Expertenkommission legt erste Ergebnisse vor
31. Mai 2013
Hamburg. Die unabhängige Expertenkommission zur Aufarbeitung der Missbrauchsfälle in der Nordkirche hat am Freitag erste Ergebnisse ihrer Arbeit vorgelegt. So seien vor allem die bisher in der Öffentlichkeit bekannt gewordenen Missbrauchsfälle insbesondere in Ahrensburg durch Interviews und Auswertung von Unterlagen "eindeutig bestätigt" worden, sagte der Hamburger Erziehungswissenschaftler Dirk Bange, Mitglied der Kommission. Darüber hinaus habe man konkrete Problemfelder benannt und das weitere Vorgehen festgelegt. "Sexualisierte Gewalt" sei zum Beispiel vielfach immer noch ein Tabuthema nicht nur in der Kirche.
Mit etwa sechs Betroffenen in Ahrensburg habe man "erst eine überschaubare Anzahl von Personen interviewt", sagte Bange weiter. Bestätigt habe sich dabei, dass die Täter oft unter der "Maske der Fortschrittlichkeit und Liberalität" gehandelt hätten. Dabei hätten Pastoren oft ihre Machtposition missbraucht, oft auch mit dem "Angebot extrem großer Mengen von Alkohol". Dadurch sei Widerstandsfähigkeit von Mädchen und Jungen gebrochen sowie Hemmschwellen abgebaut worden.
Die Kommission empfiehlt der Nordkirche allerdings schon jetzt, transparente und nachvollziehbare Regelungen zur Abgrenzung seelsorgerlicher und "anderer" Gespräche zu entwickeln. Dabei gehe es auch um die seelsorgerliche Schweigepflicht, die im Zweifelsfall ähnlich wie bei Ärzten hinter den Schutz des Wohls von Kindern, Jugendlichen und anderen Anvertrauten zurückzutreten habe.
Bischöfin Fehrs: "Aufklärung ist nicht ohne auswärtige Experten möglich"
Bischöfin Kirsten Fehrs dankte der Kommission für ihre "hervorragende Arbeit". Es seien "Spuren gelegt worden, die wir weiter verfolgen können", mit "Wind unter den Flügeln". Aufklärung sei nicht ohne auswärtige Experten möglich, sagte sie. Es gebe bei kirchlichen Mitarbeitern "einen Fleck des Nicht-Wahrhaben-Wollens". Dem müsse "mit Schonungslosigkeit ein Spiegel vorgehalten" werden - und das gehe nur von außen.
Anselm Kohn, Sprecher und Vorsitzender des Vereins "Missbrauch in Ahrensburg" kündigte an, dass sich sein Verein exakt drei Jahre nach Gründung am 22. Juni auflösen werde. Mit regelmäßigen Mahnwachen und öffentlichen Protesten habe man in dieser Zeit eine gewisse "Lautstärke" hergestellt und "Aufmerksamkeit gefunden", zuletzt auch beim Hamburger Kirchentag.
Anselm Kohn: "Die Nordkirche ist mutige Schritte gegangen"
Nun könne man "das Staffelholz weitergeben", etwa an die unabhängige Expertenkommission. Die Nordkirche sei "mutige Schritte" gegangen, und es bestünden vertrauensvolle Kontakte insbesondere zu Bischöfin Fehrs. "Das sind Meilensteine", sagte Kohn. Der Missbrauchsverein werde daher nicht mehr gebraucht.