2. September 2018 | Kirche St. Katharinen zu Trent auf Rügen

„Ist sonst keiner gekommen, um Gottes Herrlichkeit zu preisen?”

02. September 2018 von Hans-Jürgen Abromeit

Predigt zu Lukas 17, 11 – 19 im Festgottesdienst anlässlich der 700-Jahrfeier der Kirche St. Katharinen zu Trent auf Rügen

„Herr, ich habe lieb die Stätte deines Hauses und den Ort, da deine Ehre wohnt (Psalm 26, 8)“

 

Liebe Festgemeinde,

700 Jahre Kirche Trent – das ist ein Grund zu feiern! Wie die Kirche und der Kirchturm dieser Katharinenkirche sich aus der Landschaft Rügens herausheben, so ist die Kirche auch ein festes Bollwerk in der Geschichte Westrügens. In der Perspektive von Raum und Zeit hält sie die Erinnerung an Gott wach. „Vergiss nicht zu danken dem ewigen Herrn, er hat dir viel Gutes getan!“ So werden wir es im Anschluss an diese Predigt dann auch singen. Ja, Gott ist in uns und um uns, aber wir vergessen ihn so oft. Deswegen brauchen wir Kirchen. Kirchengebäude sind Erinnerungsorte an Gott. So steht auch diese Kirche den Besuchern offen, um Zeit und Raum für die geistliche Dimension des Lebens zu geben. Menschen kommen als Besucher, betrachten den Kirchraum und seine Ausstattung und werden spirituell angesprochen. An Sonntagen und Festtagen versammelt sich eine Gemeinde, um Gottes Wort zu hören und um ihr Leben und unsere Zeit unter diesem Blickwinkel zu betrachten.

Wir brauchen diese Erinnerung an Gott, denn wir sind so vergesslich. Im uns heute vorgelegten Evangelium bringt Jesus diese Erinnerung an Gott so auf den Punkt: „Ist sonst keiner gekommen, um Gottes Herrlichkeit zu preisen?” Selbst wenn Menschen Gutes in ihrem Leben erfahren, vergessen sie oft Gott als Grund ihres Lebens.

Wir schauen einmal genauer in diese Geschichte hinein. Während seiner Wirksamkeit ist Jesus mit seinen Jüngern im Lande Israel mehrfach zwischen Galiläa im Norden und Judäa im Süden hin- und hergewandert. Ja, es ist geradezu typisch für Jesus, dass er unterwegs ist. Jesus entwickelt seine Botschaft auf dem Weg, in der Begegnung mit Menschen. So ist er diesmal in der Grenzregion zwischen Galiläa und Samaria unterwegs. Mit Grenzregionen hat es eine besondere Bewandtnis. Gebiete, wo verschiedene Kulturen, Sprachen und Religionen aneinanderstoßen, verunsichern die Menschen. Ist den Menschen auf der anderen Seite der Grenze zu trauen?

So teilen zum Beispiel Deutsche und Polen eine lange Geschichte des gegenseitigen Misstrauens. Erst seit wenigen Jahren wächst Vertrauen. Das ist auf dem Hintergrund unserer leidvollen Geschichte auch gut zu verstehen. Gestern vor 79 Jahren hat Deutschland Polen überfallen. Die Erinnerung daran ist in Polen noch sehr lebendig. Andererseits liegt im heutigen Polen die Heimat vieler deutscher Familien. Hier auf Rügen ist die Nähe Dänemarks sehr bewusst. Und im Jahre 1168 waren es die Dänen, die Rügen eroberten. Bis ins 16. Jahrhundert gehörte Rügen deswegen zu Dänemark. Später gehörte ganz Vorpommern zu Schweden. Offene Grenzen haben wir erst seit wenigen Jahren. Sie sind ein Zeichen, dass Vertrauen gewachsen ist.

