Gott nahe zu sein, ist mein Glück
01. Januar 2014
ZDF-Neujahrsgottesdienst mit einer Predigt zur Jahreslosung 2014: „Gott nahe zu sein, ist mein Glück“
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus; die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen.
Liebe Gemeinde hier in der Frauenkirche
und überall, wo Sie mit uns diesen Gottesdienst feiern!
“Ich wünsche Dir ein glückliches Neues Jahr!“ –
„Gott nahe zu sein, ist mein Glück“ – So antwortet die Losung für 2014 aus dem 73. Psalm.
Wir Menschen sind Glückssucher. In einem feinen Gedicht von Kurt Tucholsky heißt es:
„Aber wie das so ist hienieden:
Manchmal scheints so, als sei es beschieden.
nur pöapö, das irdische Glück.
Immer fehlt dir irgendein Stück.
Hast du Geld, dann hast du nicht Käten;
hast du ´ne Frau, dann fehl´n dir Moneten –
hast du die Geisha, dann stört dich der Fächer:
Bald fehlt uns der Wein, bald fehlt uns der Becher.
Etwas ist immer.
Tröste dich
Jedes Glück hat einen kleinen Stich.
Wir möchten so viel: Haben. Sein. Und gelten.
Dass einer alles hat,
das ist selten.“
Jedes Glück hienieden „hat einen Stich!“ Zufrieden stellt uns das nicht.
Wie kann beides zusammen kommen: das irdische Glück mit Stich und das himmlische Glück umfassender Nähe zu Gott? Lebensfreude und Gottesfreude!
„Gott nahe zu sein, ist mein Glück.“
Das Wort überrascht. Denn der Psalm-Beter schildert, wie er vom Glück verlassen ist: „Ich bin doch täglich geplagt, und meine Züchtigung ist alle Morgen da!“ Er hat allen Grund, mit Gott abzurechnen. Denn er, ein frommer Mensch, muss leiden, und die, die Gott leugnen, leben glücklich und zufrieden, scheint es.
Erst, als er nicht länger auf die anderen sieht; als er sich auf die Suche nach Gott begibt – da, in Gottes Haus, findet er, wonach er sich sehnt. Und: Gott findet ihn. Er spürt: es gibt mehr als das, was ich sehe. Gott nahe zu sein, ist mein Glück, sagt er. Im Hebräischen heißt es: dass Gott mir nahe ist, tut mir gut! Nach langem Ringen mit sich und Gott kann der Psalmbeter sich in die Hand Gottes geben: „Dennoch bleibe ich stets an dir; denn du hältst mich bei der rechten Hand, du leitest mich nach deinem Rat…“
Ein Glück: einer will, dass geschieht, was gut ist, was dem Leben dient. Einer macht, dass geschieht, was hilft – in Trauer und Freude.
Das ist Glück: was gut ist für uns.
„Wir möchten so viel: Haben. Sein. Und gelten.“ - stellt Kurt Tucholsky fest.
Nein, sagt das Jahres-Wort: „Gott nahe zu sein, ist mein Glück.“
Du musst es nicht machen, dein Glück. Hör auf, immer mehr Glück aus dir selbst herausholen zu wollen – und dabei auch immer mehr von anderen Menschen zu fordern, die dich glücklich machen sollen. Das Glück findest du nicht durch einen immer schnelleren Lauf im Hamsterrad! Hör auf mit diesem Doping! Bleib stehen; lauf nicht weg; sei nahe bei dir und deinen Mitmenschen; sei nahe bei Gott! Glücklich ist der Mensch, der nicht alles von sich selbst erwartet - Erfolg, Größe, Ansehen. Glücklich ist der Mensch, der sich auf Gott verlässt.
Glück ist das, was am nächsten liegt: Nähe, nach der ich mich sehne; dass einer auf mich sieht und Acht hat; dass ich einem anderen lieb und wert bin mit meinen Schwächen und Stärken; dass ich nicht perfekt sein muss, nicht funktionieren, nicht aller Welt gefallen muss: das ist Glück, das die Zeit leicht macht, das Jahr beschwingt.
Glück kannst du nicht machen – Glück kannst du dir schenken lassen! Gott kommt auf dich zu; er kommt unerwartet: Als Kind in den Stall von Bethlehem. Als einer, der sich den Schwachen zuwendet, der selber schwach wird, der sich hingibt, der die Friedfertigen selig preist. Dessen Waffe nicht aus Stahl ist, sondern aus Barmherzigkeit und Vergebung. Nähe zu Gott: was für ein Glück! Er bleibt nicht unerreichbar, himmelweit. Er kommt herunter. Er kehrt sich nicht ab von dieser Welt. Er kehrt sich um – zu mir und zu dir.
