26. April 2015 | Koppelsberg

Ein Stück gelebter Versöhnungsarbeit

26. April 2015 von Gothart Magaard

Jubilate, Festgottesdienst anlässlich des 60. Geburtstages der Kapelle auf dem Koppelsberg

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit Euch! Amen

 

Liebe Festgemeinde,

für die Jugend,

von der Jugend,

mit der Jugend!

Das ist das Motto, das man auf der Internetseite über die Kapelle lesen kann. Es bringt die enge Verbundenheit dieses Ortes mit der jungen Generation gut zum Ausdruck.

 

Für die Jugend...

Viele Jugendliche würden das unterschreiben. Heute so, wie auch in den vergangenen Jahrzehnten. Unzählige haben als Konfirmanden, als Schülerinnen und Schüler oder Jugendliche Freizeiten auf dem Koppelsberg mitgemacht - und tun das bis heute.

Mancher heute Erwachsene erinnert sich gern: An die Zeiten, als solche Fahrten noch bedeuteten, das erste Mal länger von zu Hause weg zu sein. Ganz neue Erlebnisse, Gespräche und Eindrücke wurden dabei gesammelt. Und Freundschaften, Beziehungen und Ehen gestiftet.

Auch die Gottesdienste hier haben viele angerührt und bereichert: Das Feiern in der Gruppe, das Abendmahl als echte Gemeinschaftserfahrung. Das Singen und beten mit Gleichaltrigen – alles in großer liturgischer Freiheit. Das prägte viele Generationen – das ist gerade wieder lebendig geworden!

Mit der Jugend…

In diesen Mauern wird ein Geist der Freiheit und der Versöhnung spürbar. Von Beginn an haben junge Menschen diesen Geist mitgenommen in ihre Heimatgemeinden, in ihre Dörfer und Städte.Die Vision von Frieden, Gerechtigkeit und Achtsamkeit für die Schöpfung und das Leben wurde und wird weitergetragen an viele Orte und durch viele Biographien.

So ist die Kapelle auf dem Koppelsberg ein Ort der geistlichen Stärkung und ein Ort, an dem die gesellschaftspolitische Verantwortung christlicher Jugend immer großgeschrieben wurde. Dass sich all das so entwickelt hat, hängt nicht zuletzt an dem dritten Aspekt des Mottos:

Von der Jugend…

Wer ein wenig in die Geschichte des Kapellenbaus einsteigt, versteht schnell, dass sie wohl nie entstanden wäre, wenn nicht junge Leute maßgeblich mitgeholfen hätten.

Bischof Halfmann zitierte bei der Grundsteinlegung am 1. August 1953 Psalm 90, in dem es heißt: „Der Herr, unser Gott sei uns freundlich und fördere das Werk unserer Hände bei uns, ja, das Werk unserer Hände wollest Du fördern“!

In der Tat ist es das Werk vieler und vor allem jugendlicher Hände gewesen, die tatkräftig mitgewirkt haben – und das immer wieder mit Gottes Hilfe. Bis die Kapelle schließlich vor 60 Jahren geweiht werden konnte.

1955 also, nur zehn Jahre nach Kriegende, dieses Datum, an das wir in diesen Wochen immer wieder erinnert werden. Zehn Jahre nach Kriegsende, das heißt doch, dass alle Jugendlichen unmittelbar und mittelbar von Kriegserfahrungen geprägt sein mussten und von der Befreiung von einer mörderischen Diktatur.

Im Predigttext für den heutigen Sonntag hören wir das Gleichnis Jesu vom Weinstock und den Reben. Jesu Worte sind Teil eines Gespräches, das er mit seinen Jüngern führt. Teil der Abschiedsreden Jesu, aber keine Trauerrede. Im Gegenteil: Das Bild vom Weinstock und den Reben ist ein Hoffnungsbild! Christus spricht: „Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht; denn ohne mich könnt ihr nichts tun.“ Diese Zusage gilt der christlichen Gemeinde bis heute. Diese Zusage gilt auch uns.

