Erinnern an Gottes Fülle
05. Oktober 2014
Erntedank 2014, Predigt zu Matthäus 14, 13-21
Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, liebe Gemeinde am Erntedankfest!
I
Erntedank auf dem Marktplatz mitten in der Stadt, mitten im Trubel auch um uns herum an einem der verkaufsoffenen Sonntage in dieser Stadt: Ein öffentlicher Dank ist das an Gott, den Schöpfer und Erhalter des Lebens – nicht nur für uns Christenmenschen, sondern für alle Menschen. Dazu ist Sonntag: zu erinnern an Jesus Christus, dessen Auferstehungstag wir feiern. Zu erinnern, dass Gott uns die Fülle schenkt, dass wir aus ihr leben. Wir feiern den Sonntag als Tag der Unterbrechung des Alltags, der Geschäftigkeit. Innezuhalten, um zu erinnern, dass wir von Voraussetzungen leben, die wir uns nicht selbst schaffen: wir haben uns nicht selbst geschaffen. Und was wir haben - Brot und Liebe und Frieden: das ist nicht selbstverständlich da. So ein Innehalten, so einen Tag zum Einatmen brauchen wir, Raststätte auf dem oft rastlosen Weg. Das kann auch gelingen mitten in der Geschäftigkeit dieses Sonntags hier in Lübeck. Schon wenn wir mit solchen Gedanken unserer Straße ziehen, dann wird uns Dankbarkeit bestimmen und erfüllen, gerade am Erntedanksonntag. Danken macht das Herz weit – lässt die Augen übergehen vor Freude über das, was Gott uns täglich zum Leben schenkt. Danken heißt teilen. Das rufen wir uns zu Erntedank besonders in Erinnerung.
„5 000 Brote – Konfis backen für Brot für die Welt!“
Ihr Konfirmandinnen habt es eben erzählt, wie es Euch da ging beim Backen des Brotes, was für eine hohe Kunst das ist, diese Handwerkskunst der Bäcker. Wie das duftet, was da alles zu beachten ist, damit es schmeckt, dass der Teig aufgeht und alles auch wieder zum richtigen Zeitpunkt aus dem Backofen herausgenommen wird usw… Ihr Konfirmandinnen und Konfirmanden in ganz Deutschland und auch in unserer Nordkirche setzt in diesen Wochen bis zum Ersten Advent ganz praktisch in die Tat um, was Jesus uns vorgemacht hat: die guten Gaben Gottes nutzen und miteinander teilen, damit alle zum Leben genug haben. Und Sie, liebe Bäckerinnen und Bäcker, tun das genauso mit den jungen Leuten zusammen – und haben sicher auch Ihre Freude daran, dass da so viele tätige Hände und staunende Augen mit Ihnen in der Backstube am Werk sind. Das alles lehrt eben auch auf vorbildliche Weise zu achten das grundlegende Lebens-Mittel „Brot“, zu achten die Gaben der Natur, das Getreide, aus dem alles Brot entsteht. Ja, danken macht das Herz weit – und lehrt achten die Gaben der Schöpfung Gottes. Darum Dank sei Gott – Erntedank!
