"In unserer Kirche ist ganz viel möglich - man muss es nur machen!"
22. Juni 2018
Seit gut drei Monaten ist Jil Becker (33) Pastorin für Nachwuchsförderung und Studierendenbegleitung. Und hat jetzt schon viel zu erzählen über mobile Büros, analoge Glaubenszweifel und warum es in ihrem Beruf nie langweilig wird.
Noch hat die Pastorin für Nachwuchsförderung kein eigenes Büro - denn in Ratzeburg beim Predigerseminar wird noch kräftig umgebaut. Wer Jil Becker sucht, kann sie natürlich im Netz finden - oder auch in einem neuen Co-Working-Space im Zentrum Hamburgs. "Ich bin wie eine fliegende Händlerin", sagt sie. "Dieses mobile Arbeiten liegt mir sehr."
Die Ausbildungsgeneration der Teamplayer
Denn im Co-Working Space kann sie im Team arbeiten, bekommt eine neue Perspektive - auch nach außen. Einmal in der Woche kommt sie mit anderen jungen Pastorinnen und Pastoren zusammen, die sich Gedanken um kirchliche Strukturen für die Zukunft machen. Machen Predigt-Brainstorming, arbeiten an kleinen Projekten. "Das ist etwas, was unsere Ausbildungsgeneration ausmacht, dass wir Teamplayer sind und keine Lust mehr haben, allein im hintersten Stübchen des Gemeindehauses zu sitzen", sagt sie. "Und wir können den Jüngeren zeigen: So kann man auch arbeiten."
"Kann ich überhaupt mein ganzes Leben Pastorin sein?"
Von ihrem mobilen Büro aus kümmert sie sich auch um ihre "Studis", den pastoralen Nachwuchs. Zwar besucht sie ebenso die theologischen Fachschaften, doch viele Fragen erreichen sie inzwischen auch online. Aber egal, ob in der digitalen Welt oder in der analogen, die Zweifel, die an sie herangetragen werden, sind immer irgendwie die gleichen: Kann ich überhaupt mein ganzes Leben Pastor oder Pastorin sein? Reicht mein Glaube aus?
"Ich mache dann Mut", sagt Jil Becker. "Ich sage: Studiert erst mal frei, schaut euch in der Weltgeschichte um und erlebt ordentlich was." Und fügt dann an: "Das ist so ein spannender Beruf, in dem jeder Tag anders ist - das wird nie langweilig."
"Hier haben Sie eine Zukunft"
Der Einführungsgottesdienst für Jil Becker findet am 2. Juli um 18 Uhr im Ratzeburger Dom (Domhof 35, 23909 Ratzeburg) statt.
Denn sie wurde während des Studiums auch ermutigt. Jil Becker kommt aus dem westfälischen Unna, hat in Münster studiert. Und wäre vermutlich bei ihrer Landeskirche geblieben, hätte sie nicht davon gehört, dass die damalige Nordelbische Kirche die sogenannte Landesliste öffnet. Das heißt: Auch Theologiestudenten von außerhalb konnten sich nun im Norden bewerben. Jil Becker war dabei. Und als man sie nach Kiel einlud und ihr den Satz sagte: "Hier haben Sie eine Zukunft", war die angehende Studentin beeindruckt. "Damals schon hat sich die nordelbische Kirche überlegt: 'Wir machen Werbung für junge Leute'", sagt sie. "Also bin ich ein Produkt der Nachwuchsförderung und jetzt habe ich selbst diese Stelle - das ist total cool."

Als Pastorin begleitet man Lebensgeschichten
Zuerst wurde sie dann Vikarin im Hamburger Stadtteil Farmsen-Berne, anschließend Pastorin in der Kreuzkirche-Wandsbek und arbeitete zudem bei der Jugendkirche Hamburg-Ost. Natürlich vermisst sie in ihrer neuen Funktion ihre alte Gemeinde. "Man braucht den Kontakt zu den Menschen, denn man begleitet ja auch immer Lebensgeschichten", sagt sie. "Ein Paar zu trauen, ein Kind zu taufen, das ist toll; eine Konfirmandin zu konfirmieren, aber dann auch da zu sein, wenn die Oma stirbt."
Auf der Suche nach Formaten für Menschen, die nichts mit Kirche zu tun haben
In Zukunft wird sich die Pastorin in ihrer neuen Stelle aber auch verstärkt an Schüler wenden und versuchen neue Kommunikationswege zu finden. "Wie kommt man an die heran, die mit dem kirchlichen Umfeld nichts zu tun haben, aber trotzdem Lust auf solche Fragen haben?", fragt sie. "Über Formen und Formate für diese Leute denke ich auch nach."
Aber da ist Jil Becker zuversichtlich: "Das Schöne ist, in unserer Kirche ist ganz viel möglich. Man muss es nur machen."