Grenzregionen sind immer schwierig. Schnell kann ein Streit aufflammen. So war es auch mit den Juden, die Galiläa und Judäa bewohnten, und den Samaritern, die genau dazwischen wohnten. Juden hatten Probleme mit den Samaritern in Samaria. Ein frommer Jude wich einem Samariter aus. Lieber ein Umweg mehr, als diesen zwielichtigen Gestalten zu begegnen. Umgekehrt war es nicht besser.

Samariter gaben durchwandernden Juden kein Quartier. Als einmal die Jünger ausgesperrt wurden, fanden diese das unmöglich und wünschten den Samaritern Feuer vom Himmel auf ihre Häuser. Jesus musste seine Leute beruhigen. Man schenkte sich gegenseitig nichts zwischen Juden und Samaritern.

Als Jesus von Galiläa nach Samarien zieht, wählt er den direkten Weg. Er geht ohne Scheu durch das Land. Jesus ist bewusst an der Grenze. Die buchstäbliche Grenzerfahrung lässt nicht lange auf sich warten. Kaum ist Jesus in einem Dorf, sind da zehn aussätzige Männer. Ihre Lepra ist ansteckend und sie müssen außerhalb leben. ‚Unrein, unrein‘ müssen sie rufen um die Menschen zu warnen. Jesus hat keine Berührungsängste. Er lebt Inklusion und begegnet ihnen offen. Sie schöpfen Mut: „Jesus, lieber Meister, erbarme dich unser.“ Sie reden Jesus mit ‚lieber Meister‘ an. Sie müssen von ihm gehört haben. Vielleicht ist er ihre letzte Hoffnung. ‚Heile uns‘.Ohne weiteren Kommentar schickt er sie zu den Priestern. Dieser Satz ist ebenso logisch wie rätselhaft. Einerseits war es das vorgeschriebene Ritual, dass sich vom Aussatz geheilte den Priestern zeigen sollten. Andererseits war doch noch keine Heilung geschehen. Doch auf dem Weg dorthin passiert es. Sie werden geheilt. Plötzlich dreht einer um! Er jubelt und betet laut. Dann fällt er Jesus vor die Füße. Ausgerechnet er, der Samariter, aus Jesu Sicht ein Ausländer. Die übrigen neun werden nicht erwähnt. Aber diesem Fremden sagt Jesus: „Dein Glaube hat dir geholfen.“ Auf sein Vertrauen kam es an.

Ja, so sehr Grenzen verunsichern, so sehr ermöglichen sie auch neue Erfahrungen und neue Erkenntnisse! Grenzen verweisen auf das, was dahinter ist. Grenzen sind produktiv. Was mögen die Jünger gedacht haben, als sie das alles erlebten? Vielleicht das: „Die Samariter sind doch anders als wir erwartet haben! Es gibt überall gute und schlechte Menschen!“ Ja, manchmal können wir etwas von Menschen lernen, denen wir zuerst skeptisch gegenübergestanden haben, ja, sie vielleicht sogar für unsere Feinde gehalten haben. Wir können etwas von diesem Samariter und seiner Geschichte lernen:

Es war nicht seine Religion, die ihn dazu gebracht hat, umzukehren und sich zu bedanken, sondern – wie Jesus sagt – sein Glaube. Religiös waren alle 10 Männer.

Sie hatten sich in ihrer letzten Not an Jesus gewandt. Und dann hatten sie sich alle gemäß ihrer Religion verhalten. Sie hatten sich auf dem Weg zu den Priestern gemacht. Dazu gehörte ja schon viel Zutrauen zu Jesus. Da ist man krank. Man verfault am lebendigen Leib und Jesus sagt. ”Geht hin und zeigt euch den Priestern”, so als ob sie schon geheilt wären.  Sie – alle – vertrauen ihm und machen sich auf den Weg. Sie folgen den Regeln der Religion, die vorschrieb, wie man sich verhalten sollte, wenn man geheilt worden war. Ein Priester musste die Heilung bestätigen.