II
Gottes Lebenskraft, seine Schöpferkraft wird in den alten Liedern der Bibel, den Psalmen, besungen immer wieder neu; die Freude über die Fülle, die Gott schenkt seiner Welt und seinen Menschenkindern. „Die Erde ist des Herrn und was darinnen ist!“- so der 24. Psalm. Jawohl: Er hat sie gemacht, nicht wir! Er hat uns als Gäste hinein gesetzt und will uns brauchen, dass wir bewahren und gestalten - nicht beherrschen und vernichten! Wir sind nicht Schöpfer. Aber wir haben Anteil an Gottes Schöpferkraft. Das ist eine hohe Verantwortung und eine großartige Freiheit zugleich. Beides gehört nämlich zusammen: Freiheit und Verantwortung. Sind wir so frei, dass wir verantwortungsfrei sind, dann kehrt sich nämlich die Freiheit in ihr Gegenteil um - wie zum Beispiel der dramatische Klimawandel zeigt, wie der tödliche Müll aus den Atomkraftwerken zeigt! Die alten Gebete und Lieder dagegen umspielen mit Worten das Geheimnis des Lebens – ein Geheimnis des Lebens, das entdeckt wird von dem Menschen, der sich öffnet für die Schönheit Gottes. „Ich will dich erheben, mein Gott, du König, und deinen Namen loben immer und ewiglich. Der Herr ist groß und sehr zu loben, und seine Güte ist unausforschlich…Gnädig und barmherzig ist der Herr, geduldig und von großer Güte.“
III
Danken heißt teilen, das lehrt uns auch Jesus in der Erzählung von der Speisung der Fünftausend Männer – und wenn man noch Frauen und Kinder dazuzählt, dann sind es noch viel mehr, die da satt wurden von den fünf Broten und zwei Fischen. Wie das genau zuging? Keine Ahnung – und ich habe noch keinen getroffen, der mir das exakt erklären konnte nach unseren Maßstäben von Gramm und Kilo. Da muss wohl noch eine ganz andere Weisheit in der Geschichte stecken – meine ich:
„Und Jesus ließ das Volk sich auf das Gras lagern und nahm die fünf Brote und die zwei Fische, sah auf zum Himmel, dankte und brach´s und gab die Brote den Jüngern, und die Jünger gaben sie dem Volk. Und sie aßen alle und wurden und wurden satt und sammelten auf, was an Brocken übrig blieb, zwölf Körbe voll.“
Jesus nimmt die Brote und Fische nicht einfach – sondern er sieht auf zum Himmel, also zu Gott und dankt Ihm. Jesus segnet die Gaben Gottes – ihr Nährwert ist also nicht nur in Nährwerten von Joule usw. zu messen, sondern irgendwie steckt da noch ein Mehr-wert drin, nämlich Segen Gottes. Göttliche Kraft, Lebensenergie, die offenbar noch etwas anderes satt macht als den Bauch.
Jesus dankt und teilt – abgeben, weiter geben, teilen – das macht satt – alle! Wenn wir miteinander teilen, was wir zum Leben haben: Brot, Reichtum, Frieden, Liebe – dann werden wir nicht ärmer, sondern reicher. Das ist, so sagt die Geschichte, das einzige Mittel gegen den Hunger: Teilen, Weitergeben, nicht für sich behalten. Das ist sozusagen der Kapitalismus Gottes: nicht Geiz ist geil bei ihm, sondern Verschwendung ist angesagt!
Jesus braucht nur fünf Brote, um die Leute satt zu kriegen. Das ist ein Wunder, natürlich. Und es wird erzählt, weil die Menschen bei Jesus genau das gelernt haben: Teilen, Teilhaben lassen an dem, was uns geschenkt ist. Wir sind nicht Jesus. Wir sind Menschen – und daher brauchen wir 5 000 Brote – mindestens! Aber dass wir die haben: dass ihr die gebacken habt mit so viel professioneller Hilfe derer, die ihre Backstuben mit euch geteilt haben – auch das ist ein Teil dieses Wunders einer Brotvermehrung, damit es vielen gut oder besser gehen kann! Brot steht als Zeichen für das Wunder, dass wir satt werden, dass wir haben, was wir brauchen zum Leben und mehr als das. Ich glaube, das ist ein Grund, warum meine Großmutter früher in jeden frischen Brotlaib, den sie gekauft oder gebacken hat, ein Kreuz geritzt hat, bevor sie Scheiben davon abschnitt: ein Zeichen des Dankens zu dem hin, dem wir uns und alles verdanken. Eine hohe Wertschätzung.
