27.04.2024 | Hanerau-Hademarschen

Gott, der Handwerker - Predigt in einem Gottesdienst mit dem Handwerk

29. April 2024

"Kirche und Handwerk, wir brauchen einander, weil es immer in allem um das große Ganze geht."

Liebe Gemeinde,

mein sechsjähriger Sohn macht sich sehr viele Gedanken darüber, was er mal werden will. Vor einigen Monaten hat er gesagt: „Mama, wenn ich erwachsen bin, werde ich Gott.“ Vielleicht liegt das ja nah bei Eltern, die Theologen sind, aber ihr könnt euch vorstellen, dass ich etwas verwundert nachgefragt habe, was er denn genau damit meine. Seine Antwort: „Ich werde zwei Werkstätten haben: Eine Autowerkstatt und eine Holzwerkstatt. Und wer alles reparieren kann, der kann alles. Der ist wie Gott.“  

Mittlerweile hat sich sein Berufsbild wieder gewandelt, er will Landwirt werden in den nordfriesischen Kögen wie sein bester Freund. Und er wird Spargel anbauen. Welche Maschinen dafür nötig sind, hat er auch schon recherchiert und welche Trecker überhaupt was taugen und welche nicht.

Ich erzähle das, weil ich glaube: Mein Sohn hat da intuitiv etwas ganz Wichtiges begriffen. Wir sind Menschen aus Fleisch und Blut. Und wir können die schönsten Reden schwingen, werden aber zu den hilflosesten Wesen, wenn uns alles Drumherum fehlt – Tisch, Stühle, Papier, Handy, Kleidung, und was wäre ich ohne meine Brille…

Wer etwas schaffen kann, ist wie Gott. Denn unsere Welt besteht aus Materie.

Deshalb freue ich mich so sehr über diesen tollen Gottesdienst heute. Danke für diese Initiative!

Wir hören in diesem Gottesdienst allerdings schon so viele Geschichten – da gibt es kaum mehr was zu sagen. Deutlich ist: Handwerk und Kirche – wir brauchen einander und zwar auf eine gute Weise. Gerade, weil wir mit unseren Kirchengebäuden ja in Stein oder Holz oder Beton manifestierten Glauben haben. Was wären unsere Orte ohne die Kirchen – das haben Sie hier ja leider auf sehr schmerzhafte Weise erfahren müssen. Wir merken immer wieder: Auch wenn Menschen nicht unbedingt den Gottesdienst am Sonntagmorgen als Kern ihres Glaubens mehr sehen – dass es die Kirchengebäude gibt, das ist wichtig. Auch da, wo Kirche ansonsten keine große Rolle spielt.

Ich möchte an dieser Stelle noch einmal das Bild meines Sohnes aufgreifen, aber von der anderen Richtung her. Und damit das, worüber wir heute sprechen, in einen etwas größeren Rahmen stellen.

Wie wäre es denn mit diesem Bild: Gott, der Handwerker. Mit seinen Werkstätten, in denen das heil gemacht wird, was kaputt ist. In denen Dinge geschaffen werden, die uns Menschen unterstützen, ein gutes Leben zu führen.

Gott, der Handwerker. Mir gefällt diese Vorstellung. Gott, der seine Schöpfung baut. Der sich genau überlegt, was es alles braucht: Licht und Wasser, Erde und Pflanzen und Tiere. Gott, der Handwerker, der sorgfältig mit den verschiedenen Materialien arbeitet. Sich kreativ und pragmatisch ans Werk setzt. Und so einen Lebensraum schafft, in dem Mensch und Tier gut leben können.

Gott, der Handwerker, der sich nach getaner Arbeit zurücklehnt, sein Werk betrachtet und feststellt: es ist sehr gut!

Und dazu gehört auch: Gott, der Handwerker, der Arbeiter bestellt. Er beauftragt Menschen mit der Instandhaltung, Pflege und Wartung seines Werkes. Damit die Welt auch weiterhin ein Ort ist, an dem Mensch und Tier gut leben können.

Und dann ist da die Geschichte von Jesus, dem Zimmermann, ziemlich am Ende der Bibel. Der mit einer klaren Botschaft kommt: sorgt füreinander! Gott ist da!

Und sie gehören ja zusammen: Gott, der Schöpfer, der uns zu Beginn der Bibel begegnet wie ein Handwerker. Der sein Werk gestaltet: ein Haus, in dem wir gut leben können. Und Jesus, der Zimmermann, in dem Gott uns begegnet und der uns zu einem neuen Lebensstil befreit.

Und zu dieser Geschichte gehören wir, die Arbeiter, die Gott bestellt hat. Um seine Schöpfung zu bewahren. Und ich wünsche mir, dass wir uns mit Herz und Seele dafür einsetzen: weil Gott diese Schöpfung gut gemacht – so wie ein Handwerker sein Werk baut. Und weil Jesus, der Zimmermann, uns ein gutes Ende verheißt.

Daher bedeutet Bewahrung der Schöpfung für mich auch, dass wir uns umeinander kümmern. „Um die Seele sorgen“ würde man altmodisch dazusagen. Dann, wenn die großen Fragen auftauchen: Warum das Ganze? Dann lassen Sie uns diese Geschichten erzählen: von Gott, dem Handwerker. Und Jesus, dem Zimmermann. Geschichten, in denen wir spüren: das hat etwas mit meinem Leben zu tun. Sie helfen mir, mein Leben zu verstehen. Sie machen mir Mut, weiterzumachen. Motivieren mich, mich für die Schöpfung einzusetzen.

Dann bedeutet Bewahrung der Schöpfung, dass wir als Kirche auch ganz praktisch werden: We mookt dat! Auch wir machen das: und sind für Sie da, wenn Ihre Kinder getauft werden. Begleiten Sie, wenn Verwandte oder Freunde sterben. Feiern Gottesdienste, in denen Ihre Spiritualität Platz findet. Und nehmen Ihre Anliegen und Sorgen ernst.

Kirche und Handwerk, wir brauchen einander, weil es immer in allem um das große Ganze geht.

Wir brauchen einander, um die kniffeligen Fragen zu lösen und miteinander zu lernen: Wie schafft das Handwerk den Spagat zwischen Tradition und notwendiger Anpassung? Wie organisieren Sie Arbeit, wenn Fachkräfte weniger werden, aber die Arbeitslast bleibt? Welche Arbeitsmodelle können wir jungen Menschen anbieten, damit Freizeit, Familie und Beruf in Balance kommen?

Wir brauchen einander als Gesprächspartner auf Augenhöhe: Wenn wir den Blick in die Zukunft richten und gemeinsam überlegen: Wie können wir auch in Zukunft gut leben? Wie können wir junge Menschen am Einstieg ins Berufsleben gut begleiten und darin bestärken, Berufe zu finden, die ihren Gaben entsprechen? Wie können wir uns gemeinsam ermutigen, Verantwortung für unsere Gesellschaft zu übernehmen? Damit wir auch weiterhin in einer Demokratie leben, in der Vielfalt sein darf.

Kirche und Handwerk – wir brauchen einander. Und ich wünsche uns allen, dass wir Begegnungen wie heute fortsetzen: Kirche und Handwerk, miteinander und füreinander.

Gott segne das Werk unserer Hände.

Amen

Datum
29.04.2024
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