Seelsorge

Erste Hilfe für die Seele – Kurse starten im Norden

Isabelle Rausch vom Studienzentrum Josefstal zeigt, wie man Kummer und Probleme erkennt und handeln sollte. Foto: Lena Erhard
Isabelle Rausch vom Studienzentrum Josefstal zeigt, wie man Kummer und Probleme erkennt und handeln sollte. Foto: Lena Erhard

12. September 2025 von Stephan Dann

Einen Erste-Hilfe-Kurs hat schon fast jeder Mensch einmal gemacht. Doch wer weiß schon, wie Erste Hilfe für die Seele geht? Gibt es da auch so etwas wie die stabile Seitenlage? Wie erkennt man überhaupt, dass jemand Kummer hat – und was ist wichtig, um spontan zu helfen oder so lange, bis professionelle Hilfe kommt? Ein Kurs gibt Orientierung. Er heißt "Hilfe in seelischer Not", kurz HSN.

Es ist ein Dienstagabend in einer Jugendgruppe. Hier treffen sich Teamer*innen zur Vorbereitung auf Sommerfreizeiten, es ist Leben in der Runde. Vierzehn junge Menschen sind da und dazu drei Hauptamtliche. Es ist ein Abend wie viele – und doch besonders. Denn diesmal findet hier ein HSN-Kurs statt: Helfen in seelischer Not.

In der Mitte der Runde liegen ein paar Karten, darauf ein paar Stichworte: Heimweh, Wut, Stille, Ich kann nicht mehr, Liebeskummer, Glück. Schon am Anfang fangen einige der jungen Menschen an zu erzählen. Von einer Freundin, die sich zurückzieht. Vom Vater, der nicht mehr lacht. Vom eigenen Gefühl, manchmal innerlich leer zu sein. 

Warum Reden schwer ist – und Zuhören Mut braucht

Emotionale Krisen und seelische Not sind Teil des Alltags, nicht nur auf Freizeiten. Trauer, Ängste, Überforderung – bei Jugendlichen genauso wie bei Erwachsenen. Und oft stehen wir daneben und wissen nicht weiter. Was soll ich sagen? Was, wenn ich etwas falsch mache? Darf ich überhaupt fragen?

HSN-Kurse, also Kurse für „Hilfe in seelischer Not“ setzen genau hier an. Die Kurse machen Mut, hinzuschauen, anzusprechen, niemanden allein zu lassen und selber nicht allein zu bleiben. Sie bieten – ähnlich wie erste Hilfe am Unfallort – keine Therapie(ausbildung), aber einen geschützten Raum, in dem wir lernen: Wie erkenne ich, wenn jemand leidet? Wie beginne ich ein Gespräch? Wie geht stabile Seitenlage für die Seele? Und wie kann ich gut in professionelle Hilfe weitervermitteln, ohne mich selbst zu überfordern und mich zu schützen?

Überfordert und einsam

 Die Idee der HSN-Kurse wuchs mit Erfahrungen aus der Coronapandemie. Viele (nicht nur junge) Menschen waren plötzlich auf sich selbst zurückgeworfen und überfordert mit Einsamkeit, Ängsten und überlasteten Alltagsthemen. Das ist bis heute zu spüren und in aktuellen Studien belegt. Fachleute an der Uniklinik Regensburg entwickelten dieses praxisnahe HSN-Kursformat in Kooperation mit dem Studienzentrum für evangelische Jugendarbeit in Josefstal e.V..

Seit 2024 geht auch die  Junge Nordkirche diesen Weg: In enger Kooperation mit Josefstal sollen HSN-Kurse im Norden verankern und ein starkes Netzwerk aufgebaut werden. So können Menschen sensibilisiert und befähigt werden, andere in seelischer Not aufmerksam, klar und unterstützend zu begleiten.

Wichtige Grundkenntnisse in kurzer Zeit  

Ein HSN-Kurs dauert etwa zwei Stunden. In dieser Zeit passiert viel: Erzählen, üben, sich selbst reden hören – und anderen zuhören. Es gibt kleine Impulse, Rollenspiele, echte Situationen. Viele gehen danach mit dem Gefühl: Ich darf helfen. Ich kann etwas tun. Ich muss nicht schweigen. Erik, 21 Jahre alt, hat die Ausbildung zum HSN-Ersthelfer gemacht. „Ich hatte lange das Gefühl, ich müsste Lösungen bieten und hab mich dabei oft hilflos gefühlt“, erzählt er. „Im HSN-Kurs habe ich verstanden, wie viel es bewirken kann, jemandem Raum zu geben und auf Augenhöhe zu sein.“

Das hilft ihm auch ganz konkret für die Sommerfreizeiten seiner Kirchengemeinde, bei der er als Teamer dabei ist. „Es macht mich sensibel. Ich habe hier gelernt, wie ich Teilnehmende ansprechen und ihre unsichtbaren Lasten ernst nehmen kann. Und ich habe gelernt, damit nicht allein zu bleiben und gut auf mich selbst zu achten.“ Auch Lisa, 24, hat aus der Ausbildung zur HSN-Ersthelferin viel mitgenommen.  „Ich dachte, ich müsste Ratschläge geben. Stattdessen habe ich gelernt, zuzuhören. Und das ist schon viel.“ 

Gewappnet für emotionale Krisen 

Die Kurse richten sich an Jugendliche, Lehrkräfte, Ehrenamtliche, Eltern, Konfi-Teams, Schulsozialarbeit – kurz: an alle, die mit Menschen unterwegs sind. Vorwissen ist nicht nötig. Nur Lust auf Beziehungsarbeit und Interesse am anderen. Alle, die für erste Hilfe bei emotionalen Krisen und seelischer Not sensibel sein möchten, können an einem dieser HSN-Kurse teilnehmen.

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Stephan Dann ist Pastor in der Jungen Nordkirche, selbst Anleiter für HSN-Kurse und zudem Mentor in der Ausbildung. Foto: privat

Ausbildung: Künftig selbst Kurse leiten  

Möglich ist auch eine Ausbildung zur Anleiterin oder zum Anleiter. In mehreren Modulen lernt man hier, wie schwierige Themen ansprechbar werden und welche Möglichkeiten zur Selbstfürsorge es gibt. Die Ausbildung ist praxisnah am Leben und den eigenen Emotionen. Und das Beste: sie kommt ganz ohne Vorbildung aus. Man muss keine Psychologin, kein Therapeut oder schon Seelsorger sein. Was zählt, ist die Haltung als Mensch: aufmerksam, wertschätzend, klar.

In der Arbeit mit jungen Menschen können HSN-Kurse zum festen Bestandteil vieler Angebote werden. In Gemeinden, bei Freizeiten, in Konfi-Gruppen oder einfach im Jugendtreff am Freitagabend. 
Denn ein gutes Leben gelingt da, wo Menschen einander zuhören. Wo Fragen erlaubt sind. Wo auch Tränen Platz haben. Erste Hilfe für die Seele heißt hinschauen, zuhören, da sein. Und das kann jede*r.
 

Wer einen HSN-Kurs vor Ort anbieten möchte, findet Informationen dazu auf www.junge-nordkirche.de oder wendet sich direkt an stephan.dann@junge-nordkirche.de.

Informationen, Termine und Kontaktmöglichkeiten für alle, die selbst HSN-Kurse anleiten möchte, gibt es auf www.hsn-kurse.de. Der nächste Kurs für Anleitende findet vom 13. bis zum 15. Oktober in der Missionsakademie in Hamburg statt, es sind noch Plätze frei. 
 

 

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