Genau so, wie Jesus es selbst erlebt. Hier am Altar ist es zu sehen. Als er in der Nacht, da er verraten wird, von allen Menschen verlassen ist, betet Jesus zu Gott. Und als er betet, findet er Gottes Nähe. Seine Gebetsbewegung wird erwidert von der Bewegung des Engels, der zu ihm herabschwebt – segnend!
Gott ist nicht nur bei denen, die vom Glück begünstigt sind. Er ist nahe bei den Leidenden. Und dabei denke ich an die Terroropfer dieser Tage und an all die, die Gewalt leiden in Syrien, im Südsudan, wo für viele nur noch die Flucht Rettung verspricht. Ich denke an die, die die Despoten und ihre Machtgelüste satt haben, an die Fliehenden, Vertriebenen, Hungernden der Welt und an die Menschen auf dem Mittelmeer zwischen Afrika und Europa: Flüchtlinge, die sich lieber der Lebensgefahr aussetzen und dubiosen Schleppern anvertrauen als in der Heimat zu bleiben, wo Diktatoren sie mit Gift besprühen, metzeln; wo sie nicht wissen, wie sie sich und die Ihren ernähren; wo sie verfolgt und bedroht sind an Leib und Seele wegen ihres Glaubens.
Und dann kommen sie, wenn sie Glück haben und nicht zuvor in den Fluten ertrinken, an in Europa – und finden die Türen versperrt! Eine Festung mit Stacheldraht und nun auch mit einem Hightech-Programm, das Flüchtlinge aufspürt: Wie viele Menschen müssen noch sterben, bevor wir aufwachen, bevor wir eingreifen und die Ursachen beseitigen von Flucht und Hunger. Bevor wir begreifen, dass unser Streben nach Glück leider allzu oft auf Kosten der Ärmsten geht.
Glückliches Jahr - wenn wir umkehren zu Gott, zum Leben! – Gerade 2014, 100 Jahre nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges, der die ganze Welt ins Unglück stieß. Wo Gott nahe ist, da liegt Freiheit nahe – auch die Freiheit, die Hände zu öffnen, Leben und Reichtum zu teilen, Frieden zu exportieren, nicht Waffen; und gastfreundlich mit denen zu sein, die um ihr Leben fürchten und ihr Glück bei uns suchen!
Selig sind die Frieden stiften: Jesus preist jene glücklich, die bei uns oft zu den Verlierern gehören: die Sanftmütigen, also nicht die mit den Ellenbogen. Die nach Gerechtigkeit dürsten, also nicht jene, die keinerlei Skrupel kennen.
Gott nahe zu sein, ist mein Glück. Jesus selbst hat diese Nähe in seinen schwersten Stunden erfahren. Sie hat ihn getragen.
Das dürfen wir wissen am Anfang des neuen Jahres: da ist einer, der weiß, was wir brauchen zum Leben; da ist einer, dessen Kraft größer ist als unsere. Da ist einer, der Worte hat des Trostes und der Hoffnung, wenn es uns die Sprache verschlägt. Da ist einer, der mit uns geht über Höhen und durch Tiefen.
“Gott nahe zu sein, ist mein Glück.“ – Ein Wort über dem neuen Jahr, das nichts fordert; ein Wort, das trägt: Ich muss mein Glück nicht selber absichern. Und meine Sorgen muss ich nicht allein ent-sorgen. Und meine Fehler, mein Scheitern kann ich Gott anvertrauen. Und bei alle dem darauf vertrauen, dass er mich hält und trägt – in diesem Lebensabschnitt und darüber hinaus!
Glückssucher sind wir – süchtig nach Hoffnung, voller Sehnsucht auf Gottesnähe: Gott wird kommen auf uns zu – Jesus weiß, wie er hinein kommt in unser Leben; er kennt Zeit und Gelegenheit. Es kommt darauf an, dass wir hinsehen, wenn wir die Schwelle zum Neuen Jahr überschreiten, hinsehen auf die Spuren seiner Gegenwart bei uns und hören Gottes Wort, das aufhelfende, das weisende Wort.
Es ist unser Glück, wenn wir offen sind für den, der die Friedfertigen liebt und die Schwachen in sein Herz schließt; der sagt, dass das Reich Gottes angebrochen ist und dass Gottes Verheißung uns trägt und unsere Zeit.
Gott nahe zu sein, ist mein Glück. Solcher Glaube vertraut auf die Großzügigkeit Gottes, der sich verschenkt, und rechnet mit der Gnade Gottes, die einfach geschieht.
Damit wir alles haben: ein glückliches neues Jahr!
Amen.