Und wie konkretisiert sie sich? Indem wir uns an unserer Taufe erinnern und an die enge, unverbrüchliche Verbindung eines jeden Einzelnen von uns mit Christus. Indem wir uns immer wieder an unseren Auftrag als Kirche Jesu Christi erinnern: das Evangelium in Wort und Tat zu bezeugen und auf diese Weise fruchtbar zu sein – und genau das geschieht hier auf dem Koppelsberg in den unterschiedlichsten Formen.

Indem wir Gottesdienste feiern und auf sein Wort hören und ihn loben und preisen durch Musik und Gesang und unser Gebet, durch Stille und Theater und Diskussion – so wie es in aller Vielfalt hier gelebt wird.

Und schließlich: Indem wir darauf achten, dass wir mit Christus verbunden bleiben und ihn um Kraft und Geist bitten, damit wir uns nicht verausgaben.

So fremd einige Sätze des Evangeliums auch klingen mögen, so sehr will er, dass wir die Freude erleben, die der Glaube schenken kann. Darum passt dieser Text zum heutigen Sonntag Jubilate und zu diesem Jubiläum.

Ich denke, dass auch Landesjugendpastor Otto von Stockhausen, eine charismatische Persönlichkeit, und sein indischer Gast Pastor Benya, diese Verbindung mit Christus stark empfunden haben, als sie im Sommer 1952 an diesem herausgehobenen Ort standen und feststellten: „An diesem Ort wollen wir ein Gotteshaus bauen“. Der Koppelsberg als Weinberg des Glaubens. Die Kapelle wie ein Weinstock, aus dem Früchte geistlicher Vergewisserung wachsen sollten.

Am 12. Juli 1953, an einem stürmischen Tag, wurde dann an diesem Ort ein Kreuz aufgerichtet. Die dabei anwesende Gemeinde bestand aus: Mitarbeitern des Koppelsbergs, einigen Bauern, einigen Jugendgruppen und vor allem 27 jungen Leuten aus einem ökumenischen Aufbaulager: „4 Amerikaner, 3 Schweden, 3 Schweizer, 2 Holländer, 1 Italiener, 1 Indo-Chinese, 1 Finnin, 1 Saarländer und 11 Deutsche aus Osterberlin, Bayern, Schwaben und Schleswig-Holstein.“

Im weiteren Verlauf der Baumaßnahmen kamen zu diesen Workcamps andere dazu, unter ihnen zwei „Muselmanen“, die alle liebgewannen, achteten und respektierten, wie ein holländischer Pastor berichtet. Ein Stück gelebter Versöhnungsarbeit, zehn Jahre nach Kriegsende.

Ein Beteiligter von damals sagte über die weitere Bautätigkeit: „Dies war eine Arbeit aus Glauben – und etwas so unmittelbar für Gott zu tun, war eine ganz eigenartige Erfahrung“.

Zu den Hindernissen für den Weinberg Koppelsberg zählte gewiss, dass man ohne Kirchensteuermittel auskommen musste. Umso beeindruckender ist, wie groß die Unterstützung war. Architekten, Handwerker, Grundbesitzer, Nachbarn, Pastoren und Mitarbeiter, ein Kapellenbauverein und immer wieder die Jugendlichen selbst trugen dazu bei, dass ein erstaunlich erfolgreiches Fundraising gelang – man warb schon damals Spenden ein, mit symbolischen Bausteinen aus Papier, und verkaufte Miniaturziegel als Schmuckanhänger. Und viel Material wurde gespendet.

Der Erfolg sprach für sich: Zur Weihnachtsfeier 1954 gab es einen Sack voll Geld für die Glocke – und auch für die Innenausstattung wie etwa Altarkreuz und Kirchenfenster fanden sich Sponsoren.

Viele wollten diese Kapelle.

