Jahresfest DIAKO
26. September 2010
Liebe Schwestern und Brüder, liebe Festgemeinde! Dieser Gottesdienst zum Jahresfest der DIAKO heute hier in St. Marien kommt mir vor wie ein wundervolles Familienfest.
Da treffen Menschen aus vielen Generationen zusammen. Man kennt sich oder auch nicht; man ist miteinander vertraut oder lieber nicht. Und man tauscht sich aus: über Geschichten, die gewesen und die die eigene Geschichte geprägt haben. Man guckt zurück. Und nach vorn: was wird werden aus unserer Lebensgeschichte, zu der die DIAKO gehört?
Beim Übergang von einem in´s andere DIAKO-Jahr nehmen wir heute zwei Familienmitglieder in einer besonderen Weise in den Blick. Der eine – Rektor Frank Schlicht – wird entlassen aus der Diakonissenanstalt und wird nun lernen müssen, sich im Land der Freiheit mit dem Namen „Ruhestand“ zurecht zu finden. Wenn wir loslassen und gehen müssen, gerade dann, wenn man so nett beieinander ist, dann brauchen wir Hilfe und Anstoß, liebevolles Antreiben. Wie das Volk Israel damals, als es losgehen sollte ins verheißene Land. Aber da war nicht nur die Zukunft, rosig verheißen; da waren auch die Fleischtöpfe Ägyptens, die man nicht verachten wollte trotz allen Ärgers der Sklaverei und der Schufterei.
So braucht auch Bruder Frank Schlicht natürlich eine liebevollen Anstoß. Mit dem mir liebsten Segenswort aus der Bibel rufe ich Ihnen zu: „Bruder Schlicht, sieh´ zu, dass Du Land gewinnst!“ Nein, wir wollen Dich nicht verjagen. Aber liebevoll geleiten.
Der andere – Pastor Wolfgang Boten – kommt nun hinein in die Familie der Diakonissenanstalt. Und weil er doch schon lange zur erweiterten Familie gehört und manche Verwandten kennt – von der Gemeinde in Schacht-Audorf bis in´s Nordelbische Kirchenamt – darf er auch gleich den freien Rektor-Stuhl einnehmen. Alle, die über die Aufnahme des Rektors Boten zu entscheiden hatten, trauen ihm diese neue Aufgabe zu – und wir muten sie ihm auch zu. Denn ich weiß wohl, in diesem verheißenen Land wird einiges anzupacken und zu gestalten sein.
Aber: Lieber Bruder Boten, Sie sind nicht allein. Da ist die DIAKO- Lern- und Lebensgemeinschaft mit Ihnen zusammen unterwegs.
„Befiehl Gott, dem Herrn, deine Wege und hoffe auf ihn; er wird´s wohl machen.“ Dieses Psalmwort ist Verheißung und Gebot, ist Lebenshilfe sowohl für Frank Schlicht im Abschied, als auch für Wolfgang Boten am Start.
Aber auch für uns alle hier – die wir als Kirche, als Leib Christi unterwegs sind miteinander lebenslänglich zu lernen die Lebensbewegung des Glaubens, die sogar weiter geht, wenn die Schule des Lebens aus ist: „Befiehl Gott, dem Herrn, deine Wege und hoffe auf ihn; er wird´s wohl machen.“Darum ist es so wichtig, dass die Kirche, das Lernhaus des Glaubens, mitten drin ist in der Diako. Und so sehr ich dem Vorstand auch die neuen Räume im Haus Pniel gönne: ich empfand es immer als ein wunderbar aussagekräftiges Zeichen, dass der Vorstand seine Räume unter dem Haus Gottes, unter seinem Wort hatte. Vergesst das nicht: das gehört zusammen! Wichtige, auch wirtschaftlich wichtige Entscheidungen gehen ins Leere, wenn sie sich nicht messen lassen an dem, der uns leitet mit seinem Wort. Die DIAKO war immer schon mehr als ein Gesundheitsunternehmen für den Leib. Sie war und ist immer auch eine Lehranstalt für das Leben und den Glauben, der gesund machen kann.
