29. Juni 2012 - Akademie Sankelmark

Grußwort von Bischöfin Kirsten Fehrs zur 4. Fachtagung der Bibelgärten

29. Juni 2012 von Kirsten Fehrs

„Symbolgärten und Symbolpflanzen in Judentum – Christentum – Islam“

 

Liebe Frau Andresen und lieber Herr Bruhn vom Bibelzentrum in Schleswig, liebe Bibelgartenfreundinnen- und freunde aus Polen, Dänemark, der Schweiz und Deutschland,  

vielen Dank für die Einladung zu Ihrer Tagung, der nun ich in Vertretung des eigentlichen Schirmherrn Bischof Ulrich folgen durfte, da der sich derzeit auf einer Dienstreise in Kenia befindet. So richte ich zuvorderst seine herzlichen Grüße und Verbundenheit aus und die besten Wünsche für eine erfolgreiche und im wahrsten Sinne „furchtbare“ Tagung.

Diese Tagung dürfte wahrlich eine Erlebnisreise für Sinne und Seele sein. Das spürt man vom ersten Moment an, wenn man hier ankommt. Geh aus mein Herz und suche Freud, singt es prompt in einem – und schau sie an, der schönen Gärten Zier, siehe, wie sie mir und dir sich ausgeschmücket haben. Gerade jetzt. Und hier. Allein drei Ausstellungen! Da heißt es: Siehe! Hinschauen ist dran, erkennen, genießen, verstehen, alles das. In aller Couleur. Denn darin rückt sie uns so nahe, Gottes Fülle des Lebens. Uns gemeinsam, über die Grenzen der Nationalitäten und Religionen hinweg, gemeinsam: Juden, Christen, Muslime.

Ich habe einen Freund, der ist auch Gärtner. Voller Leidenschaft. Ich kenne nebenbei bemerkt gar keine nicht leidenschaftlichen Gärtner. Vor einiger Zeit suchte mein Freund ein Haus. Was er fand, war ein Baum. Der stand in einem wunderschönen Garten. Er hat sich in diesen Baum verliebt - und in den Garten - und das viel zu kleine Haus, das darin stand, halt auch genommen. Jetzt lebt er mit seiner Familie dort, und das viel zu kleine Haus hat Zuwachs bekommen. Letztens feierten wir das Jahresfest dieser besonderen Familie – natürlich die Baumblüte! - und es waren alle Freundinnen und Freunde da!  Denn keiner mag die Einladung des Baumes ausschlagen. Und auch nicht die des Gartens. Ich glaube, hier macht sich auf eine ganz tiefsinnige Weise etwas Archaisches deutlich, was dem Menschen innewohnt: Garten empfindet er als behütenden Raum. Da ist Blüte. Erdennähe und Himmelszelt. Da ist kerniges Arbeiten und wohliges Leben. Kein schöner Land zu dieser Zeit, so sangen wir´s unter dem Baum prompt, dass wir uns finden wohl unter Linden zur Abendzeit. Mag sein, auch Sie werden es heute Abend singen?    

„Gärten halten die Erinnerung an das Paradies fest“ dieses Wort eines unbekannten Verfassers trifft genau den Punkt. Es gibt in uns Menschen, ich bin sicher, eine Ursehnsucht nach dem Paradies. Danach, aufgenommen zu sein in einem geschützten Lebensraum, der Sinnerfüllung verspricht und Gottesnähe. Ein Raum, der mich braucht wie ich ihn. Ganz natürlich. So wie es selbstverständlich in 1. Buch Mose heißt: „Gott der Herr nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, dass er ihn bebaute und bewahrte.“

Und was Gott da dem Menschen zur Pflege anvertraut hat – das Beste vom Besten! Das wird deutlich, wenn man sich die Bedeutung der Begriffe wie „Paradies“, Garten und „Eden“ vor Augen führt. Selbst wenn nun die Vermutung nahe liegt, dass ich hier Eulen nach Athen oder Bibelgärten nach Sankelmark trage – ich tue es trotzdem gern, weil es auch theologisch tiefen Sinn hat. Das aus dem Altpersischen stammende Wort „Paradies“ bedeutet zunächst nichts anderes als „Umzäunung, Umwallung“. Und auch „Garten“, aus dem indogermanischen Wortstamm „ghordo“ erwachsen, bedeutet so viel wie: „Flechtwerk“, „Zaun“, „Hürde“. Hürde wiederum erinnert ans lateinische „hortus“. Schutzraum ist gemeint, wie bei einem Kindergarten, Hort für jedes Kind Gottes. Denn das sind wir nach biblischer Schöpfungsgeschichte: Kind Gottes. Nicht im Sinne von kindisch oder kindlich, sondern im Sinne von: aus lauter Liebe in den Garten der Welt geboren. Von Gott immer wieder in die Luft geworfen und stets aufgefangen von dem Schöpfer, bis zum Ende unseres Lebens. Von allem Anfang an sind wir wie jedes Geschöpf mit Segen bedacht, also mit einer Kraft berührt, die gerade nicht aus uns selbst herauskommen kann. Kraft, die uns wachsen lässt. Kraft, die vom Gottvater, respektive Gottmutter in uns gelegt ist als Lebensfreude und Blume der Sonne, als Liebeswort und rosige Zärtlichkeit, als Musik der Gloriosa und immer wieder knospendes Erbarmen. Kein Wunder, dass „Eden“ „Wonne“ bedeutet!

