menschen, und zwar für alle Menschen, in diesen Zeiten!
Was für eine Verheißung für all jene, die auch in diesem Land am Rand stehen – die Kinder, die nicht am Reichtum unserer Gesellschaft teilhaben können. Die Senioren, die ausgeschlossen sind, weil ihnen das Geld und die Kraft fehlen. Die Frauen und Männer, die keinen Ort in unserem von Arbeitsleistung so sehr geprägten Miteinander haben.
Was für eine Verheißung, wenn ich an die vielen geflüchteten Menschen denke, die in für mich bis dahin unvorstellbarer Weise im letzten Jahr in und durch unser Land gezogen sind, auf der Suche nach Frieden und ein bisschen Zukunft für sich und ihre Kinder!
Was für eine Verheißung für die Gestrandeten an den europäischen Grenzen, die wir nicht hereinlassen wollen aus Angst vor – ja vor was eigentlich genau? Was für eine Verheißung für diese Welt!
„Denn ihr sollt in Frieden ausziehen und in Frieden geleitet werden.“ Das ist keine Vertröstung, sondern Grund zu leben und das Leben zu lieben!
Als Christinnen und Christen glauben wir Gottes Macht, seine Kraft zur Veränderung größer als das, was wir täglich in dieser Welt erleben. Wir vertrauen darauf, dass die Abschottung, die Gewalt, die Angst oder Gleichgültigkeit gegenüber unserem Nächsten, der unsere Hilfe sucht, nicht das letzte Wort hat und nicht die Zukunft dieser Welt ist.
Wir tun dies nicht aus falschem, blauäugigem Idealismus, aus Weltfremdheit heraus. Ganz im Gegenteil. Wir wissen um die Herausforderungen, die vor uns als Gesellschaft liegen, in Europa und in unserer Welt. Wir wissen, dass es tatkräftiges Handeln und mutiges Denken braucht für mehr Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung. Wir wissen, dass der Weg lang ist zum Frieden in von Gewalt und Tod geprägten Regionen.
Umso dankbarer bin ich angesichts der Vielzahl von Menschen in unserem Land, die sich engagieren und einmischen: Die Politikerinnen und Politiker ebenso wie die, die sich in den Kirchengemeinden engagieren, die Mitglieder in den Vereinen und Stiftungen und die Nachbarinnen und Nachbarn, die hinsehen und hinhören und dort wo es Not tut eine helfende Hand reichen.
Und hier in Eutin sehen wir heute, wie die Natur aus dem Boden hervorsprießt. Angesichts des neu anbrechenden Lebens wird uns vor Augen geführt, was wir am Osterfest gefeiert haben: Der Lebenswille Gottes für uns Menschen ist größer und stärker als der Tod.
In dem Stück des Musikers Gregor Meyle, das die Band gleich spielen wird, heißt es in der ersten Strophe:
Immer wenn wir glauben, dass wir angekommen sind
Immer wenn wir funkeln, wie die Augen eines Kindes
Immer wenn wir stolz sind auf uns selbst
uns ein schwerer Stein vom Herzen fällt
Immer wenn wir Liebe in uns spüren, sehen wir das Licht.
Der Prophet Jesaja verheißt uns, dass Gottes Liebe zu uns nicht an unseren menschlichen Grenzen endet. Dass Gottes Lebenswille für uns größer ist als alles, was wir uns vorstellen können.
Wenn Gott seine neue Welt baut, dann werden die Bäume vor Begeisterung in die Hände klatschen!
Ich hoffe sehr, dass hier in den kommenden Wochen nicht nur Bäume in die Hände klatschen, sondern viele, viele Menschen, die über die große Vielfalt an Formen und Farben staunen und dem Schöpfer dankbar sind.
Amen.