Kirchenräume als Zukunftsort

Zukunftswerkstatt Kirchgebäude: Neue Wege für alte Gemäuer

Die Kirche steht gut sichtbar im Mittelpunkt des Dorfes Wustrow am Plätlinsee an der Mecklenburgischen Seenplatte.
Die Kirche steht gut sichtbar im Mittelpunkt des Dorfes Wustrow am Plätlinsee an der Mecklenburgischen Seenplatte.© iStockphoto, kama71

08. Juli 2025 von Simone Viere

Was tun mit Kirchen, die nur noch wenig genutzt werden oder leer stehen? Mit dieser Frage haben sich bei der Zukunftswerkstatt "Potenzial! Kirchliche Orte – Gesellschaftliche Relevanz" Teilnehmende aus der Nordkirche und darüber hinaus in Hamburg-Altona beschäftigt.

Mit dabei war auch der Kulturbeauftragte der EKD, Johann Hinrich Claussen, der einen Impulsvortrag zum Einstieg hielt.

Vor allem hätten Kirchen eine soziale Funktion, die unbedingt erhalten bleiben sollte, erklärt Claussen schon vor Beginn der Tagung. Warum viele Kirchen leer stünden, habe viele verschiedene Gründe:

"Kirchen wurden über viele Jahrhunderte zahlreich gebaut. Mit dem demografischen Wandel und dem Rückgang der Kirchenmitgliedschaften werden sie weniger genutzt. Vor allem auf dem Land nimmt auch die Bevölkerungszahl durch Wegzug weiter ab und Kirchengemeinden werden immer kleiner. Für Gemeinden wird es deshalb immer schwieriger, die teuren Gebäude zu halten und zu finanzieren."

Johann Hinrich Claussen, Kulturbeauftragter Rat der Ev. Kirche in Deutschland (EKD).© epd-bild/Friedrich Stark

Kirchen sind historische Gebäude und oftmals auch denkmalgeschützt. Claussen findet, die Gebäude sollten nicht nur von christlichen Gemeinden zum Gottesdienst genutzt werden, sondern auch als Gemeinschaftsorte für das gesamte Dorf: 

Sie sind Gedenkorte, historische Wahrzeichen und Gemeinschaftsorte. Als solche haben sie großes Potential, gemeinsam von christlichen Gemeinden und zivilgesellschaftlichen Akteuren genutzt zu werden. Das können unter anderem Vereine, Schulen, Stiftungen und Museen sein. Johann Hinrich Claussen

In einigen Dorfgemeinden wird dieses Potential bereits genutzt. Vereine, die sich für den Erhalt von kirchlichen Gebäuden engagieren, organisierten dort etwa Konzerte, so Claussen weiter.

"So hat die ganze Dorfgemeinschaft etwas vom Erhalt der Kirchen. An diesen positiven Beispielen wollen wir uns orientieren." Denn wer nur von Niedergang spreche, befördere diesen auch.

Herausforderung: viele Kirchen – kleine Gemeinden

Mit rund 1.200 Kirchen und Kapellen befindet sich ein Großteil der insgesamt 1.890 kirchlichen Gebäude der Nordkirche im Bundesland Mecklenburg-Vorpommern – viele davon denkmalgeschützt. Gleichzeitig zählt der Sprengel Mecklenburg und Pommern derzeit nur rund 201.600 Gemeindemitglieder. Besonders in ländlichen Regionen wie der Propstei Neustrelitz wird das Spannungsverhältnis zwischen Gebäudedichte und Gemeindegrößen sichtbar: Dort kommen im Schnitt nur 85 Gemeindemitglieder auf eine Kirche.

Auch Bischof Tilman Jeremias aus Greifswald betont die Dringlichkeit, innovative Konzepte für die Zukunft der Kirchen zu entwickeln: „Es geht nicht allein darum, alte Gemäuer zu erhalten – sondern Räume lebendig zu halten, in denen Menschen Gott, sich selbst und anderen begegnen können. Wenn wir Kirche zukunftsfähig gestalten wollen, dann brauchen wir Mut zu neuen Ideen, Offenheit für Kooperationen und Vertrauen in die Kraft unseres Glaubens.“

Tilman Jeremias, Bischof im Sprengel Mecklenburg und Pommern.© Nordkirche, Marcelo Hernandez

Er verweist auf die zentrale Rolle, die Kirchen gerade im ländlichen Raum trotz aller Herausforderungen nach wie vor spielen: als Orte der Gemeinschaft, der Kultur und des Glaubens.

