Frauenwerksleiterin zum Frauensonntag 2019

"Ich bin Feministin, seit ich politisch denken kann"

Susanne Sengstock, Leiterin des Frauenwerks der Nordkirche
Susanne Sengstock, Leiterin des Frauenwerks der Nordkirche© Simone Viere, Nordkirche

05. Mai 2019 von Simone Viere

Pastorin Susanne Sengstock ist seit dem ersten Februar in ihrem Amt als Frauenwerksleiterin tätig. Am Sonntag, 5. Mai, gestaltet sie und ein Team den bundesweiten Radiogottesdienst zum Frauensonntag 2019. Das Thema lautet "Du bist schön". Im Interview mit uns spricht sie über Feminismus, Gleichberechtigung der Geschlechter, und ihren Weg ins Frauenwerk.

Liebe Frau Sengstock, wie sind Sie zum Frauenwerk der Nordkirche gekommen?

Ich bin feministisch unterwegs, seit ich politisch denken kann. Als Jugendliche bin in einer Kirchengemeinde verankert gewesen, in der Frauen engagiert waren, die feministisch gedacht haben. Die haben mich sehr geprägt. Später im Studium und Vikariat habe ich mich mit dem Frauenwerk und der Frauenarbeit in der damals noch Nordelbischen Kirche verbunden gefühlt. Nach der Ordination habe ich immer wieder Impulse aus dem Frauenwerk für die Arbeit als Pastorin bekommen. Insofern besteht schon eine sehr lange Verbindung.

Welche Themen liegen Ihnen persönlich besonders am Herzen?

Mir ist es ganz wichtig, dass die Erkenntnisse der feministischen und der geschlechterbewussten Theologie stärker im kirchlichen Mainstream verankert werden. Auch deshalb sind mir auch Projekte wie der evangelische Frauensonntag und das Fernstudium geschlechterbewusste Theologie Herzensanliegen. Mit dieser Theologie ist das große Thema Gerechtigkeit verbunden, also zum Beispiel die geschlechtergerechte Sprache, die Freude an der Vielfalt der Gottesbilder und die Überwindung von Diskriminierung und Gewalt. Mir ist die Brückenfunktion des Frauenwerks sehr wichtig: Wir geben unsere christliche Sicht in die nichtkirchliche Frauenarbeit in Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein hinein und zu gleich erweitern wir innerhalb der Nordkirche die Perspektiven und Ansätze durch die Erfahrungen, die wir mit Menschen und Einrichtungen machen, die ohne Kirche leben.

Frauen sind ja auch im Jahr 2019 noch nicht gleichberechtigt, wenn man auf die Zahlen schaut. Zum Beispiel auf die der Frauen in Leitungspositionen, in Parlamenten, oder auch in Hinblick auf das geringere Einkommen von Frauen. Woran liegt das und wie kann es verändert werden?

Also erstmal finde ich es interessant, dass Sie das so sagen. Als ich 2012 als Referentin im Frauenwerk der Nordkirche angefangen habe, war da so eine politische Stimmung die gesagt hat: "Ist doch alles gar kein Thema. Frauen und Männer sind gleichberechtigt. Punkt. Das ist so. Das steht doch auch im Grundgesetz". Jetzt wird gefragt: "Warum ist es denn so, dass die Geschlechter gar nicht gleichberechtigt sind?"

Derzeit ist ein großes Bewusstsein dafür da, dass es keine wirkliche Gleichberechtigung gibt, dass Frauen strukturell nicht gleichberechtigt sind. Es gibt sogar Rückschritte im Bereich Gleichstellung. Wenn es in diesem Tempo weitergeht, dann dauert es noch 108 Jahre, bis wir faktisch gleichberechtigt sind. Wir sehen sogar Rückschritte - auch in der politischen Teilhabe. Der Frauenanteil im Bundestag liegt nur noch bei 30,9 Prozent. Auf der kommunalen Ebene durchschnittlich sogar nur bei 25 Prozent. Und Frauen verdienen immer noch 22 Prozent weniger als Männer. Das ist doch ein Skandal. 

Wie kann das Frauenwerk denn Frauen unterstützen, dass sich wirklich etwas ändert?

Das Frauenwerk wirkt und unterstützt, empowert Frauen durch Frauenbildung, Frauensozialarbeit und arbeitet frauenpolitisch. Ich erlebe aber auch, dass bestimmte Herausforderungen unserer Zeit nur als Problem von Frauen angesehen werden, obwohl sie alle Geschlechter betreffen.

Inwiefern?

Gerade die Frage der Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird oft zum Problem von Frauen gemacht. Es ist aber auch ein Problem von Männern. Ich erlebe junge Väter heute so, dass sie auch Verantwortung für Kinder übernehmen wollen. Aber gleichzeitig gibt es eine gewisse Verhaltensstarre. Sie müssen die Verantwortung auch wirklich übernehmen. Da ist viel mehr Luft nach oben. 

Wie kann das gelingen?

Wir stehen für ein Modell der Verteilung von Care-Aufgaben – also die Aufgaben für die Versorgung von Jungen, von Alten und von Hilfsbedürftigen – auf alle Geschlechter. Diejenigen, die diese Sorgearbeit übernehmen, sollten keine finanziellen Nachteile haben. Es ist eine gesellschaftliche Frage und Verantwortung, dass Frauen und Männer, die Care-Aufgaben übernehmen, nicht in die Altersarmut abrutschen. Dazu haben wir uns mit unserer Resolution zur Sorgearbeit auf der Frauensynode der Nordkirche 2015 auch klar positioniert. 

Die Überwindung von Gewalt an Frauen ist leider immer noch nicht erfolgt und daher ein großes Thema für uns. Wir arbeiten in diesem Bereich durch unsere Fachberatungsstellen und durch unsere bildungspolitische Arbeit. Ich glaube, dass die Verwirklichung der rechtlichen und der tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern unabdingbar und elementar wichtig für die Verhütung von Gewalt gegen Frauen ist.

Vielen Dank für das Gespräch.

Gottesdienst zum evangelischen Frauensonntag:

Der Deutschlandfunk überträgt ihn Iive am Sonntag, 5. Mai 2019, ab 10.05 Uhr aus der Christuskirche in Hamburg-Eimsbüttel.

Er wird veranstaltet von drei Landeskirchen - der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, der Hannoverschen Landeskirche und der Nordkirche sowie den Evangelischen Frauen e.V.
Verantwortlich ist das Frauenwerk der Nordkirche.

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Plakat zum Frauensonntag 2019© Frauenwerk Norddkirche

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