Einen geschützten Raum voller Wonne hat Gott also dem Menschen mit dem Garten gegeben. Wenn man zudem bedenkt, dass im damaligen Orient nur reiche Leute einen Garten besaßen, dann war Gott gerade das Beste gut genug für den Menschen. Die Frage nun heute ist, ob dies auch umgekehrt gilt? Tun wir das Beste für das, was Gott uns anvertraut? Wohl kaum. Wir wissen es. Wir haben das Paradies ja verloren. Und mit ihm die Selbstverständlichkeit des Friedens. Die fraglose Übereinstimmung mit Gott. Die errungene Autonomie des Menschen hat den Preis verlorener Selbstverständlichkeit. Und so ist das Recht eines jeden Geschöpfes auf Leben und Würde vielerorts gefährdet. Auch dort, wo Juden, Christen, Muslime wohnen. Deshalb ist es für alle wichtig, das Paradies zu erinnern. Den Garten immer wieder anzuschauen. Nur so bleibt die Vision vom Frieden lebendig. Nur so ahnt sich in uns unverdrossen Eden, die Wonne ans Licht – auch wenn sie sich durch die Schatten der Mühen und des Schweißes hindurcharbeiten muss. Heinrich von Kleist, der bekanntlich sein Leben bedrückend mühevoll fand, beschreibt dies in einer der menschlichen Natur wunderbar zugeneigten Art:  

„Das Paradies ist verriegelt und der Cherub hinter uns (davor); wir müssen die Reise um die Welt machen, und sehen, ob es vielleicht von hinten irgendwo wieder offen ist“. Was für ein schönes Bild! Machen wir uns also auf die Weltreise, um zu sehen, wo der Hintereingang ist. Denn dann könnte der Mensch wieder finden – oder zumindest als Ahnung  pflegen und horten -, was ihm verloren gegangen: und das ist Eden, Wonne, ja letztlich Kultur. Eine Kultur des Friedens, der Fülle, der Lust, der Entfaltung von Verschiedenheit, der Toleranz. Schauen und finden Sie also auf dieser Tagung

·        Frieden – denn der Garten ist ein umfriedeter Bereich gegen alles Grenzenlose

·        Fülle – denn der Garten ist überfließendes Leben, gegen alle Dürre

·        Lust und Freude am Schönen und an der Liebe – ist im Orient der Garten doch                  auch „Lust- oder Liebesgarten“, Ort der sinnlichen Genüsse, Düfte, Vogel-                     gezwitscher, Blumen, Ort der unbeobachteten Liebe, all dies gegen die                          Gehetztheit, Herzenshärte und Hass,

·        Entfaltung – denn im Garten entfaltet sich Blüte um Blatt. Er ist ein Ort der                     Fruchtbarkeit und des Segens. Hier ist Lebenskraft gegen alle Unterdrückung                und Verkümmerung.  

Sie, liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer, helfen dazu, dies alles zu finden, damit wir es wieder lernen als Kostbarkeit zu bewahren. Sie tun dies, indem Sie bibelpädagogische Gärten anlegen und pflegen: Bibelgärten, Klostergärten, Pfarrgärten, Stadtgärten, Friedhofsgärten. Vielen Dank dafür! Und nun in Hamburg kommt noch der Garten der Weltreligionen dazu, ein aufregendes Projekt gelebter Toleranz! So danke ich Ihnen besonders für die Idee zu dieser Tagung mit ihrem speziellen Thema. Sie liefert einen ganz eigenen Zugang zum Paradies und leistet einen großen Beitrag für die Verständigung der drei Buchreligionen. Denn Sie sind auf der Suche nach gemeinsamen Wurzeln. Und so sitzen Sie hier nicht nur in einem großen Raum, sondern in einem Gedankengarten, der Blüten treibt und die Vielfalt liebt. Sie sitzen, mag sein unter einem Baum, in jedem Fall aber mitten im Garten Gottes, der uns alle vereint.

Ich danke Ihnen.

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