„Für das Fach Religion brauchen Studierende eine eigene Verortung“
07. Oktober 2019
Wie werden die Studis im Fach Evangelische Religion gut auf das vorbereitet, was sie nachher in der Schule erwartet? Mit dieser Frage beschäftigt sich seit August Stephan Dann, der neue Beauftragte für die Studierendenbegleitung in der Nordkirche.
Herr Dann, was macht man überhaupt in der Studierendenbegleitung?
Wir versuchen als "Wegweiser" die Studierenden im Fach Lehramt Evangelische Religion fit zu machen für eine eigene, pluralistische, dialogfähige und tolerante Haltung im Religionsunterricht. Ein Kernthema ist, dass wir als Mensch mit konfessioneller Identität, mit einer eigenen Verortung in dem Fach Religion unterwegs sind.
Wieso ist das so?
Wir wünschen den jungen Leuten, die Religionspädagogik studieren, ein inneres Wissen von Ritualen und den Wurzeln unseres Glaubens. Sie kommen ja heute kaum noch aus einer kulturprotestantischen Mitte oder sind in Kirche groß geworden. Die gesellschaftliche Entwicklung ist auch, dass viele junge Leute gar nicht mehr aus diesem „Beziehungswissen“ unserer Traditionen schöpfen können, weil es das als gesellschaftliche Breite so nicht mehr gibt.
Wenn es das nicht gibt – wie kommen sie denn darauf, das Fach zu studieren?
Natürlich gibt es ein großes Interesse an Religion und der Alltag junger Leute ist durchwoben von Religiosität. Nüchtern betrachtet muss man aber wohl auch sagen: Das Gros der Studierenden macht das, weil sie ein Zweit- oder Drittfach suchen. Sie studieren dann zum Beispiel Geschichte und fragen sich: „Was machen wir denn dazu? Nehmen wir mal Religion; das hat bisher nicht doll weh getan in der Schule.“ Dann gibt’s ein paar Leute, die es wählen, weil sie auch einen sehr guten Religionsunterricht erlebt und Spaß daran haben, das weiterzumachen. Und es gibt auch einen kleinen Teil, das sind dann die positiv Widerständigen, die einen ganz schlechten Religionsunterricht hatten und sagen: Das können wir besser.
Und warum ist die eigene Verortung für angehende Religionslehrerinnen und -lehrer so wichtig?
Das ist ein bisschen so wie beim Musiklehrer, der muss ein Instrument können – so muss ein Religionslehrer auch Religion können. Er muss sich darin bewegen, muss wissen – oder wenigstens eine Ahnung haben, wovon er spricht. Eine Religionslehrerin muss von der eigenen Haltung her einen Dialog mit anderen anschieben können, ohne einerseits fundamentalistisch zu sein, und ohne andererseits zu sagen, es sei alles egal. Und dann ist es so, dass das Fach Religion inhaltlich in der Verantwortung der Religionsgemeinschaften liegt. Und hier in Norddeutschland hat der Gesetzgeber uns als Nordkirche diese Verantwortung übertragen. Wir haben also auch die religiöse Heimat unserer Religionslehrerinnen und -lehrer in der Nordkirche im Blick und brauchen die gemeinsame Sprache und das gemeinsame Unterwegssein zu den wichtigen Fragen des Lebens.
Wie erreicht die Studierendenbegleitung das?
Zunächst einmal sind wir in den Ersti-Wochen und in den Einführungsvorlesungen an den Fakultäten in Flensburg, Kiel, Rostock, Hamburg und Greifswald präsent. Da können wir unser Programm vorstellen und die Leute einladen – denn unser Angebot ist ja ein fakultatives. Die Studierenden können sich bei uns auf eine Liste setzen lassen und haben dadurch verschiedene Vorteile: Sie können sich Büchergeld sponsern lassen, Fahrtkostenzuschüsse zu Exkursionen erhalten, sich vernetzen; außerdem bieten wir regelmäßig Workshops und Seminare. Wir haben in der Nordkirche mehr als 1500 Studierende im Fach Evangelische Religion, und rund ein Drittel nimmt das Angebot schon wahr.
Worum geht es in den Workshops und Seminaren?
Um Wurzeln der eigenen Identität und des Glaubens und zum Beispiel um die Fragestellung „Warum ist Religion kein Fach wie jedes andere?“ – dazu gab es mit meiner Vorgängerin Nicole Thiel schon sehr gute Angebote. Und wir wollen nach Möglichkeit an die Kampagne „Raum für Fragen“ für den Religionsunterricht andocken, denn die Fragen der Schüler lassen sich ja auf die Studierenden und die Lehrkräfte übertragen. Was sagt ein Lehrer, wenn er gefragt wird: Was bringt es mir, wenn ich glaube? Unsere Kooperationspartner an den Universitäten haben uns rückgemeldet, dass insbesondere Angebote mit dem Fokus Persönlichkeitsentwicklung und religiöse Identität gebraucht werden.
Was stellen Sie sich da für Angebote vor?
Neben unseren Angeboten an den Unis: Zum Beispiel mit den Studierenden pilgern zu gehen, im wahrsten Sinne des Wortes etwas „Kleinschrittiges“ zu unternehmen. Und dabei eine Kirche zu besuchen – ohne daraus ein großes kirchenpädagogisches Seminar zu machen, sondern einfach mal zu schauen: Wie fühlt sich das in so einem Raum an, was gehen mir spontan für Impulse durch Körper und Seele? Um darüber vielleicht anzuknüpfen an ritualtheoretische Impulse: Wie würde ich eigentlich Religionsunterricht von der Liturgie her gestalten: Womit fange ich an, womit höre ich auf? Um dann zu sagen: „Ich hätte gern, dass meine Schülerinnen und Schüler das auch in meinem Unterricht das erleben.“ Ich könnte mir auch vorstellen, etwas am Meer zu machen, in Kombination mit einem Surfkurs – unter der Überschrift „Zwischen den Wellen“ oder „Hart am Wind“. Oder gemeinsam zu Kochen und dabei zu reden über Gott und das Leben und überhaupt.