Eröffnung der Aktion Brot für die Welt am 1. Advent

Falsche Sicherheiten und echtes Vertrauen

27. November 2022

Liebe Gemeinde, zum 1. Advent gehört die Eröffnung der neuen Aktion von „Brot für die Welt“. Dieser Anlass begleitet uns schon über Jahre, unabhängig davon, wie intensiv wir diesen Start wahrnehmen. Und doch fühlt sich dieses Datum seit Kurzem, jedenfalls für mich, deutlich anders an als in früheren Jahren.

Und doch fühlt sich dieses Datum seit Kurzem, jedenfalls für mich, deutlich anders an als in früheren Jahren. Für mich war die Rede von Ungerechtigkeit, Naturkatastrophen, Hunger und Krieg in den Aufrufen von „Brot für die Welt“ eigentlich immer so etwas wie die Beschreibung einer sehr fernen Welt, die mit meinem eigenen Leben kaum etwas zu tun hatte. Sicher mit der Folge, Mitgefühl zu empfinden mit den vielen Menschen, die so zu leiden hatten auf der Südhalbkugel unserer Erde. Und sicher auch mit der einen oder anderen Spende. Meine eigene Lebenswirklichkeit war jedoch davon nicht existenziell betroffen.

Das hat sich in letzter Zeit schlagartig geändert. Die Folgen des Klimawandels sind heutzutage auch bei uns lebhaft zu spüren, wenn auch weit weniger katastrophal als in manchen südlichen Küstenregionen. Aber Dürre, Hitze und Extremwitterung machen nicht nur unserer Landwirtschaft zu schaffen, sondern betreffen viele Menschen in unserem Land massiv. Ein Krieg wütet nur wenige Hunderte Kilometer von uns, der Tag für Tag unfassbares Leid und Tod bringt. Von der Energiekrise und der Inflation sind um uns herum vor allem die Leute betroffen, die jeden Euro umdrehen müssen.

Wir haben nur „eine Welt“. Die großen Krisen unserer Tage haben allesamt globale Folgen. Niemand kann sich entziehen. Nationaler und persönlicher Egoismus führen in die Sackgasse. Die eine Zukunft kann es nur gemeinsam für alle geben oder sie gibt es nicht mehr.

Und darum empfinde ich es als hilfreich, dass heute ein Predigttext im Kalender steht, der eigentümlich im Widerspruch zu stehen scheint zum heimeligen Ersten Advent mit seinen schönen Liedern, der ersten Kerze und der Vorfreude auf Weihnachten. Dieser Predigttext entstammt dem letzten Buch der Bibel, der Offenbarung des Johannes. Am Anfang dieses Buches finden wir Briefe an sieben Gemeinden. Das letzte dieser Sendschreiben hat Laodizea als Adresse, eine wohlhabende Gemeinde in Kleinasien, der heutigen Westtürkei. Und der Seher Johannes geht mit dieser Gemeinde hart ins Gericht. Ich lese aus Offenbarung 3 in der Übersetzung von Walter Jens:

  •  Lesung      -

Das muss man sich mal vorstellen. Da kommt ein Brief in die Gemeinde. Und in diesem Brief steht unverblümt, dass Gott diese angeschriebene Gemeinde ausspeien möchte. Er findet sie zum Kotzen, Entschuldigung, aber so steht’s geschrieben. Soll ja wohl heißen: Weg mit dir, so geht es gar nicht. Dieses schreckliche Gottesurteil hat handfeste Gründe. Laodizea ist eine reiche Stadt. Sie lebt vom Handel, vom Goldschmiedehandwerk, kann sich leisten, was sie möchte. Das färbt auf die Christengemeinde ab. Sie ist lau. Nicht kalt, nicht heiß. Lasch, könnte man vielleicht sagen, selbstzufrieden, satt.