Von einer Lehrerin des Glaubens hat Schwester Hannelore eben vorgelesen im Evangelium (Matthäus 15, 21 – 28): Die unverschämte Unbekannte, die hartnäckige Mutter aus Kanaan, die namenlose Migrantin, die sich nicht wegtreiben lässt von den Grenzposten, die sich um Jesus aufgebaut haben. Die sich nicht wegtreiben lässt von denen, die das Land der Habenden verteidigen gegen die Habenichtse. Die sich nicht wegtreiben lässt von denen, die nicht nur alles Brot für sich behalten wollen, sondern sogar noch alle Brotkrümel. Mutig und stark fordert sie ihren kleinen Anteil an Glück und Auskommen für sich – und vor allem für ihre kranke Tochter. Sie will noch nicht einmal Brot, diese Frau, aber sie will haben das Wenige, das sie und ihre Tochter zum Leben brauchen: Sie will wenigstens einige Krümel vom Brot, die da herabfallen vom Tisch des Herrn. Sie will wenigstens Brosamen des Heils für Seele und Leib, denn ohne diese Hoffnungskrümel ist das Leben nicht zu schaffen. Die Tochter der Frau nämlich ist – so sagt die Geschichte – geplagt von einem bösen Geist. Und die Frau weiß: Gegen diesen bösen Geist gibt es nur einen Helfer. Einer, der voll ist von gutem Geist – Jesus der Herr! Und wenn es denn sein muss, dann gilt es auch diesen zunächst unwilligen Helfer gleichsam mit seiner eigenen Waffe zu schlagen. Mit der Waffe, die da heißt: Vertrauen! Glaube in die Güte Gottes, der niederreißt die Mauern zwischen Habenden und Habenichtsen, der niederreißt die Zäune zwischen denen, die dazugehören und denen, die draußen zu bleiben haben. Die Krankheit mit Namen „böser Geist“, die Krankheit mit Namen Ausgrenzung, die Krankheit mit Namen Fremdenangst, sie ist nur zu bekämpfen mit der Waffe des Glaubens – das, liebe Schwestern und Brüder, lerne ich von dieser großen unbekannten, von dieser so großartig unverschämten Frau! Und es kommt nicht von Ungefähr, wenn ich beim Hören dieser Geschichte eben eine Diakonisse vor Augen habe! Sie hält fest – gegen alle harten Realitäten der Welt – an der großen Realität der Hoffnung auf Gerechtigkeit für alle Kinder Gottes! Sie hält fest an der großen Realität der Hoffung, die in der Bibel auch in die Worte gekleidet ist: „Ich bin der HERR, dein Arzt“.
Diese Realität Gottes hat Frank Schlicht verkündigt, wortgewandt, begeisternd – als Vikar in Schulensee, als Pastor in Westensee, Schleswig und hier in der DIAKO. Diesem Gott haben Sie selbst vertraut und sich ihm in eigenen Krankheitszeiten anvertraut!
In dem DIAKO-Journal, das in diesen Tagen unter dem Titel „In guten Händen“ als Beilage der Evangelischen Zeitung erschienen ist, sprechen Sie, Bruder Schlicht, von dem „diakonischen Dreieck“ mit seinen Eckpunkten: Christlichkeit, Fachlichkeit und Wirtschaftlichkeit. Stabil solle dieses Dreieck bleiben – das mache das besondere Profil der DIAKO aus. Ich frage mich, ob sich das nicht auch – vorbildlich! – bei der großen hartnäckigen Fremden aus dem Evangelium findet: „Christlichkeit“ heißt bei ihr, alles Vertrauen werfen auf Jesus! „Fachlichkeit“ sehe ich darin, dass sie sich wendet an den einen Arzt, dem sie allein die Kompetenz zuschreibt, es sogar mit der Krankheit „böser Geist“ aufzunehmen. Und „Wirtschaftlichkeit“ – nun ja, liebe Schwestern und Brüder, die Frau will die Brotkrümel eben nicht unterm Tisch vergammeln lassen. Nein, im Gegenteil: Jeder Brotkrümel ist dafür da, dass er Hunger stillt, jede alt gewordenen Brotkante ist wertvolles Nahrungsmittel. Jedes scheinbar alt gewordene Wort, das am Bett eines Kranken gesprochen, gebetet, gesungen oder auch geschwiegen wird: es nährt und stillt den Lebenshunger! Auch dieses Mittel, in keiner Bilanz, in keiner Gewinn- und Verlustrechnung explizit auszumachen, hat Macht und Kraft!
