21. Februar 2016 | St. Petri-Dom zu Schleswig

„Die Predigt als öffentliche Rede trägt eine besondere Verantwortung“

21. Februar 2016 von Gothart Magaard

Predigt zu Röm 5, 1-5 im Gottesdienst anlässlich der Beauftragung von Prädikantinnen und Prädikanten

Der Friede Gottes sei mit uns allen. Amen.

Liebe Festgemeinde,

und heute besonders: liebe Prädikantinnen und liebe Prädikanten,

am Tag Ihrer Beauftragung und Sendung sind Worte aus dem Römerbrief des Apostels Paulus als Predigttext vorgesehen. Ich lese den Abschnitt aus dem Römerbrief, es sind aus dem 5. Kapitel die Verse 1-5.

„Da wir nun gerecht geworden sind durch den Glauben, haben wir Frieden mit Gott durch unsern Herrn Jesus Christus; durch ihn haben wir auch den Zugang im Glauben zu dieser Gnade, in der wir stehen, und rühmen uns der Hoffnung der zukünftigen Herrlichkeit, die Gott geben wird.

Nicht allein aber das, sondern wir rühmen uns auch der Bedrängnisse, weil wir wissen, dass Bedrängnis Geduld bringt, Geduld aber Bewährung, Bewährung aber Hoffnung, Hoffnung aber lässt nicht zuschanden werden; denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsre Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist.“

Liebe Schwestern und Brüder,

es gibt für den Tag Ihrer Einführung als Prädikantinnen und Prädikanten wohl keinen Gesprächspartner, der so anregend und herausfordernd ist, wie eben der Apostel Paulus. Wir bekommen es mit einem scharfsichtigen Denker des Glaubens zu tun: Paulus kennt die Kunst der antiken Argumentation. Wir merken das noch am deutschen, nicht immer leichten, Satzbau. Er geht der Sache Gottes und Jesu Christi auf den Grund und stellt seine heutigen Predigerinnen und Prediger damit vor Herausforderungen.

Und zugleich ist er einer unserer ersten Vorgänger in diesem Amt. Paulus war ein leidenschaftlicher Theologe im Dialog mit den Menschen seiner Zeit. Seine Briefe sind immer an Gemeinden in bestimmten Situationen gerichtet gewesen. Sie enthalten keine Allerweltsweisheiten. Sie sind wirkliche Predigt, Ansprache. Sie wollen bewegen und verändern. Sie greifen in Konflikte ein und wollen Menschen bestärken, die schwere Momente durchleben.

Darum lohnt es sich auch immer wieder, seinen Gedankengängen zu folgen: man stößt mit Paulus bis zum Kern des Glaubens vor. Man buchstabiert auch in noch so kleinen Abschnitten eines Paulusbriefes durch, was es bedeutet, dass Jesus Christus für uns gelebt hat und gekreuzigt wurde. Und man wird zugleich mit der Aktualität der biblischen Botschaft konfrontiert.

Denn Paulus hat stets im Blick, was das Evangelium bedeutet, sei es für eine zerstrittene Gemeinde oder für Menschen, die sich fragen, was mit ihren Verstorbenen geschieht.

Auch der Predigttext für den heutigen Sonntag führt uns in diesem Sinne tief in die biblische Überlieferung und in die Fragen unserer Zeit hinein. Seine theologische Tiefe wird für mich schon in einem einzigen unscheinbaren Wort deutlich, das ich heute hervorheben möchte: Gott, so schreibt Paulus, „gibt“. „… denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsre Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist.“ So endet der Predigttext. Das bedeutet: Wenn wir Gott verkündigen, dann kommt keine träge, in sich ruhende Gestalt, die irgendwo in der Ferne zu finden ist, zur Sprache. Nein, der Gott der Bibel ist kein Gott, der ruhig und entspannt das Weltgeschehen verfolgt. Wir verkündigen einen Gott, der in Beziehung zu uns steht.

„Gott hat gegeben“ – das ist der Grund, auf dem wir stehen. Heute denke ich ganz besonders daran, was das für Sie, als Prädikantinnen und Prädikanten, bedeuten wird.

Zum einen bedeutet es: Sie haben allen Grund, sich als begabte Menschen wahrzunehmen. Und ich bin mir sicher, dass Sie während Ihrer Ausbildung, während Ihres Weges in den Dienst der Wortverkündigung, Begabungen entdeckt haben, die Ihnen vielleicht gar nicht bewusst waren.

