24. Dezember 2015 | Heiligabend | Dom St. Nikolai zu Greifswald

Die verändernde Kraft der Weihnacht

24. Dezember 2015 von Hans-Jürgen Abromeit

Predigt zu Titus 2, 11-14 in der Christvesper am Heiligen Abend

Liebe Gemeinde,

ist das nicht wunderbar, wie Weihnachten uns in eine andere Zeit versetzt? Man muss einmal in die leuchtenden Kinderaugen gesehen haben, um berührt zu sein von diesem Anderen, das Weihnachten mit sich bringt.

Warum feiern wir Weihnachten? Geht es darum, einmal arbeitsfrei zu haben, ein Familienfest zu feiern, eine Gelegenheit zum Schenken zu bekommen? Das alles gehört zur Form des Feierns, wir fragen aber nach dem Inhalt. Es gibt ja heute manchmal schon die Sitte, alles in die Verpackung zu investieren. Da bekommst du ein Geschenk - Superverpackung! Da haben wir z.B. verschiedene Kartons, tolles Geschenkpapier, eine besondere Kordel und noch ein nie gesehener Anhänger. Alles schon nicht billig. Aber dann kommt ein Geschenk zum Vorschein, na ja, brauchen wir eigentlich auch nicht. Wir leben in einer Zeit der Ästhetik, die sehr viel Wert auf die Verpackung legt. Auch bei Weihnachten ist die Verpackung schön. Aber es lohnt sich, nach dem Inhalt des Weihnachtsfestes zu fragen.

Weihnachten steht in der Bibel in einer bestimmten Geschichte. Das Volk Israel erwartete in seiner dunklen, hoffnungslosen Situation einen Wandel. Es schaute aus nach Licht in der Finsternis. Es hoffte in einer von Kriegen geschüttelten Zeit auf einen Friedefürsten. Die Erwartung richtete sich auf die Ursprünge und deswegen auf die Stadt Bethlehem. Sollte von dort noch einmal einer kommen – wie David, der erste große König Israels, der auch aus Bethlehem kam – der dem Volk helfen sollte?

Wir haben in der Lesung gehört von der Wanderung der schwangeren Maria mit Josef nach Bethlehem, von der schlichten Geburt des erwarteten Kindes, das aus Platzmangel in eine Futterkrippe gelegt wurde. Wir haben gehört, wie Hirten auf dem Felde durch einen Engel die Nachricht übermittelt wurde, dass nun der Heiland geboren sei. Der erwartete Retter, der Messias Israels, wie wir sagen: der Christus. All das bedeutete ja für ein unter Besatzung lebendes, unfreies Volk nicht weniger als: Ihr könnt Hoffnung schöpfen! Und dann war da der Gesang der Engel, der vom „Frieden auf Erden“ in ihren Ohren schallte. All dies hieß nicht weniger, als ein: Ihr könnt euch freuen! Hoffnung, Friede und Freude sind die großen Worte, die mit der Weihnachtsgeschichte verbunden sind.

Aber natürlich fragt man sich: „War’s das?“ Sind das nicht alles nur Absichtserklärungen? Wann kommt denn der Friede auf Erden? Offensichtlich im Nahen Osten, wo die Engel damals vor 200 Jahren zur Zeitenwende davon gesungen haben, ist er bis heute nicht angekommen. Sind das doch nur alles fromme Geschichten, die Kinder verzücken und Alte in Nostalgie fallen lassen?

Genau da setzt der heutige Predigttext ein. Der Apostel Paulus nennt im Brief an seinen Mitarbeiter Titus das Weihnachtswunder „das Erscheinen der Gnade Gottes für alle Menschen“. Und dieses Weihnachten ist nicht umsonst geschehen. Die heilsame Gnade Gottes „erzieht uns“, sagt der Apostel Paulus. Gnade ist nicht nur ein Geschenk, an dem ich mich freuen kann, sondern sie setzt etwas in Bewegung. Gottes Gnade verändert uns. Wenn wir einmal die umwerfende Liebe Gottes erfahren haben, können wir nicht mehr die Gleichen bleiben wie vorher. Wir sagen der Gottlosigkeit Adé. Der Apostel setzt noch einen drauf. Wer die Gnade Gottes erfahren hat, sagt der Genusssucht Adé. Es geht ja nicht mehr nur darum, selbst möglichst viel Spaß zu haben, sondern danach zu fragen, was für alle gut ist. Genusssucht heißt: Ich frage zuerst danach, was für mich gut ist. Die neue Lebensweise heißt: Verantwortungsbewusst leben (V. 12). Wenn wir diesem Kind in der Krippe folgen, werden wir zu anderen Menschen. Der Verwandlungsprozess beginnt ganz sanft und sachte. Es beginnt mit einem Kind. Der Mann, der später aus diesem Kind sich entwickelt, gewinnt uns die Herzen ab durch seine Lehre der Liebe: „Selig sind die Sanftmütigen; denn sie werden das Erdreich besitzen. Selig sind die Friedensstifter, denn sie werden Gottes Kinder heißen.“ (Mat 5, 5.9). Seine Botschaft ist umwerfend, es gilt sogar, die Feinde zu lieben.

Uns selbst aber hat dieser, der in der Krippe geboren wurde, uns abgewonnen, als er sich selbst für uns hingegeben hat, litt und am Kreuz starb , damit er uns trotz unserer Verfehlungen und Sünde ein Leben immer neuer Anfänge ermöglichte. Heute schon nehmen wir wahr, wie sanft und sacht sich die Botschaft dieses Krippenkindes sich unaufhaltsam durchsetzt. In den Familien und Häusern, wie in der ganzen Welt. Gewiss, die Gegenkräfte scheinen ebenfalls zuzunehmen, aber wir haben die Verheißung, dass am Ende die Herrlichkeit Gottes erscheint, wenn Jesus Christus als der Herr der Welt wiederkommt. So haben wir die Hoffnung, dass durch Gottes Hilfe die Menschheit fähig werden wird, ein Leben der Liebe und Gerechtigkeit zu führen.