Ohne diese Ausrichtung, ohne, dass Gott Raum gegeben wird, ohne dass ihm gesungen wird, ohne dass sein Wort sich Gehör verschafft, ist die Lehranstalt DIAKO überhaupt nicht zu denken – auch nicht zu denken als wirtschaftlicher Player. Daraus lebt sie, daraus speist sie sich, darin ist sie stark. Seit mehr als 125 Jahren. Von dieser Kraft gibt sie ab denen, die mühselig und beladen sind, die Heil und Heilung suchen.
Gott ist hier gegenwärtig, heilig in unserer Mitte, in seiner DIAKO-Wohnung auch für alle ihre Mitarbeitenden. Alle – die Diakonischen Schwestern und Brüder, die Ärztinnen und Ärzte, die Pflegerinnen und Pfleger, die Zivildienst-Leistenden, die Pastorinnen und Pastoren, das Servicepersonal, alle Mitarbeitenden – sind hineingenommen in den Raum unter Gottes Sonne und Schild, auch sie alle leben im Kraftfeld Gottes, ihnen allen gilt sein Zuspruch.
Daran bliebt festzuhalten – auch angesichts der „Realitäten“ des Krankenhauswesen, bei allem, was so kompliziert und anstrengend ist; in allem, was uns bindet an Systemen, Bilanzen: da gibt es eine Kraft, eine Verheißung, die bei uns präsent und stark ist: Dieses wunderbare und Wunder schaffende Geheimnis der göttlichen Zuwendung zu denen, die sich sehnen nach Heilung und Heil, zu denen, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit Gottes und die sich sehnen nach seinem Schalom. Der stark machende, der Leben schaffende Geist Gottes selbst ist die „holding“, das schützende und das einende Dach, unter dem alle wohnen, die hier arbeiten oder gepflegt werden und die hier Hilfe suchen: Heilung und Heil.
Für diese Vision eines „christlichen Krankenhauses“ lebt Rektor Pastor Frank Schlicht in der DIAKO und so hat er gearbeitet. Dafür gilt ihm mein herzlicher Dank! Er war ein versierter Manager seines Hauses. Einer, der mit freundlich nervender Beharrlichkeit die Interessen des Hauses vertreten kann. Er kennt sich aus mit „DRGs“, mit Dokumentationen, mit Qualitätsstandards usw. Er weiß, dass auch dieses Stück der lebendigen Kirche, die DIAKO, Kirche in der Welt ist. Und Frank Schlicht gehört zu denen, die im Raum der Kirche und ihrer Diakonie ein modernes Gesundheitswesen etabliert und ausgebaut haben. Die DIAKO ist gewachsen in den Jahren des Rektorates von Frank Schlicht. Eine starke Anstalt, die „Dickenissenanstalt“.
„Er machte die DIAKO zum Konzern“ – so titelt die Flensburger Zeitung gestern. Ein Gesundheitskonzern mit mehr als 3000 Mitarbeitenden. In Flensburg die größte Arbeitgeberin…Fürsorge und Finanzen habe Frank Schlicht unter einen Hut gebracht. Das stimmt alles.