Sie haben festgestellt, dass es Ihnen Freude bereitet, anderen von dem zu erzählen, was Sie in der intensiven theologischen Auseinandersetzung entdecken. Sie haben gemerkt, dass Sie Menschen begeistern können, weil Sie biblische Texte neu und frei erzählen können. Oder Sie haben neu gespürt, wie gut es ist miteinander vor Gott zu Schweigen und miteinander seine Gegenwart im Abendmahl zu feiern.

Gott hat gegeben – so finden wir uns vor, und so haben wir allen Grund den Menschen in unseren Gemeinden zu begegnen. Und wir begegnen ja auch in ihnen Menschen, an denen Gott längst gehandelt hat und denen seine liebevolle, geistreiche und kreative Zuwendung ebenso gilt wie uns.

Gott hat gegeben – wer den Predigttext aufmerksam liest, wird feststellen, wie sehr Gott selbst hier Handelnder ist. Gott bringt sich selbst zur Sprache – es ist eine der ganz wichtigen Erkenntnisse, die uns leiten sollte. Wir verkündigen nicht uns selbst, und wir müssen uns das Evangelium nicht ausdenken. Auf uns liegt nicht die Begründungslast, als ob wir beweisen müssten, dass es Gott gibt und dass es für unser Leben eine Bedeutung hat, wenn dem so ist.

Diese Last, liebe Schwestern und Brüder, ist uns genommen. Gott wird sich zur Sprache bringen, Gott sei Dank, nicht nur durch uns, aber auch durch uns. Er nimmt uns in seinen Dienst und stiftet uns dazu an, weiterzusagen, in diese Welt hineinzuraunen und laut zu rufen, was es mit seiner Liebe auf sich hat.

Durch ihn, durch seine Gnade sind wir, was wir sind. Und darum können wir um Gottes willen nicht von ihm schweigen. So weiß Paulus sich selbst in den Dienst genommen, und so, liebe Schwestern und Brüder, gilt es auch für unseren Dienst als Pastorinnen und Pastoren, als Prädikantinnen und Prädikanten.

Es ist eine ungemein schöne Aufgabe, diesem Gott auf die Spur zu kommen, sich in der Beschäftigung mit biblischen Texten in der Predigtvorbereitung selbst von ihm finden zu lassen und täglich neu seine Güte kennenzulernen.

Da wir nun gerecht geworden sind durch den Glauben, haben wir Frieden mit Gott durch unsern Herrn Jesus Christus; durch ihn haben wir auch den Zugang im Glauben zu dieser Gnade, in der wir stehen, und rühmen uns der Hoffnung der zukünftigen Herrlichkeit, die Gott geben wird. … so beginnt Paulus, und bringt dann doch noch einmal einen anderen Ton hinein: … wir rühmen uns auch der Bedrängnisse, weil wir wissen, dass Bedrängnis Geduld bringt, Geduld aber Bewährung, Bewährung aber Hoffnung, Hoffnung aber lässt nicht zuschanden werden.

Paulus selbst könnte an dieser Stelle Geschichten erzählen: von den Anfeindungen, die ihm auch zuteilwurden, von der eigenen körperlichen Schwäche und davon, dass er selbst in Gefangenschaft geriet und verfolgt wurde. Sein Lebensweg weist Brüche auf, auch jenen radikalen Bruch, der dazu führte, dass aus dem Verfolger des christlichen Glaubens eine ihrer prägenden Gestalten wurde. Gerade das macht aber für mich seine Faszination aus.

Was helfen uns die Bilderbuchbiographien in Glaubenssachen? Richten sie uns auf mit unseren mehr oder weniger bruchstückhaften Lebensgeschichten, mit unserem Schwanken zwischen Zweifel und Vertrauen, zwischen dem, was uns misslingt, und dem, was uns glückt?

Mich selbst sprechen die biblischen Gestalten viel mehr an, deren Lebenswege nicht geradlinig verlaufen, die vom Leben gezeichnet sind. In ihren Erfahrungen finden sich Menschen auch unserer Zeit wieder. Sie sind uns nah in ihrem Ringen mit Gott. Wir können uns einfühlen in ihre Sorge, den Aufgaben nicht gewachsen zu sein und in ihrer Erfahrung, dass sie im Glauben über sich hinauswachsen.

