Hamburg bekennt Farbe
02. Juni 2012
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, welch deutliches Zeichen für ein buntes Hamburg ist das heute hier! Und definitiv kein braun, wunderbar. Eine Stadt wie Hamburg, die dem Aufmarsch von Rechtsextremen kein Zeichen entgegensetzt - ist für uns undenkbar, heißt das. Gleichgültigkeit verbietet sich, weil eben nicht alles gleich gültig ist. So stehen wir hier für bunte Vielfalt - statt brauner Einfalt!
Danke sage ich ausdrücklich allen, die in den vergangenen Monaten dies alles vorbereitet haben und danke allen, die sich an runden Tischen zusammengefunden haben, um gemeinsam ein Zeichen zu setzen. Für Demokratie und gegen Rechtsradikalismus in unserem Land, gegen braune Parolen, gegen Intoleranz, Antisemitismus und Islam- und Fremdenfeindlichkeit. Danke sage ich ausdrücklich auch allen, die heute an den unterschiedlichsten Orten friedlich unterwegs sind, in Eilbek, Wandsbek und am Besenbinderhof besonders. Diese parteiübergreifende Verständigung, dieses gemeinsame Nein der Demokraten gegen Rechts – wie richtig ist das!
Deshalb ist es so wichtig, dass Sie alle hierher gekommen sind, dass Sie sich selbst als Zeichen mitgebracht haben. Als Zeichen für ein buntes und weltoffenes Hamburg. Danke, dass Sie dem Aufruf von Bürgerschaft und Senat, von Gewerkschaften, Sportbund, Migrationsvereinen und Kirchen, unzähligen Verbänden, Initiativgruppen und Religionsgemeinschaften gefolgt sind. Darunter zu meiner Freude auch das Präsidium des Deutschen Evangelischen Kirchentages, den wir im nächsten Jahr in Hamburg zu Gast haben. Für sie alle reden wir hier.
Bei aller Verschiedenheit verbindet uns am heutigen Tag das Eine: Wir wollen gemeinsam aufrecht stehen für Demokratie und ihre Errungenschaften. Und deshalb müssen wir uns erheben und unsere Stimmen dazu. Gegen sie, die die Menschenrechte mit Kampfstiefeln treten. Schweigen hieße dulden. Also schweigen wir nicht.
Viele hier auf dem Platz tun es aus der Überzeugung heraus: Wer gegen Menschenwürde handelt, handelt gottlos; rechtsextremes Gedankengut ist mit keiner unserer Religionen vereinbar. Unsere Unterschiede sind eine Kraft, mit der wir allen Einheitsideologien entgegen treten können – und als Christin möchte ich es auf den Punkt bringen:
Unser Kreuz hat keine Haken!
Die NSU-Terrorzelle hat deutlich gemacht: Rechtsextremismus schreckt nicht vor Gewalt und Mord zurück. Und wir müssen gewahr werden und dürfen nicht verharmlosen: viel zu sehr finden braune Parolen Einlass in die Wohnzimmer, guten Stuben, Stammtische. Viel zu viele noch folgen sogenannten Argumenten, die die Schuld für gesellschaftliche Missstände Fremden anlasten oder den Schwachen, den Politikern, dem System. Das Ziel ist jedoch einzig, Hass zu schüren gegen alles, was anders ist. Hier und heute halten wir jeglichem Rechtsextremismus (wie unser Bundespräsident) entgegen: Euer Hass ist uns Ansporn. Ansporn, wach zu bleiben. Und nicht ängstlich zu werden. Er ist ein Ansporn, klar zu reden. Sich zu zeigen. Aus den Sesseln aufzustehen. Laut zu sagen, dass jede Form der Ausgrenzung unserer Grundüberzeugung als DemokratInnen widerspricht.
Deshalb rufen wir den Veranstaltern der braunen Kundgebung zu:
Hört auf mit Eurer Geschichtsverdrehung und Leugnung!
Hört auf, mit Hass und Ausgrenzung!
Hört auf, mit Rassismus und Fremdenfeindlichkeit.
Diesen Tag „Tag der deutschen Zukunft“ zu nennen, ist die Verhöhnung der interkulturellen und interreligiösen Gesellschaft, in Deutschland und hier in Hamburg. Dieser verlogenen Wortschöpfung halten wir entgegen: Unsere Zukunft ist
Vielseitig, aufgeklärt und charmant:
- ist „kreativ“, denn sie ist kräftig, respektvoll, entschlossen, alarmiert, intensiv und voller Zuversicht, solidarisch, einladend, xenophil, liebt also das Unbekannte
- Zukunft gibt es nur gemeinsam mit allen Nationalitäten auf diesem Globus und in dieser Stadt. Und niemals gibt es Zukunft ohne Vergangenheit und den Blick auf unsere Geschichte, woher wir auch immer kommen.
Deshalb müssen wir mehr organisieren als Kundgebungen und Demonstrationen. Deshalb all die Workshops an diesem Ort. Wir müssen dafür sorgen, dass die Gedanken und Emotionen junger Menschen nicht von Extremisten besetzt werden. Wir brauchen eine Sensibilität für die, die sich nicht beachtet fühlen oder an den Rand gedrängt, für die, die mit Perspektivlosigkeit kämpfen und Isolierung. Wir brauchen ein offenes Klima, das keinen verloren gibt. Eine Bildungslandschaft, die die Fragen der nächsten Generation ernst nimmt und darüber reden lernt. Wir brauchen Stolpersteine – nicht allein auf der Straße - sondern auch in den Köpfen der Menschen.
Damit noch viel mehr Leute ein kräftiges JA! sagen zu dem, was wirklich Zukunft ist:
Ja: für eine menschenfreundliche und weltoffene Stadt, die jedem und jeder Einzelnen die Möglichkeit zur eigenen Entfaltung gibt.
Ja: für die Vielfalt von Kultur und Religion.
Ja: für eine wirklich tolerante Gesellschaft, die das Miteinander fördert, die Meinungsvielfalt achtet und sich wehrt, wenn die Grundrechte in unserem Land bedroht sind.
Ja: für eine Gesellschaft, in der Nationalität nicht an den Grenzen von Hautfarbe und Herkunft aufhört. Die Flüchtlinge aufnimmt und ihnen hilft zu leben.
Dafür wollen wir arbeiten und leben in hanseatischer Weite und christlicher Freiheit.
Stellen wir uns in ganzer Buntheit den braunen Einfalt entgegen, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, aufrecht, gerade und gewaltfrei – stehen wir gegen Rechts und damit für eine Kultur der Vielseitigkeit, deren Mutter Courage heißt.