Euer Brotbacken ist so etwas wie ein Weckzeichen für uns satte Leute: seht hin, wenn ihr kauft und esst: lasst es euch schmecken, aber denkt daran, dass es nicht selbstverständlich ist, das wir haben, was wir brauchen. Der Erntedank am Ende der Ernte ist ein Dank für den Boden, für die Körner, für das Brot; für all die Arbeit, die Menschen aufwenden, damit gekauft werden kann das Lebensmittel. Das teuer ist und eigentlich viel teurer sein müsste. Und der Dank entsteht auch aus dem Blick auf die Welt: es ist eben nicht so, dass alle Menschen gleichermaßen Anteil haben an der Fülle, die wir haben und die wir heute hier in Lübeck wieder sehen und staunend erleben – hier und in den Geschäften rund herum. Wir leben nicht für uns selbst. Und nicht einmal von uns selbst. Sondern oft eben auch von den Lebensmöglichkeiten anderer.
„Gutes“ können wir tun. 5 000 Brote – backen und verkaufen für Brot für die Welt! Denn: es ist genug für alle da!
IV
Seit meiner Kindheit begleitet mich „Brot für die Welt“. Zuerst waren da kleine orangefarbene Dosen zu Hause auf dem Tisch, und im Bäckerladen. Als Nachkriegskind kannte ich Hunger nur aus Erzählungen. Die Dosen mit den Bildern hungernder Kinder darauf waren für mich die erste Begegnung mit dem mir fremden Teil der Welt: sie öffneten mir den Blick über die eigene Grenze hinaus. So, wie Ihr es macht, liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden! Die christliche Kirche steht ganz im Sinne Jesu seit ihren Anfängen für Solidarität mit allen, denen das tägliche Auskommen verwehrt ist oder verweigert wird. An dieser Solidarität mit allen Benachteiligten halten wir auch mit dieser Aktion fest. Gemeinsam mit den beteiligten Bäckereien teilen die Jugendlichen Zutaten, ihr Engagement und ihre Kreativität, damit Jugendliche in Afrika, Lateinamerika und Asien eine Chance bekommen für Bildung und Arbeit, für ein gutes Auskommen mit den Gaben, die Gott uns allen schenkt. Darum geht´s! das ist gut und das ist viel! Herzlichen Dank dafür Euch allen!
Bei Gott lernen wir eine Liebe, die aus sich heraus kommt, die weiter gibt Lebensenergie und Lebensfreude, die austeilt die Fülle der Gottesgeschenke, damit alle gut davon haben. Gott ist kein Egoist – und wir an ihn glaubenden Menschen sollen das auch nicht sein. Wir sollen das alles und auch Gottes Erde als Ganze nicht nur für uns selbst haben und behalten wollen – da sind, Gott sei Dank! – noch andere, die nach uns kommen werden. Und die wollen auch leben mit fruchtbarer Erde, mit zwitschernden Vögeln, mit brüllenden Löwen und mit sauberer Luft. Gott hat uns seine Schöpfung anvertraut, dass wir sie „bebauen und bewahren“ wie es in der Bibel heißt. Und das gilt für Generationen. Bleiben soll diese Erde und schön bleiben soll diese Erde.
„Der Herr hält alle, die da fallen, und richtet alle auf, die niedergeschlagen sind. Aller Augen warten auf dich, Gott, und du gibst ihnen Speise zur rechten Zeit.“
Jeder und jede von uns ist für Gott unendlich wichtig, damit auch er Freude habe und behalte an seiner Schöpfung und an jedem von uns. Wir wissen es ja alle: Wir leben nicht in einer heilen Welt. Wir leben nicht im Paradies. Aber wir leben in diesem Hause Gottes als seine Mitbewohner, verantwortlich dafür, wie wir die Zimmer einrichten; verantwortlich dafür, dass das Fundament fest steht, verantwortlich dafür, ob das Wasser aus den Hähnen trinkbar ist und die Luft sauber.
Wie schön, dass Sie und Ihr alle dabei seid, die Freude an Gott und an seiner Schöpfung miteinander zu entdecken und weiter zu geben an andere.
Mit 5000 Broten – oder auch mit vielen anderen guten und wichtigen Gaben, die anderen Menschen zu Gute kommen. Amen.