Unsere Lebensgeschichten gehören mit ihren vielfältigen Facetten zu den Schätzen, die wir in unsere Predigtarbeit einbringen. Sie lassen uns lebensnah von Gott erzählen. Sie geben unseren Gedanken Tiefe.

Durch sie wird deutlich, oft genug unausgesprochen, dass uns das selbst angeht, was wir lesen und hören. Mich haben Ihre Erzählungen, liebe Schwestern und Brüder, über die Wege, die Sie zum heutigen Tag geführt haben, beeindruckt. Einige haben den dreijährigen Ausbildungsgang zur Prädikantin und zum Prädikanten absolviert, andere haben andere kirchliche Ausbildungsgänge hinter sich. Einige sind schon lange an verschiedenen Orten unserer Kirche engagiert, andere sind erst vor wenigen Jahren aufmerksam und ermutigt worden.

Sie alle bringen viel Lebenserfahrung, unterschiedliche Berufserfahrungen und Freude und Interesse an der Aufgabe der Verkündigung des Wortes Gottes mit. Ich bin sicher, Sie werden eine Bereicherung für das gottesdienstliche Leben in ihren Gemeinden sein!  Sie bringen wertvolle Gaben und Erfahrungshintergründe mit, und ich freue mich, Sie auf oder je nach Ortstradition gelegentlich auch neben den Kanzeln unserer Gemeinden zu wissen.

Wenn Paulus von Bedrängnis spricht, dann werden wir zugleich daran erinnert, dass das Evangelium nicht immer eine bequeme Angelegenheit ist. Die Botschaft von Jesus Christus, von seiner Tischgemeinschaft mit Zöllnern und Sündern, von seiner Infragestellung der damals geltenden Normen und Glaubensregeln, war immer auch provozierend und anstößig.

Und es ist keineswegs so, dass es in der christlichen Gemeinde nicht Streit um Richtung und Kurs unserer Kirche gäbe. In mancherlei Hinsicht sind wir vor Bedrängnis und Anfechtung im Dienst der Verkündigung nie sicher. Auch dort nicht, wo die politischen Konsequenzen des Evangeliums auf der Hand liegen, weil die Würde von Menschen gefährdet ist oder Unrecht geschieht, das um Gottes willen nicht verschwiegen werden darf.

Die Predigt als öffentliche Rede trägt eine besondere Verantwortung. Wir tragen als Predigerinnen und Prediger das Risiko das auszusprechen, was nach bestem Wissen und Gewissen um Gottes willen gesagt werden muss – und wir werden nicht immer Verständnis erfahren. So gedenken wir an diesem Sonntag besonders der Christinnen und Christen weltweit, die Verfolgung an Leib und Seele erleben – viele auch im Nahen Osten. Wir beten für sie und denken an sie. Und wir werden besonders aufmerksam für die Christen unter den Flüchtlingen.
Wir wissen nicht, wie sich diese Welt oder nur unsere Gesellschaft entwickeln wird – doch wir werden immer wieder auch bereit sein müssen, uns der Bedrängnis zu stellen. Mit Paulus geschieht dies in der Gewissheit, dass der Glaube auch in solchen Momenten wächst, dass seine Wurzeln stärker werden und uns Halt geben.

Die Gemeinschaft und der Austausch mit denen, denen wir in unserem Dienst verbunden sind, ist gerade in diesen Zeiten unerlässlich, so wie sie uns auch in der gemeinsamen Hinwendung zur Überlieferung nie ärmer macht, sondern bereichert. Ich wünsche Ihnen, dass Sie solche Gemeinschaft erfahren und darauf vertrauen können, dass Gott vielstimmig bezeugt wird.

… die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsre Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist. So, liebe Gemeinde, endet Paulus. Im Kern ist Gottes Wesen, ist das Evangelium, das uns zur Weitergabe aufgegeben ist, nichts anderes als die Botschaft dieser Liebe Gottes, die in uns und durch uns wirkt.

Wir freuen uns mit Ihnen, liebe Prädikantinnen und Prädikanten, dass Sie sich dieser Aufgabe widmen werden. Die Freude am Evangelium wünsche ich Ihnen in all dem, was Sie erwarten wird.
Amen.

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