Sonntag, den 5. Februar 2023 um 14.00 Uhr | Vicelinkirche in Neumünster

 „Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken und eure Wege sind nicht meine Wege.“

05. Februar 2023

Predigt von Bischof Magaard im Gedenkgottesdienst anlässlich der Gewalttat von Brokstedt

Gottes Friede sei mit uns allen. Amen.


Liebe Gemeinde,

Schreckliches ist geschehen. Eine sinnlose Gewalttat in einem Zug, die viele Opfer gefordert hat. Die Trauer um die beiden jungen Menschen, die dort ihr Leben verloren haben, ist abgrundtief und schmerzhaft:

Eltern haben ihr Kind verloren. Eine junge Frau und ein junger Mann wurden aus ihren Familien und Freundeskreisen gerissen.  

Andere bangen um die Schwerverletzten.

Die Mitreisenden, welche die grausame Tat mit ansehen mussten, tragen schreckliche Bilder in sich. Möglicherweise plagen sie sich sogar mit der Frage, was sie hätten tun können.

Und dann die Rettungskräfte: Waren sie während ihres Einsatzes bewundernswert standhaft und stark, brauchen sie jetzt Abstand, um das Erlebte zu verarbeiten.

Die Menschen in Brokstedt, in der Region und im ganzen Land sind erschüttert über diese Tat. Anteilnahme und Mitgefühl sind groß.

Das Vertrauen in eine sichere Alltagswelt hat Risse bekommen.  Und deshalb ist es wichtig und gut, dass wir heute hier zusammen sind. Um unseren Schock und unsere Trauer miteinander zu teilen.  Um uns gegenseitig beizustehen. Um Halt und Trost zu suchen.

Großer Dank gilt allen, die am Tag des Unglücks und in der Zeit danach geholfen haben: den Rettungs- und Notfallsanitätern, der Polizei und der Feuerwehr und den Notfallseelsorgerinnen. Den Bahnangestellten und Mitreisenden, die zu Hilfe geeilt sind. Den offenen Ohren am Hilfetelefon.

Den Lehrerinnen und Lehrern, die das Gespräch mit den Mitschülern gesucht haben, den Seesorgerinnen und Seelsorgern vor Ort und den vielen betroffenen Familien und Freunden, die zuhören, die trösten und begleiten.

Und doch bleiben Schmerz und Fassungslosigkeit. Die schreckliche Tat führt uns vor Augen, wie verletzlich das Leben ist. Mitten im Leben lebensgefährliche Gewalt und plötzlicher Tod.

Vor gezielter Gewalt kann man sich nicht schützen. Das ist schwer zu ertragen. Es macht auch wütend. Es bringt das Grundvertrauen ins Wanken.

Dabei können wir ohne ein solches Vertrauen nicht leben. Denn Leben bedeutet immer, hinauszugehen, Risiken in Kauf zu nehmen und  darauf zu vertrauen, dass wir auf unseren Wegen behütet werden.

Durch einen Messerangriff ohne erkennbaren Anlass am helllichten Tag, ist dieses Vertrauen in Frage gestellt. Wir müssen das Unbegreifliche aushalten.

Mein Gott, wie schwer ist das? Mein Gott, wie soll man so eine Gewalttat ertragen? Mein Gott.

Das ist vielleicht das einzige, was jetzt hilft: Unsere Fassungslosigkeit auszusprechen. Unser Klage im Gebet vor Gott zu bringen. Unser Herz ausschütten mit allem, was uns bewegt. Die alten Worte des Psalms können uns helfen:

„Herr höre mein Gebet und lass mein Schreien zu dir kommen! Verbirg dein Antlitz nicht vor mir in der Not, neige dein Ohren zu mir; wenn ich dich anrufe, so erhöre mich bald…

Ich wache und klage wie ein einsamer Vogel….“

Wir sehnen uns nach Gottes Nähe, ja wir schreien nach seiner Hilfe, nach seinem guten Wort. Und manchmal, da scheint er uns so ferne wie in den Worten aus dem Buch des Propheten Jesaja:

 „Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken und eure Wege sind nicht meine Wege.“

Trauer und Schmerz über diese Gewalttat machen es fast unmöglich, neue Wege überhaupt nur zu denken. Klage, Wut und Protest brauchen ihren Raum.  

„Meine Wege sind höher als eure Wege und meine Gedanken als eure Gedanken.“

Diese Worte mögen abgehoben klingen. Und doch spricht Zuwendung aus ihnen: Auch wenn ihr überhaupt nicht sehen könnt, wie es weitergehen soll, bin ich euch nahe, spricht Gott. So wie Schnee und Regen vom Himmel fallen und auf der Erde neues Leben bringen und Pflanzen wachsen lassen, so gilt doch meine Verheißung: Ihr seid nicht allein, nicht im Leben, nicht im Sterben.

Es ist wahr: Es gibt Wunden, die Menschen nicht heilen können. Es gibt Situationen, wo Trauer und Verzweiflung uns ganz und gar erfüllen.

Und doch hoffen wir darauf, dass Gewalt und Tod und Schmerz nicht das letzte Wort haben. Dafür steht das Kreuz, dafür steht Jesus Christus mit seinem Weg der Liebe. Der sagt: „Selig sind die Leid tragen, denn sie sollen getröstet werden.“

Lasst uns heute gemeinsam traurig sein. Lasst uns gemeinsam hoffen, dass die Verletzten wieder heil werden. Lasst uns gemeinsam alles dafür tun, dass sich eine solche Tat nicht wiederholt. Lasst uns gemeinsam dafür einstehen, dass Liebe und Hoffnung stärker sind als Hass und Gewalt.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinn in Christus Jesus. Amen.

Segensgebet:

Barmherziger Gott, wir bitten um deinen Segen.

Begleite uns auf den Wegen der Trauer.

Tröste die verletzten Seelen.

Richte die Hoffnung auf.

Gib Kraft und Liebe, stärke die Gemeinschaft.

Hilf, dass Vertrauen neu wachsen kann. Amen

Datum
05.02.2023
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