Katholikin Hilde Lamersdorf erhält das Ansgarkreuz
22. August 2019
Sie ist freiheitsliebend, seit sie denken kann. Und katholisch. Am 31. August erhält Hilde Lamersdorf trotzdem das Ansgarkreuz der evangelischen Nordkirche. Ein Widerspruch? Nein.
Pröpstin Frauke Eiben überreicht es ihr im Gottesdienst Martin-Luther-Kirche Wentorf. Danach wird zu einem bunten (ökumenischen) Gemeindefest geladen. Das Ansgarkreuz ist ein Dankzeichen der Nordkirche, das Personen erhalten, die sich in besonderer Weise ehrenamtlich verdient gemacht haben.
"Ich habe mir von der Obrigkeit nie etwas sagen lassen"
Der Gottesdienst in der Martin-Luther-Kirche Wentorf beginnt am 31. August um 14 Uhr.
„Es ist mir ja fast ein bisschen peinlich“, erzählt die 88-Jährige, „dass so ein Trubel um mich gemacht wird. Eigentlich mag ich das nicht. Ich wirke am liebsten im Hintergrund“. Sie wurde in Göttingen geboren, ging mit den Eltern nach Hamburg-Bergedorf und kam 1962 mit ihrem inzwischen verstorbenen Mann nach Wentorf und zog vier Kinder auf. „Die Fähigkeit, von außen auf die Dinge zu gucken, fand ich immer sehr wichtig. Und ich habe mir von der Obrigkeit nie etwas sagen lassen.“
Mittlerin zwischen Protestanten und Katholiken
Hilde Lamersdorf studierte Lehramt, arbeitete bis zur Geburt der Kinder als Grundschullehrerin, kümmerte sich um den Haushalt, die Kinder und gab Religions- und Kommunionsunterricht. „Als Kind war ich sehr bockig und schweigsam, sodass mich meine Eltern mit ihren hohen Ansprüchen in Ruhe ließen. Das war das Tor zu meiner Freiheit.“ Dieses Freiheitsdenken befähigt Hilde Lamersdorf dazu, Mittlerin zwischen Katholiken und Protestanten zu sein.
Sie initiierte die Feier des Martinsfestes in Wentorf
„Vor fünfzig Jahren gab es noch keine Katholische Gemeinde in Wentorf – sie wurde 1972 von einem Militärpfarrer in der Bose-Bergmann-Kaserne in Reinkbek begründet. Gottesdienste wurden in einer Baracke gefeiert. Ich fand heraus, dass es 500 katholische Familien in Wentorf gab. Da musste ich etwas tun. Eine meiner ersten Aktionen war das Feiern des Martinsfestes am 11. November. Das ganze Dorf schien auf den Beinen zu sein und leuchtete von den vielen Laternen.“ Der Umzug findet bis heute jedes Jahr statt.
Die katholische Gemeinde wurde Dauergast in der evangelischen Kirche
So kam eins zum anderen: die Ansgarkreuz-Preisträgerin verfasste ein Theaterstück zum Martinsfest, doch für die Aufführung war die Baracke viel zu klein. Also fragte sie an, ob sie nicht die Martin-Luther-Kirche nutzen könne? Sie durfte. Auch für viele weitere Aktionen. Das Ergebnis: Seit fast 50 Jahren ist die Katholische Gemeinde Wentorf ein fester Gast in der evangelischen Martin-Luther-Kirche.
Lamersdorf entwickelte viele ökumenische Formate
Hilde Lamersdorf initiierte eine breite Palette an ökumenischen Formaten: Passionsandachten mit dramatischer Liturgie, den Nikolausabend, ein weiteres Martinsspiel, viele Krippenspiele, die schließlich Predigten erübrigten, das regelmäßige Friedensgebet nach Franz von Assisi und schließlich einen 151. Psalm, der lautet: „Wie toll hast du mich gemacht, dass ich schmerzliche Erfahrungen in positive umwandeln kann“. Gemeindeglieder beider Konfessionen schrieben dazu Texte aus ihrer eigenen Lebenserfahrung. Auch im Gottesdienst am 31. August wird dieser Psalm gebetet werden.