Warum? „Ich bin reich, begütert! Ich brauche nichts mehr!“ Die Gemeinde in Laodizea ist lasch geworden, weil sie keine Wünsche mehr hat. Sie hat ja alles. Sie sitzt im Fett. Veränderungen und Entwicklungen würden nur schaden und die allgemeine Wohligkeit stören. Sie denkt, dass diese komfortable materielle Situation bedeutet: Alles ist in Ordnung. Ich brauche nichts mehr.

Da kommt dieser Brief wie ein Donnerschlag. Nichts da! In Wirklichkeit bist du unglücklich, bejammernswert, bettelhaft, blind und nackt! Indem du dich auf dein Gold verlässt, zeigst du eigentlich, dass du in Wirklichkeit völlig arm bist, nackt und blind. Du brauchst alles. Kein volles Goldsäckel, sondern Herzensgold, das dich von innen durchglüht. Keine schicken Patrizier- Gewänder, die sind tatsächlich nur Nacktheit, sondern ein weißes Taufkleid. Eine göttliche Salbe, die deine Blindheit heilt, deinen Blick nur auf den Mammon. 

Die schonungslose Analyse dieses Sendschreibens sagt: Du verlässt dich auf deinen materiellen Reichtum. Damit verrätst du fundamental den Kern des christlichen Glaubens. Du bist in Wahrheit bettelarm. Denn all deine finanziellen Möglichkeiten mögen komfortabel sein, aber haben noch überhaupt nichts zu tun mit dem Zentrum des Evangeliums, mit Gottvertrauen, mit Trost, mit Liebe zum Nächsten. Weil du dein Herz an deinen Reichtum hängst, ist in deinem Herz kein Platz mehr für Gott. Dein dickes Konto hindert dich daran, deinen Glauben überzeugend zu leben.

Ich klopfe an, ruft Christus. Ich bin so streng zu dir aus reiner Liebe. Wie ein Vater sein Kind liebt. Kehr um! Fang von vorn an! Ich möchte rein zu dir und mit dir Mahl halten.

Dieser Brief ist radikal. Und es gibt keinen Grund, mit dem wir uns heute im reichen Norden diesen radikalen Anfragen entziehen könnten. Letztlich behauptet diese Bibelstelle wie auch andere, dass materieller Reichtum wahren, rechten Glauben schwer macht oder gar verhindert. Jesus preist die Armen selig. Er behauptet, dass eher ein Kamel durch ein Nadelöhr passt als dass ein Reicher in den Himmel kommt. Solche Sätze sind ähnlich unmissverständlich wie unser Abschnitt.

Ich glaube, es ist hilfreich, wenn wir uns heute dieser radikalen Anfrage erst einmal stellen. Unser Leben ist prall von Besitz, vom Konto, von Versicherungen, von Erbe, von Zinsen und Renditen. Sicher in völlig ungleicher Verteilung. Aber allesamt haben wir uns gut eingerichtet in einem unfassbar wohlhabenden Land. Täglich profitieren wir davon, in einem der reichsten Länder dieser Erde zu leben.

Ohne die Radikalität dieser Anfrage mildern zu wollen, hilft sicher Solidarität. „Brot für die Welt“ verwendet seit Jahrzehnten Mittel aus dem reichen Norden, um im Süden Entwicklung zu fördern, für Ausgleich zu sorgen, Hilfe zur Selbsthilfe zu ermöglichen. Die Adventszeit ist prädestiniert dafür, über echtes Teilen nachzudenken, über großzügiges Spenden.

Das Wesentliche dieses heftigen Briefes haben wir damit aber wohl noch nicht erreicht. Er zielt auf unser Herz. Es geht um nicht weniger als unser Vertrauen. Reich zu sein birgt das große Risiko, sich sicher zu fühlen durch viel Geld. Das ist in den Augen der Bibel ein grundlegender Irrtum. Unser Vertrauen gebührt Gott allein. Er braucht unser ganzes Herz. Er ist ein Gott, der in einem Futtertrog im Viehstall Mensch geworden ist. Nicht das Gold macht uns innerlich und äußerlich heil- das kann allein die göttliche Liebe.

Wer Ohren hat höre, was der Geist seinen Gemeinden sagt.                

Amen.     

Datum
27.11.2022
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