Hoffnung, Friede und Freude: In der Weihnachtsgeschichte geht es um die zentralen Worte der Menschheitsgeschichte. Einem verzweifelten Volk wird neue Hoffnung gegeben. Die Engel verkündigen: „Friede auf Erden“. Darüber entsteht tiefe Freude. Mit dem zu Weihnachten geborenen Friedefürsten kommt Gott neu in diese Welt: Als Kind - klein, verwundbar, machtlos, aber auf eine andere Weise mächtig. Wenn wir die Kerzen anzünden, die Weihnachtsgeschichte hören und die Lieder singen, dann erfahren wir: Wir sind nicht allein in unserer verrückten Welt mit Mord und Totschlag. In diesem Kind ist Gott da und fängt an, die Welt zu verwandeln.

Hoffnung, Friede und Freude: Weihnachten bedeutet nicht nur wohlklingende Worte und Gemütlichkeit. Die Geburt Jesu Christi bleibt nicht ohne Folgen. Das „Erscheinen der heilsamen Gnade Gottes für alle Menschen“ (Titus 2, 11) verändert tatsächlich die Welt. Hier wird eine Kraft deutlich, die die Welt bisher nicht kennt. Es ist die Gewalt des Kindes, die Kraft der Liebe und die Macht der Ohnmächtigen.

Diese verändernde Kraft der Weihnacht spüren wir in den persönlichen Verhältnissen, in denen wir leben. Auch dort weist uns das Kind den Weg. Es leitet uns an zur Bitte um Verzeihung, wenn unser Miteinander unter Spannungen leidet. Es hilft uns, neu aufeinander zuzugehen, wenn wir voneinander schon nichts mehr erwarten.

Doch auch im weltweiten Maßstab weist uns das Kind den Weg. Als die Attentate von Paris Europa am 13. November erschütterten, erklärte ein aufgebrachter französischer Präsident den Terroristen den Krieg. Man wird die Schuldigen – soweit sie noch leben – suchen und zur Rechenschaft ziehen müssen. Aber das Problem, einen islamistisch motivierten Terror zu besiegen, wird man nicht mit Gewalt, nicht mit kollektiver Bestrafung – das ist Krieg – lösen können. Eine Kultur von Gerechtigkeit und Liebe muss dem Terror den Boden entziehen. Der Westen wird hier Schuld angesichts seiner kolonialen Vergangenheit bekennen und um Vergebung bitten müssen – bis hin zum ungerechtfertigten Irakkrieg im Gefolge der Attentate nach dem 11. September 2001. Ein Neuanfang im Verhältnis des Westens zu den Völkern der arabischen und der afrikanischen Welt ist notwendig. Die Folgen des Terrors erreichen mit den Flüchtlingsströmen auch unser Bundesland. Wir werden sie aufnehmen und ihnen so gut es geht helfen. Aber ein weltweites Problem kann man nicht durch nationale Maßnahmen lösen.

Vor dreieinhalb Wochen stand ich mit einer Gruppe von pommerschen Pastorinnen und Pastoren in Bethlehem in der Geburtsgrotte unter der Geburtskirche, dort, wo der Tradition nach Jesus geboren wurde. Ich bin dort oft gewesen. Es war immer sehr voll und wir hatten nie Ruhe und Besinnlichkeit, um des Wunders der Menschwerdung Gottes zu gedenken und zu beten. Heute waren wir allein. Die Selbstmordattentate hatten ein Klima geschaffen, so dass fast keine Touristen und Pilger ins Land kommen. Für uns war das wunderbar. Allein an der Stelle, wo Jesus Christus geboren worden war. Es gibt einen bestimmten Ort auf dieser Erde, wo der ewige Gott ein zeitliches Wesen wurde. Das ewig Unendliche begrenzt sich selbst und nimmt an einem normalen, sterblichen Leben teil. Gott kennt nun alle Abgründe und Höhen des Menschseins. Nichts Böses ist ihm fremd, auch Terrorismus nicht, auch Willkür nicht, nichts. Aber er hat uns, seine Menschen aus dem Kreislauf des Bösen erlöst. „Er hat uns von allem erlöst, was aus Gesetzlosigkeit entsteht, um ein Menschen zu erschaffen, die nur darauf aus sind, Gutes zu tun“ (nach Titus 2,14). Und während wir diesem Wunder der Weihnacht nachsannen, stimmte jemand von uns ein Weihnachtslied an: „Welt ging verloren, Christ ist geboren: Freue dich, o Christenheit!“

Der Friede des Heilandes, der in Bethlehem geboren ist, weist die Richtung. Menschen werden nicht überwunden durch Krieg und Macht, sondern durch Liebe, die aus der Gerechtigkeit lebt. Jedes Weihnachtsfest erinnert an diese Wahrheit. Auch Weihnachten 2015 geht diese Botschaft vom Kind in der Krippe aus. Sie erreicht Menschen verschiedenster Kulturen und Nationen, möchte Herzen verändern, Feinde versöhnen und Frieden ausbreiten. Das beginnt in unseren Häusern und will die ganze Welt verwandeln. Amen.

In diesem Sinn wünsche ich Ihnen ein gesegnetes Weihnachtsfest 2015!

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