Mit Blick auf die bauliche Substanz vieler Kirchen appelliert der Bischof an Kirchengemeinden und Öffentlichkeit gleichermaßen, die Gebäude nicht vorschnell aufzugeben. „Viele Kirchen in Mecklenburg und Pommern sind heute in einem erstaunlich guten Zustand – das verdanken wir dem beharrlichen Engagement unzähliger Gemeindeglieder und Fördervereine. Diese Kraftquellen sollten wir nicht leichtfertig aufgeben“, so Tilman Jeremias.

 Von der Feuerorgel bis zur Herbergskirche – kreative Konzepte für sakrale Räume

Architektin Elke Bergt, Leiterin des Baureferats der Kirche in Mitteldeutschland, stellte den Tagungsteilnehmenden viele innovative Ideen aus ihrer Landeskirche vor, auch zu finden in dem Buch "500 Kirchen 500 Ideen".

So gebe es eine Bienengartenkirche, die von der Imkerin bis zu Schulklassen und Engagierte aus dem Dorf einbezieht. Oder Herbergskirchen, die zur Übernachtung über die Buchungsplattform "Airbnb" gebucht werden können. Auch ein Kunstwerk in der Kirche, wie die "Feuerorgel" locke Menschen an.

Tauschten sich über Ideen und Impulse zur kreativen Nutzung von Kirchen aus: Teilnehmende der Zukunftswerkstatt in Hamburg Altona (Juli 2025).
Tauschten sich über Ideen und Impulse zur kreativen Nutzung von Kirchen aus: Teilnehmende der Zukunftswerkstatt in Hamburg Altona (Juli 2025).© Doris Hamer

Auch Architekt und Städtebauer aus Rostock, Prof. Dr. Henning Bombeck, sprach sich für die Nutzung der Kirchengebäude als Gemeinschaftsräume für das Dorf aus. "Vieles wird anders aber nicht unbedingt schlechter. Ländlicher Raum war immer dem Wandel unterworfen", so Bombeck. Die Gemeinschaft sei im Dorf alternativlos, nur müsse man Orte für Kommunikation schaffen. Das Dorf braucht ein gemeinsames Wohnzimmer". 

Mehr über die Dorfkirche mon amour

Hier fand die Zukunftswerkstatt statt: Trinitatisquartier Altona

Auch in der Nordkirche gibt es Projekte, Dorfkirchen mit Leben zu füllen. Eines davon hat Luise Klafs vom Pädagogisch-Theologisches Institut der Nordkirche (PTI) ins Leben gerufen: „Mit dem Projekt Dorfkirche mon amour machen wir die Erfahrung, dass viel Potential im ländlichen Raum schlummert: Die schlechte kulturelle Infrastruktur und die langen Wege führen dazu, dass Menschen oft selbst aktiv werden um ihr Dorf zu beleben", so Klafs.

Gemeinsam eingeladen zur Zukunftswerkstatt im Trinitatisquartier in Hamburg hatten das Pädagogisch-Theologisches Institut der Nordkirche, Kirche und Tourismus, und die Akademie der Nordkirche.

Da habe Kirche einen großen Vorteil – die Gebäude seien da und bürokratische Hürden vergleichsweise gering, so Klafs, die auch als eine der Gastgeber*innen durch die Zukunftswerkstatt in Altona führte. "Hier zeigt sich zweierlei: Dort, wo Kirche in die Rolle der 'Ermöglicherin' schlüpft und Raum zum Experimentieren gibt, da kommt etwas in Bewegung, zum Wohle aller. Das geht natürlich nur mit guter Kommunikation und Arbeitsteilung – aber es lohnt sich, wenn wir Kirchen als öffentliche Gebäude ernst nehmen wollen!“

Pastor Ulrich Keßler vom PTI bilanziert: "Ich bin mir sicher, Kirche geht weiter, nur wird sie sehr anders aussehen als heute". 

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