Grußwort für die Festveranstaltung zur Einweihung des restaurierten Hedwig von Nyegaard-Stiftes anlässlich des 200. Geburtstags der Stifterin
02. Oktober 2012
Sehr geehrter Stiftungsvorstand,
sehr geehrter Herr Warmke-Rose,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
liebe Stift-Bewohnerinnen!
„Die älteste Damen-WG in Hamburg“, so betitelte eine bekannte Tageszeitung unlängst Sie, die Bewohnerinnen dieses Stiftes. Die älteste Damen WG, in der man miteinander wohnt, lebt, lacht und die Gemeinschaft pflegt - sie hat wieder eine Wohnstatt! Und eine wunderschöne dazu. Das Hedwig von Nyegaard-Stift ist nach langjährigem Dornröschenschlaf zu alter Schönheit erwacht. Zu alter Schönheit in wahrsten Sinne: denkmalgetreu und zugleich Barriere frei, dabei klimatechnisch modernisiert und von so vielen Seiten dankenswerterweise mitfinanziert - das neue Stiftsgebäude ähnelt nun dem ursprünglichen Stift in faszinierender Weise. Wie viele Menschen haben sich da Gedanken gemacht und engagiert! Und an einem Tag wie heute, in der Nähe zum Erntedankfest, liegt es nahe, für die Früchte all der Bemühungen zu danken. Danke also für diesen Denkmalschutz mit Herz. Denkmalschutz, der das Notwendige mit dem Ästhetischen zu verbinden versteht. Schauen wir`s an: Kaum zu glauben, dass diese Schönheit durchaus schon mal zu verblühen schien. Kaum zu glauben auch, dass bis zur letzten Minute eine Rundumsanierung stattgefunden hat. Mit allem, was das heißt. Bedeutet doch „rundum sanieren“ zunächst: Rundum ist alles durcheinander, war es nicht so? Rundum sind alle geschäftig, ist alles staubig, rundum sind Planer, Handwerker, Sponsoren, Architekten, Stiftungsvorstände am Start, rundum ist alles in quirliger Bewegung, damit´s wirklich rund wird, dieses überaus ehrgeizige neue Projekt mit alter Idee. Und diese alte Idee, meine Damen und Herren, feiert heute auch. Denn nicht nur das Stift selbst erstrahlt wieder in altem Glanz. Sondern auch dessen Ideen- und Geldgeberin, die Hedwig von Nyegaard, die heute ihren 200ten Geburtstag feiert. Da kann man nur sagen: Happy birthday, Hedwig!
So haben wir gleich mehrere Anlässe zu feiern und ich freue mich sehr, als Ihre Hamburger Bischöfin bei diesem festlichen Akt dabei zu sein. Fühle ich mich doch der Hedwig von Nyegaard-Stiftung und damit natürlich auch der „Wichernbau“ samt Stadtmission zutiefst verbunden. Hier arbeiten Menschen, immer schon, ehrenamtlich und hauptamtlich für jene aufregende Idee, die Nächstenliebe heißt und Gerechtigkeit. Gerechtigkeit für alle Menschenkinder auf der Erde und in dieser Stadt. Gerechtigkeit auch und gerade für sie, die nicht allein die Sonnenseite des Lebens erlebt haben. Die mit Krankheit, Trennung und Trauer zu kämpfen hatten, oder die nun im Alter mit Einschränkungen zu Recht kommen müssen. Diese Einschränkungen sind nicht allein physischer Art – wie wichtig ist hier eine konsequente Barrierefreiheit! Nein, auch die Altersarmut insbesondere bei Frauen nimmt eklatant zu – und dies, obwohl Frauen in ihrem Leben viel geleistet haben, obwohl sie Kinder aufgezogen, Eltern gepflegt und gearbeitet haben, meist für wenig Lohn.