Bei der Richtfestfeier – mit einem Gottesdienst in der dicht gedrängten „Hintersten Wache“ – wurde die Notwendigkeit des Baus noch einmal überdeutlich: „Wir saßen wie die Heringe in der Büchse“, wird ein Gottesdienstbesucher zitiert. Ein sichtbarer Vorbote dessen, dass der neue Weinstock auf dem Koppelsberg geeignet sein würde, gute Früchte hervorzubringen.

Den Tag der Kirchweihe durch Bischof Wester hatte man geschickt mit dem Landesjugendtreffen in der Ostseehalle in Kiel verbunden. Am Nachmittag des 23. Oktober 1955 kamen dann die Busse und Autos in Scharen. Hunderte Menschen standen Spalier, als bei strömenden Regen der feierliche Einzug in die neue Kapelle erfolgte.

Und obwohl Otto von Stockhausen das schlechte Wetter später einmal als echte Anfechtung bezeichnete, überwog die tiefe Freude und Dankbarkeit, als die Jugend ihre Kirche in Besitz nehmen durfte.

Jesus will, dass wir die Freude erleben, die der Glaube schenken kann. Und dafür braucht es kirchliche Orte, an denen Glaube und Leben verschmelzen. Das geschieht auf dem Koppelsberg, und ich greife gerne das Bild der Ellipse mit zwei Brennpunkten auf, in denen das Licht gebündelt wird: Die Kapelle als geistlicher Brennpunkt auf der einen Seite und auf der anderen Seite die verschiedenen Bildungseinrichtungen mit ihrem geistigen und kreativen Angebot: Jugendpfarramt, Ev. Jugend-, Freizeit- und Bildungsstätte, Jugendaufbauwerk, Posaunenmission. Akademie am See, FÖJ, Außenstelle der Vorwerker Diakonie …. Vielfältige Früchte in jedem Fall!

Beide Brennpunkte gehören zusammen – bei einer Jugend- oder Konfirmandenfreizeit, bei Seminaren ebenso wie bei einer Ordinationsrüstzeit, die ich im Februar hier erlebt habe oder der Beratung der Kirchenleitung am vergangenen Wochenende.

Sind die Brennpunkte der Ellipse nicht verbunden, ist es wie mit der Rebe, die vom Weinstock abgeschnitten ist und vertrocknet. "Getrennt von mir“, dem Weinstock, „könnt ihr nichts tun." sagt Jesus. Tun können wir doch immer etwas, mag mancher einwenden. Wir sind ständig damit beschäftigt, irgendetwas tun.

Wir können uns aber auch im blinden Aktionismus verlieren. Wir wollen autark und autonom sein, das Leben selbst in die Hand nehmen. Und leben oft genug auch als Christen so, als gäbe es Gott nicht. „Nicht wollen, dass Gott Gott ist", nannte Martin Luther diese Haltung, die von Demut nichts mehr wissen will.

Doch woher kommt denn für die Rebe Wasser, Nahrung, Halt, Kraft, der Impuls für Wachstum und Frucht?

Alles, was die Rebe benötigt, kann ihr einzig und allein über den Weinstock
zukommen. Verbunden mit ihm können wir mit Zuversicht und Vertrauen unsere Wege gehen – einzeln, in der Jugendarbeit oder als Kirche miteinander. In Demut, aber auch mutig und deutlich für die gute Sache. Und in der Hoffnung, dass in diesem Kirchraum noch viele Kapellengeschichten geschrieben werden. Dass hier viele jüngere und ältere Kinder Gottes gestärkt werden für ihr Leben und für die Arbeit der Einrichtungen auf dem Koppelsberg.

Bei der Aufstellung des Kreuzes sprach Otto von Stockhausen Worte, die heute aktueller denn je klingen: „So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen, erbaut auf den Grund der Apostel und Propheten, da Jesus Christus der Eckstein ist, auf welchem der ganze Bau ineinandergefügt wächst zu einem heiligen Tempel in dem Herrn.“ Die Bibel sieht in Gebäuden auch ein Sinnbild für die Kirche Jesu Christi.

