SPD-Politiker gestorben

Evangelische Kirche lobt Egon Bahrs „wegweisendes Wirken“

Egon Bahr beim Evangelischen Kirchentag 1988 in Erfurt. Damals äußerte er sich kritisch zu deutschen Wiedervereinigungsträumen. Beide Staaten sollten sich vielmehr über die 'Chancen des Überlebens' verständigen.
Egon Bahr beim Evangelischen Kirchentag 1988 in Erfurt. Damals äußerte er sich kritisch zu deutschen Wiedervereinigungsträumen. Beide Staaten sollten sich vielmehr über die 'Chancen des Überlebens' verständigen.© Bernd Bohm / epd

20. August 2015 von Timo Teggatz

Für Kanzler Willy Brandt entwarf er einst die neue Ostpolitik. Jetzt ist der SPD-Politiker Egon Bahr mit 93 Jahren gestorben. Die Evangelische Kirche würdigt seine Verdienste.

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat den verstorbenen SPD-Politiker Egon Bahr für sein Eintreten für Entspannungspolitik und den Ausgleich mit dem Osten gewürdigt. In der bundesdeutschen Ostpolitik habe er die Verbesserung der Beziehungen zwischen den beiden deutschen Staaten maßgeblich mitgestaltet, sagte der stellvertretende EKD-Ratsvorsitzende und sächsische Landesbischof Jochen Bohl in Hannover. Dabei habe sich Bahr immer für einen Gewaltverzicht eingesetzt. Bahrs Festhalten am Dialog auch mit Menschen in anderen kulturellen Kontexten und seine Devise "Wandel durch Annäherung" hätten wegweisend gewirkt, sagte Bohl.

Egon Bahr starb nach Angaben der SPD am Donnerstag im Alter von 93 Jahren. Der frühere Bundesminister gilt als Vordenker der von Kanzler Willy Brandt eingeleiteten neuen Deutschland- und Ostpolitik. Die Grundzüge dieses Konzepts erläuterte Bahr bereits 1963 in seiner "Wandel durch Annäherung" überschriebenen Rede in der Evangelischen Akademie Tutzing. Darin warb er dafür, dass Veränderungen im Ost-West-Konflikt langfristig nur mit vielen kleinen Schritten zu erreichen seien. Die Überwindung der deutschen Teilung könne kein einmaliger Akt sein, sondern ein "Prozess mit vielen Schritten und vielen Stationen", sagte Bahr damals.

Seine Kritik: immer noch "Ossis und Wessis"

In den folgenden Jahrzehnten war der SPD-Politiker Bahr immer wieder Gast und Referent in der Evangelischen Akademie. Bei der Sommertagung des Politischen Clubs 2013 bedauerte er, dass die Deutschen auch noch lange nach der von ihm mit eingeleiteten Wiedervereinigung keine nationale Identität gefunden hätten: Aus den "Brüdern und Schwestern" des Wendejahres 1989 seien "Ossis und Wessis" geworden.

Akademie-Direktor Udo Hahn würdigte Bahr in einem Nachruf als  "begnadeten Erzähler". Seine Erinnerungen hätten Geschichte lebendig gemacht und geholfen, die Entwicklung der Bundesrepublik besser zu verstehen. Die Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde München, Charlotte Knobloch, nannte Bahr einen "deutschen Patrioten mit dem Blick für weltpolitische Zusammenhänge".

Bahrs politische Karriere

Bahr wurde am 18. März 1922 im thüringischen Treffurt geboren. Seine Mutter war jüdischer Herkunft. Seit den 60er Jahren gehörte Bahr zu den Vertrauten des damaligen Berliner Regierenden Bürgermeisters und späteren Bundeskanzlers Willy Brandt. In der sozialliberalen Bundesregierung war er ab 1969 zunächst Staatsekretär im Kanzleramt, ab 1972 Bundesminister für besondere Aufgaben. In diesen Ämtern war er maßgeblich am Zustandekommen der Ostverträge und dem deutsch-deutschen Grundlagenvertrag beteiligt. Unter Kanzler Helmut Schmidt (SPD) war er zeitweilig Entwicklungsminister.

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