Mehr noch aber gilt dies: in den letzten 17 Jahren ist die DIAKO ein starkes Stück Kirche geblieben und ist als solches gewachsen: sichtbar auf dem Markt und in den Herzen der Menschen! Ein starkes Stück Kirche, das von dem Arzt Jesus Christus zeugt. Dies - das starke Stück Kirche in den veränderten Rahmenbedingungen sichtbar zu halten – das ist sicher ein Verdienst von Pastor Schlicht. Aber das starke Stück Kirche steht auf einem Grund, den keiner legen kann, außer dem, der gelegt ist: Jesus Christus. Und das starke Stück Kirche, und auch der Pastor Schlicht sind nichts ohne die vielen Mitarbeitenden, die selber ein starkes Stück Kirche sind, für das ich dankbar bin! Alle – ob sie an Patientenbetten Dienst tun oder in den Küchen oder in der Verwaltung; ambulant oder stationär, in der Technik oder in der Seelsorge – sie alle haben Anteil an dem einen Amt der Kirche, dem der Verkündigung nämlich des heilsamen Wortes Gottes!
Und darum ist es so: der Manager, Rektor und Bruder Frank Schlicht ist vor allem eines gewesen: ein Pastor, ein Hirte seiner Gemeinde, ein Verkündiger des Wortes Gottes, das heil macht über alle Grenzen des Gesundheitssystems hinweg. Modernes Management und glaubende Vernunft; Frömmigkeit und Realitätssinn, Betriebswirtschaft und Spiritualität müssen keine Gegensätze sein. Sie brauchen einander geradezu.
Dies ist Pastor Schlicht zu danken vor allem: die Verkündigung des Wortes unseres Gottes in Wort und Tat. Getragen von Gottes Verheißung hat Frank Schlicht immer wieder die ganz schlichte Botschaft zu den Menschen bringen können: Gott, der Herr ist dein Arzt!
Und bei allem, was nun vor Ihnen liegen wird lieber Bruder Schlicht, der Sie nun loslassen müssen von der DIAKO - sollen Sie und die Ihren gewiss sein: Der Segensruf: „Bruder Schlicht, sieh´ zu, dass Du Land gewinnst!“ ist nicht als eine Drohung zu verstehen. Sondern er ist zu verstehen als eine Verheißung, die gilt für Sie und die Ihren auf dem Weg hin in das Land, das uns von Gott versprochen ist.
Lieber Bruder Boten, der weite DIAKO-Raum, auf den Ihre Füße heute nun auch noch einmal öffentlich gestellt werden, ist ja für Sie kein unbekanntes Gelände mehr. Sie wissen längst, was wir Ihnen zutrauen und zumuten – es lohnt sich, denn, so wage ich zu sagen: Die DIAKO ist eine gute Schule des Lebens auch angesichts des Leides. Warum ich das meine, habe ich bereits gesagt.
Sie haben als Ihr liebstes Kirchenlied neulich genannt: „Sonne der Gerechtigkeit“ – besonders wegen der Zeile „Gib den Boten Kraft und Mut.“ Wir haben das Lied mit seiner 5. Strophe ja gleich am Anfang dieses Gottesdienstes gesungen – und selbstverständlich habe ich beim Singen vorhin den Text geändert in den Singular: „Gib dem Boten Kraft und Mut“. Ja, die wird er brauchen können, der Boten! Zugleich aber, liebe Gemeinde ist es ja völlig richtig, auch den Plural zu singen: gib den Boten Kraft und Mut! Denn Wolfgang Boten ist nicht allein in – seine Frau und die Kinder gehören dazu. Also auch Ihnen sei zugesungen – etwas norddeutsch eingefärbt: „Gib den Botens Kraft und Mut!“ Ein herzliches Willkommen Ihnen allen!
Liebe Festgemeinde, bei allen Feiern anlässlich von DIAKO-Jahresfest, bei allem Wandel der Zeiten und bei allem Wechsel lasst uns festhalten an dem was bei der unverschämten Unbekannten, bei der hartnäckigen Mutter, bei dieser namenlosen Migrantin, zu lernen ist: dass wir miteinander Einüben die Lebensbewegung des Glaubens und hinüber werfen unser Herz hin zu dem der da spricht: „Frau, dein Glaube ist groß. Dir geschehe, wie du willst!“ Dieser Glaube hat Folgen, die „bösen Geister“ werden nicht siegen, denn: Die Tochter wurde gesund zu derselben Stunde.Amen.