Gäste und Fremdlinge - Wir denken heute unwillkürlich bei diesem Vers aus dem Epheserbrief an die Flüchtlinge, die Heimat und Frieden auch in unserem Land suchen. In den 50er Jahren wie heute.

Und an die Boote auf dem Mittelmeer mit den Opfer von Krieg, Gewalt und Klimawandel, die sich nichts mehr wünschen, als ein zu Hause ohne Hunger, Verfolgung und Todesgefahr. Und an die zahllosen Todesopfer auf dem Mittelmeer, die auch Opfer einer verfehlten europäischen Flüchtlingspolitik sind.

Auch an sie wollen wir heute denken im Angesicht des Kreuzes und darauf achten, dass den vielen Worten der Betroffenheit auch Taten folgen und zuallererst eine wirksame Lebensrettung auf dem Mittelmeer sichergestellt wird.

 

Liebe Gemeinde,

tragen wir mit der Arbeit auf dem Weinberg Koppelsberg dazu bei, dass die Früchte des Glaubens in vielen jungen Herzen und Seelen reifen mögen.

Mit der Jugend, an deren Seite wir gehen.

Für die Jugend, für die wir uns einsetzen.

Von der Jugend, die uns immer wieder neu inspiriert.

Amen

Datum
26.04.2015
Quelle
Stabsstelle Presse und Kommunikation
Von
Gothart Magaard
Veranstaltungen
Orte
  • Orte
  • Flensburg
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde Flensburg-St. Johannis
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Gertrud zu Flensburg
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Marien zu Flensburg
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Michael in Flensburg
    • Ev.-Luth. St. Nikolai-Kirchengemeinde Flensburg
    • Ev.-Luth. St. Petrigemeinde in Flensburg
  • Hamburg
    • Ev.-Luth. Hauptkirche St. Katharinen
    • Hauptkirche St. Jacobi
    • Hauptkirche St. Michaelis
    • Hauptkirche St. Nikolai
    • Hauptkirche St. Petri
  • Greifswald
    • Ev. Bugenhagengemeinde Greifswald Wieck-Eldena
    • Ev. Christus-Kirchengemeinde Greifswald
    • Ev. Johannes-Kirchengemeinde Greifswald
    • Ev. Kirchengemeinde St. Jacobi Greifswald
    • Ev. Kirchengemeinde St. Marien Greifswald
    • Ev. Kirchengemeinde St. Nikolai Greifswald
  • Kiel
  • Lübeck
    • Dom zu Lübeck
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Aegidien zu Lübeck
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Jakobi Lübeck
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Marien zu Lübeck
    • St. Petri zu Lübeck
  • Rostock
    • Ev.-Luth. Innenstadtgemeinde Rostock
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde Rostock Heiligen Geist
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde Rostock-Evershagen
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde Rostock-Lütten Klein
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Johannis Rostock
    • Ev.-Luth. Luther-St.-Andreas-Gemeinde Rostock
    • Kirche Warnemünde
  • Schleswig
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde Schleswig
  • Schwerin
    • Ev.-Luth. Domgemeinde Schwerin
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Nikolai Schwerin
    • Ev.-Luth. Petrusgemeinde Schwerin
    • Ev.-Luth. Schloßkirchengemeinde Schwerin

Personen und Institutionen finden

EKD Info-Service

0800 5040 602

Montag bis Freitag von 9-18 Uhr kostenlos erreichbar - außer an bundesweiten Feiertagen

Sexualisierte Gewalt

0800 0220099

Unabhängige Ansprechstelle für Betroffene von sexualisierter Gewalt in der Nordkirche.
Montags 9-11 Uhr und mittwochs 15-17 Uhr. Mehr unter kirche-gegen-sexualisierte-gewalt.de

Telefonseelsorge

0800 1110 111

0800 1110 222

Kostenfrei, bundesweit, täglich, rund um die Uhr. Online telefonseelsorge.de

Zum Anfang der Seite