Dies alles im aktuellen Blick, kann man zur Stiftungsgründerin nochmals mit großem Respekt sagen: Herzlichen Glückwünsch, liebe Hedwig von Nyegaard! Denn deine Idee hat nach wie vor etwas Bestechendes: Dass nämlich die, die sich gesegnet sehen mit Glück und Reichtum, davon wieder etwas zurückgeben. Einfach, weil ihnen danach ist. Weil sie sehen und es sie anrührt, wie andere unverschuldet in Not kommen. Weil sie sehen, wie schwer es manchmal ist, sich allein durchzuschlagen. Als Witwe, als zurück Gelassene, als Alleinlebende. Damals um die Jahrhundertwende war´s schon so. Und ist es eigentlich bis heute.
Deshalb ein Haus der Gemeinschaft. Ein Haus, in dem es sich auch innerlich, gedanklich Barriere frei leben lässt: also aufeinander bezogen, in freundschaftlicher Nähe, mit gemeinsamen Orten, Unternehmungen, ja sogar eigenem Kino. Es ist ein Haus mit vielen Wohnungen – nun ganze 70! – und Frauen, die jeweils ihre eigene Geschichte mit in dieses Haus hinein bringen. Sei diese Geschichte 60 oder 101 Jahre alt. Und, sagen Sie, ist diese Vielfalt des Lebens nicht der eigentliche Reichtum?
Solch ein Projekt der sozialen Teilhabe gibt tiefen Sinn. Und dass dies ermöglicht wurde, daran haben viele mit getan. Ich stehe mit Bewunderung vor dem Stiftungsvorstand, liebe Frau Schröder-Wiese, lieber Uli Walter und lieber Herr Kläschen, die Sie Ihr Herz über die Mauer geworfen und sich getraut haben, ein solches Millionenprojekt überhaupt anzupacken! Und es ist wunderbar, dass es nun verwirklicht ist, dank einer gemeinsamen Leistung von Stadt, Bezirk, lieber Herr Warmke-Rose, von der Hermann-Reemtsma-Stiftung, der Stiftung Denkmalpflege, der Wohnungsbaukreditanstalt, dem Architekten, den Fachplanern, den Handwerksbetrieben und – natürlich – den Bewohnerinnen!
In meines Vaters Haus sind viele Wohnungen. Dieses Wort spricht Jesus den Menschen seiner Zeit zu, um ihnen Hoffnung zu geben. Er sagt dies zu Reichen und Armen, Suchenden und Geschäftigen, zu den Handwerkern und damaligen Politikern, zu den Familien und den Einsamen. Und indem er sie und uns ansieht, - indem er uns also Ansehen gibt - , nimmt er uns auf. Beheimatet er uns unter seinem Dach, dem Himmelszelt, als freie und gewürdigte Kinder Gottes. So wie auch hier. Hier unter dem Dach des Hedwig von Nyegaard-Stiftes, das alten und älteren Menschen neue Heimat gibt und das uns allen heute Gastfreundschaft gewährt.
Es soll Segen auf diesem Haus liegen, das wünsche ich Euch und Ihnen. Segen, der in all den vielen Wohnungen dieses Hauses die Herzen leicht macht und die Gedanken hell.
Nächstenliebe als Fundament hat die Hedwig und haben etliche hier unter uns schon gelegt. So ist dieses Haus selbst ein Segen – und sagt uns zu:
Gott ist der Fels in den Orkanen der Seele, so spricht dieses Haus.
Gott ist der Stern, der deine Nacht durchbricht.
Gott ist der Himmel, der dich am Ende in die Arme schließt.
Gott ist der Grund, der dein Lebenshaus trägt. Im ersten bis zum letzten Raum. So wie er auch dieses Stift trägt – mit all seinen vielen Wohnungen.
So sei nun das Hedwig von Nyegaard-Stift unter den Schutz und Segen Gottes gestellt. Gott segne alle, die hier ihre Heimat gefunden haben,
er segne sie, die in Zukunft aus und eingehen werden.
Und er segne uns an diesem herrlichen Tag.
Ich danke Ihnen.