Nur einer merkt: „Hoppla, Gott hat mich nicht vergessen.” Und er kehrt zu Jesus zurück. Er bedankt sich. Er ist außer sich. “Er lobt Gott mit lauter Stimme”, heißt es in der Geschichte. Und er ist so völlig aufgelöst, dass er etwas macht, was man in der Antike nur vor Königen oder Göttern gemacht hat, er wirft sich vor Jesus auf den Boden und dankt ihm. Er dankt zuerst Gott, aber dann dankt er auch Jesus ganz persönlich, so wie man eigentlich nur einem Gott dankt.

Vielleicht haben die anderen neun Gott auch gedankt. Darüber wissen wir nichts. Aber nur dieser eine dankt Jesus – auf eine unerhörte, überschwängliche Weise.

Fordert Jesus diesen Dank ein? Er sagt schließlich: „Ist sonst keiner gekommen, um Gottes Herrlichkeit zu preisen?” Dabei wirkt eingeforderter Dank manchmal peinlich. So, wie Kinder schon den Dank verweigern, weil sie die Aufforderung der Erwachsenen („Und – was sagt man?”) als unerträglich empfinden.

Allerdings geht es hier um mehr. Da war jenen, die an Aussatz gelitten hatten, ihr Leben neu geschenkt worden. Bisher waren sie Außenseiter. Sie mussten ihr Leben im Abseits fristen. Die Heilung stellte sie wieder mitten in die Gemeinschaft. Wenn Jesus so das Leben umkrempelt, dann muss man ihm doch dankbar sein.

Liebe Gemeinde, wie geht es uns mit der Dankbarkeit? Ich kenne Menschen, denen es unendlich schwer fällt, „Danke!” zu sagen. Manche sind auch mit der Maxime erzogen worden: „Lebe so, dass du niemals danke sagen musst.” Wer so lebt, irrt sich. Nein, wir sind keine ‚Self-made-men‘. Wer nur etwas achtsam ist, der weiß: Alles, was wir sind und haben, verdanken wir einer guten Fügung in unserem Leben. Es hätte auch ganz anders kommen können.

Es gibt diesen Spruch: Gott tut nichts anderes als fügen. Dass wir hier und heute leben und wie wir leben, verdanken wir der Fügung Gottes. Da ist uns vielleicht manchmal auch Schlimmes widerfahren wie den Aussätzigen. Aber Gott hat dann doch wieder gute Tage geschenkt. Und selbst derjenige, der in diesem Moment nur Schweres sehen kann, der darf wissen: Gott ist Mensch geworden. Er hat ein schweres Schicksal auf sich genommen und ist an deine Seite getreten.

Wir haben einen Gott, der zu uns in die Tiefe gekommen ist. Er hat das Leiden und Sterben an seinem eigenen Leib erfahren. Deshalb kann er uns trösten. Und wir wissen, Christus ist auferstanden. Nach dem Tod kommt die Auferstehung. Weil Christus uns voran gegangen ist, dürfen wir darauf auch für uns hoffen.

Aber es stimmt. Die meisten Menschen leben ohne diese Dimension. Deswegen brauchen wir die Erinnerung. An diesem Ort steht aus diesem Grund seit 700 Jahren eine Kirche. Sie schafft Raum für Gott in unserem Leben. Sie stellt uns die Frage: „Ist sonst keiner gekommen, um Gottes Herrlichkeit zu preisen?” Aber du bist da. Sie alle sind da. Und gemeinsam wollen wir alle Gott danken, für das Gute, dass er uns in unserem Leben getan hat, und für den Trost, den uns die Nähe Jesu gibt. Und heute wollen wir fröhlich feiern, dass es diese wunderschöne Kirche gibt. Es gibt sie trotz der schweren Zeiten, die Westrügen erlebt hat in diesen sieben Jahrhunderten. Wunderbar! „Vergiss nicht zu danken dem ewigen Herrn, er hat dir viel Gutes getan.“
Amen.

 

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